Direkt zum Inhalt

Kreative Ingenieure gegen den Smartphone-Schrott

Bild: vladdon / Shutterstock.com

Smartphones sind ein fester Bestandteil unseres täglichen Lebens geworden. Wurden im Jahr 2010 weltweit rund 300 Millionen Smartphones ausgeliefert, sind es heute bereits mehr als eine Milliarde. Die Produktion verschlingt Unmengen an Energie und Rohstoffen und erhöht am Ende der Nutzungsdauer den Berg des Elektroschrotts. Ein Team von angehenden Verfahrensingenieuren des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) hat jetzt ein mehrstufiges Konzept zum Recycling von Smartphones entwickelt.

Erst smart dann giftig

Der Anteil an Smartphones am Elektroschrott nimmt kontinuierlich zu. Aktuell 57 Millionen Smartphone-Besitzer allein in Deutschland nutzen ihr Smartphone maximal vier Jahre. Danach tragen die multifunktionalen Alltagsbegleiter, das elektronische „Ich“, zu den rund 23 Kilogramm Elektroschrott bei, die jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr produziert.

Falsch entsorgt, entsteht gerade durch Smartphones ein enormer Schaden für Mensch und Umwelt. Die Platinen und Akkus enthalten mindestens ein giftiges Metall. Meist handelt es sich um Blei, Cadmium oder Beryllium. Von den Müllkippen aus gelangen die Chemikalien in den Boden, ins Wasser und die Luft. Erhöhte Risiken für Herz-Kreislauferkrankungen und Krebs sind die häufigsten gesundheitlichen Folgen des unbedachten Entsorgens. Hinzu kommt: Werden die Smartphones achtlos in den Hausmüll geworfen, gehen große Mengen an wertvollen, weil seltenen Rohstoffen verloren, wie zum Beispiel Gold, Silber, Kupfer und Aluminium.

Das Interesse der Industrie, den anfallenden Elektroschrott wiederzuverwerten, ist deswegen groß. Bei der Smartphoneverwertung sollen Rohstoffe wie Keramik, Kunststoffe und vor allem Metalle gezielt recycelt werden, um den weiteren Abbau endlicher Ressourcen einzudämmen. Doch innovative Lösungskonzepte sind noch rar.

Mehrstufiger Recyclingprozess schont Ressourcen

Einen zukunftsweisenden Ansatz könnte hier das Siegerkonzept des diesjährigen chemPLANT-Wettbewerbs der kreativen jungen Verfahrensingenieure (kjVI) liefern: „chemPHONE“, so der Titel der Aufgabe für 2019: Studierende sollten ein Recycling-Konzept für Smartphones entwickeln, das wirtschaftlich, nachhaltig und im Sinne der zirkulären Wertschöpfung funktioniert. Smartphone-Bestandteile sollen dabei wertvoll erhalten und nach Möglichkeit komplett wiederverwendet werden.

Punkten konnte hier das Team der Technischen Universität Kaiserslautern mit der Vorstellung eines mehrstufigen Recyclingprozesses: Im ersten Schritt wird geprüft, ob das Smartphone einfach zu zerlegen ist, das heißt, verschraubt und nicht verklebt. Ist es verschraubt, kann es zum Beispiel in einer Behinderten-Werkstatt manuell auseinandergenommen werden, um die Bestandteile einzeln aufzuarbeiten. Andere, vollverklebte Smartphones, werden komplett geschreddert und mittels Magnetismus oder durch Zentrifugieren in (Edel-)Metall-, Glas- und Kunststoffbestandteile aufgeteilt.

Im zweiten Schritt kommt das Bakterium Pseudomonas chlororaphis ins Spiel: Es bildet Cyanide, die zunächst Kupfer und danach Gold und Silber lösen können. Das alles geschieht in einer in sich abgeschlossenen, industriellen Laborsituation, ohne technische Risiken und Umweltbelastungen.

Ganz im Gegensatz zur derzeit gängigen Cyanid-Laugerei, um die Rohstoffe überhaupt erst zu gewinnen: Jährlich werden allein zur Goldgewinnung weltweit insgesamt rund 182.000 Tonnen Cyanid benötigt. Das hochgiftige Blausäuresalz löst selbst kleinste Gold- und Silberspuren aus dem abgebauten Gestein heraus, direkt vor Ort. Die übrigbleibende Schlacke wird nicht selten in benachbarten Flüssen, Seen oder im Meer entsorgt. Bilder von knalltürkis verfärbten Seen inmitten von Goldabbauregionen bleiben im Gedächtnis und machen die Folgen für Mensch und Umwelt sichtbar.

Das Team der TU Kaiserslautern hat sich übrigens gegen 19 Bewerber durchgesetzt und konnte sich über die mit 2.000 Euro dotierte Siegerprämie freuen. Die Auszeichnung fand im Rahmen des Thermodynamik-Kolloquiums vom 30. September bis 2. Oktober 2019 an der Universität Duisburg-Essen statt. Bis zur Marktreife des mehrstufigen Recyclingprozesses wird es noch dauern, aber die Idee ist geboren und die chemische Industrie ist aufgefordert, hier auf die Ingenieurstudierenden zuzugehen.

Querdenken erwünscht

Die VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (GVC) führt den chemPLANT-Wettbewerb jährlich mit wechselnden Aufgabenstellungen durch. Ziel ist es, Studierende dafür zu begeistern, industrielle Prozesse zu planen und neue Anlagen zu konzipieren. Vor allem soll zum Querdenken angeregt werden – auch auf den ersten Blick verrückt scheinende Ideen sind ausdrücklich erwünscht.

Der chemPLANT-Wettbewerb 2019 wurde finanziell unterstützt von BASF, Bayer, Clariant, Covestro, Evonik und Merck.
Weitere Informationen und Anmeldung zum chemPLANT-Wettbewerb 2020 unter www.vdi.de/chemplant oder chemplant@vdi.de.

Autorin: Alice Quack
Redaktion: Thomas Kresser

 

 

Artikel teilen