Innovation at Risk?!
Herausforderungen und Chancen für die Ingenieur-Ausbildung von morgen.
Stagnierende Entwicklungen, veraltete Inhalte - viele Ingenieurstudierende hadern mit ihrere Ausbildung. Die Anforderungen des Studiums werden dem rasanten technischen Wandel nicht gerecht. Zudem verschlechtert sich der Ruf der in Deutschland ausgebildeten Ingenieurinnen und Ingenieure im internationalen Vergleich, so die Deutsche Welle.
Auch der VDI sieht durch den Fachkräftemangel die Transformation zu einer nachhaltigen Industrie bedroht, da 29% der Unternehmen offene Stellen nicht besetzen können und damit die notwendigen Innovationsprozesse gefährdet sind.
Das VDI-Projekt "Zukunft Deutschland 2050" betont daher die Notwendigkeit einer modernen und praxisnahen Ingenieurausbildung, um den zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden. Angesichts dieser Entwicklungen stellen wir uns als VDI Young Engineers die Frage nach den Inhalten und dem Praxisbezug der Ausbildung.
Wir wollen das Bewusstsein für die Stärken und Schwächen der deutschen Hochschulausbildung schärfen und mit den Anforderungen der Berufswelt abgleichen.
Ist unsere Ingenieurausbildung noch zeitgemäß?
Anhand von Daten und Fakten aus dem VDI und anderen Quellen erfassen wir den Ist-Zustand. Zudem planen wir Gespräche mit 5 verschiedenen Personengruppen: Studierende, Lehrende, Personalverantwortliche, Doktorandinnen und Doktoranden, Professorinnen und Professoren.
Um eine breite Wirkung zu erzielen, werden die Ergebnisse unserer Arbeit über Social Media Posts verbreitet und in einer umfassenden Dokumentation zusammengefasst.
- Schärfung des Bewusstseins für Stärken und Schwächen der Hochschulausbildung
- Abgleich von beruflichen Anforderungen und Ausbildung
- Förderung des technischen Nachwuchses durch Analyse der VDI-Angebote
- Generierung von Aufmerksamkeit für den VDI und die VDI Young Engineers
Die Ingenieurausbildung in Deutschland steht vor großen Herausforderungen: Stagnierende Entwicklungen, veraltete Studieninhalte und ein wachsender Fachkräftemangel bedrohen die Innovationskraft und die Transformation hin zu einer nachhaltigen Industrie. Laut dem VDI können 29 Prozent der Unternehmen offene Stellen nicht besetzen – eine alarmierende Zahl, die zeigt, wie dringend praxisnahe und zukunftsorientierte Ansätze in der Ausbildung benötigt werden. Diese Zahl unterstreicht, dass innovative Bildungsstrategien entscheidend sind, um den Fachkräftemangel langfristig zu bekämpfen.
Im Rahmen des Projekts "Innovation at Risk?!" der VDI Young Engineers widmen wir uns genau diesen Fragestellungen. Unser Ziel ist es, die Stärken und Schwächen der deutschen Hochschulausbildung zu beleuchten und mit den Anforderungen der Berufswelt abzugleichen. Dabei spielen auch Perspektiven aus der Industrie eine zentrale Rolle – insbesondere von Unternehmen, die an der Schnittstelle von Innovation und Praxis arbeiten.
Ein solches Unternehmen ist die SMS group, ein weltweit führender Anbieter im Anlagenbau für die Werkstoffindustrie. Mit ihrer metallurgischen Expertise in Verbindung mit Mechanik, Elektrik & Automation, Digitalisierung sowie globalen Servicekonzepten treibt die SMS group technologische Innovationen voran und gestaltet die Industrie der Zukunft aktiv mit.

Katja Windt, Mitglied der Geschäftsführung der SMS group, verbindet als promovierte Maschinenbauingenieurin und Professorin Industrie und Wissenschaft. Bei der SMS group gestaltet sie das globale Servicegeschäft, die Digitalisierung und Elektrik & Automation, IT sowie die internationalen Geschäfte in Amerika und China. Darüber hinaus engagiert sie sich weiterhin in der Lehre, um junge Talente für die Ingenieurberufe zu begeistern – denn sie ist überzeugt: Die Industrie braucht dringend mehr technische Nachwuchskräfte.
Im folgenden Interview gibt uns Prof. Dr.-Ing. Katja Windt Einblicke in ihre Perspektiven auf die Ingenieurausbildung der Zukunft, die Herausforderungen des Fachkräftemangels und die Bedeutung einer engen Verzahnung von Wissenschaft und Praxis.
Innovation in Deutschland
VDI Young Engineers: Der VDI hat in einer Metastudie festgestellt, dass 54 Prozent Deutschland nicht für wettbewerbsfähig in Sachen Innovation halten. Wo stehen Sie?
Katja Windt: Deutschland ist zwar innovativ, jedoch gibt es Potenzial für mehr Fortschritt. Die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen ist von entscheidender Bedeutung, insbesondere eine Politik, die technologische Offenheit fördert und unterstützt. Leider fehlt es häufig an dieser Offenheit.
Ein Beispiel: In der EU-Förderpolitik zur Dekarbonisierung geht es oft darum, Technologien abzuschalten, anstatt CO₂ nachhaltig zu reduzieren oder im Rahmen der Kreislaufwirtschaft als Ressource zu nutzen (z.B. Produktion von e-Fuels für die Dekarbonisierung der Luftfahrtindustrie). Wir brauchen Anreize für adaptive Technologien, die den CO₂-Footprint tatsächlich minimieren, anstatt nur auf Vermeidung zu setzen. Viele Fördermechanismen sind ideologisch geprägt und aus Sicht der Industrie nicht zielführend.
VDI Young Engineers: Warum dann überhaupt Deutschland? Was spricht für den Standort?
Katja Windt: Deutschland hat hervorragend qualifizierte Ingenieurinnen und Ingenieure – diese Qualität müssen wir sichern und zugleich den Nachwuchs stärken. Zudem bietet Deutschland Fördermöglichkeiten – allerdings müssen diese gezielter eingesetzt werden, um Innovationen zu skalieren und Investoren zu gewinnen.
Ein weiteres Problem ist das fehlende Venture Capital für Start-ups. Im Vergleich zu den USA oder Indien gibt es in Deutschland und Europa zu wenig Finanzierungsmöglichkeiten für neue Ideen.
VDI Young Engineers: Welche Länder sind aktuell Innovationszentren – und warum?
Katja Windt: Die USA dominieren bei Digitalisierung und KI, dort wird gefördert statt reguliert. Indien ist ebenfalls stark, weil es technologieoffen agiert. Wir haben dort mit unserer Paul Wurth EASyMelt-Technologie zur CO₂-Reduktion im Hochofen ein hohes Erfolgspotential, während Europa dafür noch geringe Offenheit zeigt. Diese Flexibilität und Technologieoffenheit bräuchten wir auch hier.
Innovation bei SMS group
VDI Young Engineers: Wie treibt die SMS group Innovationen voran – sowohl intern als auch im Umfeld mit Zulieferern und Universitäten?
Katja Windt: Wir setzen auf klare Schwerpunkte wie Dekarbonisierung. Das geschieht durch eigene Forschung, die Integration externer Technologien und Partnerschaften mit Universitäten sowie Start-ups.
Unsere Entwicklungen sind stets praxisnah und orientieren sich an konkreten Anwendungsfällen mit klarem Business Case, um die Unternehmensstrategie gezielt zu unterstützen. Wir betreiben keine Grundlagenforschung, sondern setzen auf praxisnahe Lösungen für unsere Kunden. Dabei verknüpfen wir interdisziplinäres Know-how aus Metallurgie, Mechanik, Elektrik, Automation und Digitalisierung.
VDI Young Engineers: Wie funktioniert Innovationsmanagement intern? Wie kommen Ideen von Mitarbeitenden zur Umsetzung?
Katja Windt: Unsere R&D-Abteilung strukturiert diesen Prozess systematisch. Ideen werden bewertet und, wenn sinnvoll, in Projekte integriert. Unsere Produktmanager analysieren kontinuierlich den Markt, den Wettbewerb und die Kundenbedarfe, um Innovationen voranzutreiben.
VDI Young Engineers: Woher kommen die meisten Innovationen – aus der Forschung oder aus Kundenprojekten?
Katja Windt: Hauptsächlich aus konkreten Kundenanforderungen. Forschung liefert Grundlagen, aber wir entwickeln Lösungen für reale Probleme. Ein Beispiel: Quantencomputing ist noch nicht praxistauglich, aber während Quanten-Sensorik vielversprechende Anwendungen in der Messtechnik eröffnet, zeigt sich KI bereits als Schlüsseltechnologie in der Industrie. KI hingegen nutzen wir bereits aktiv – etwa mit unserer eigenen GPT-Anwendung zur Prozessautomatisierung.
Technologie und Gesellschaft
VDI Young Engineers: KI und Quantencomputer lösen oft gemischte Reaktionen aus – von Begeisterung bis Angst um Arbeitsplätze. Welche Risiken müssen wir akzeptieren, um voranzukommen?
Katja Windt: Bildung ist der Schlüssel. Schon in Schulen müsste es mehr Technik- und IT-Wissen geben. Die Angst vor KI resultiert oft aus mangelndem Verständnis – hier muss Bildung ansetzen.
Außerdem haben wir ein massives Demografie-Problem: Bald gehen mehr Menschen in Rente als junge nachkommen. Automatisierung ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Sie soll nicht Jobs ersetzen, sondern Mitarbeitende von Routinetätigkeiten entlasten, damit sie sich auf kreative Problemlösung konzentrieren können.
VDI Young Engineers: Unsere Umfrage zeigt: 93 % der Dozenten glauben, sie bereiten Studierende gut auf den Job vor, aber 25 % der Unternehmen stimmen nicht zu. Wie gut sind Ingenieur-Absolventen wirklich vorbereitet?
Katja Windt: In den Ingenieurwissenschaften gibt es enge Industriekooperationen, aber nicht überall. Lehrmaterial ist oft veraltet, moderne Lehrmethoden fehlen. Universitäten sollten Inhalte regelmäßiger aktualisieren. Hier ist Verbesserungspotenzial. Die Ingenieursausbildung sollte verstärkt KI, IT und Automatisierung integrieren, wobei Mechatronik als interdisziplinäre Disziplin weiter an Bedeutung gewinnen wird.
Das Problem beginnt schon früher in den Schulen: Technik wird kaum vermittelt, viele Lehrkräfte haben keine Berührung mit modernen Technologien. Es bräuchte standardisierte Weiterbildungen für Lehrerinnen und Lehrer.
Hochschulen und Praxisbezug
VDI Young Engineers: Viele Studierende bemängeln mangelnden Praxisbezug an Universitäten. Sie haben selbst Vorlesungen gehalten – wie sehen Sie das?
Katja Windt: Anwendungsnähe ist entscheidend. Ich halte Vorträge an der RWTH Aachen, der Carnegie Mellon University in Pittsburgh und an der Constructor University in Bremen, um den Praxisbezug herzustellen. Studierende sollen erleben, inwieweit erlernte Theorie angewendet bzw. an die Praxisbedingungen angepasst werden kann oder muss und welche Herausforderungen sich aus der industriellen Praxis ergeben.
Lehrende müssen stärker mit Unternehmen kooperieren, damit Forschung und Ausbildung auf den Arbeitsmarkt abgestimmt sind.
Rolle des VDI und politischer Rahmen
VDI Young Engineers: Was kann der VDI tun, um Innovation zu fördern?
Katja Windt: Technologieoffenheit in Deutschland stärken. Der VDI sollte stärker in öffentliche Debatten eingreifen, Deregulierung anstoßen und als zentraler Vermittler zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Impulse für Ausbildung und Innovation setzen.
Technologie muss sichtbarer gemacht werden – nicht nur in Fachmedien, sondern auch in Schulen und Regionalmedien.
VDI Young Engineers: Zusammenfassend – es gibt Herausforderungen, aber Deutschland hat Potenzial. Ausbildung muss verbessert werden, und die Politik muss wirtschaftsfreundlicher agieren.
Katja Windt: Genau – doch ohne entschlossene politische Reformen wird es nicht reichen.
VDI Young Engineers: Vielen Dank für das Gespräch!

Autor
Andreas Henn
VDI Young Engineers, Mitglied Projektteam "Innovation at Risk?!"Das Projektteam stellt sich vor:
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Florian Wabnitz
Projektleitung: Innovation at Risk?!