5 Mythen rund um die Wärmepumpe
Wärmepumpen gelten als vielversprechende Alternative im Heizungssektor. Häufig werden mit der Technologie hohe Erwartungen verknüpft. Mit ihr soll die Energiewende gelingen. Gleichzeitig kursieren verschiedene Mythen zur Wärmepumpe. Danny Günther vom Fraunhofer ISE und Sven Kersten vom Wärmepumpenhersteller NIBE Climate Solutions klären auf, welche zutreffen und welche nicht.

VDI: Herr Günther, Herr Kersten, lassen Sie uns heute auf fünf Mythen rund um die Wärmepumpe blicken, die immer wieder auftauchen. Punkt eins: Mit einer Wärmepumpe wird das Gebäude nicht warm.
Sven Kersten: Da bin ich der richtige Ansprechpartner. Wir haben ein Haus von 1909, das praktisch ein undichter Altbau mit hohen Decken, Stahlrippenheizkörpern und alten Fenstern ist. Und Sie werden es nicht glauben, es wird angenehm warm bei uns zu Hause. Unsere Wärmepumpe ist sogar schon zehn Jahre alt, dafür aber optimal auf die Heizlast des Gebäudes ausgelegt.
Danny Günther: Wenn ich hier ergänzen darf. Die meisten Fehler passieren schon während der Planung und sind dann ursächlich für diesen Mythos. Wenn Sie jedoch die Heizlast richtig berechnen und die Wärmepumpe daraufhin auslegen, kann man eigentlich nichts falsch machen.
Sven Kersten: Da ich inzwischen selbst bei einem Wärmepumpenhersteller arbeite, weiß ich, wie wichtig es ist, erstmal die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen zu erfragen, die sich eine Wärmepumpe einbauen lassen möchten. Wer 26 Grad im Wohnzimmer wünscht, dem muss eben auch klar sein, dass die Wärmepumpe das schafft, dann aber nicht mehr besonders effizient arbeitet. Alles hat seinen Preis: Eine hohe Raumtemperatur geht eben zu Lasten des Verbrauchs.
VDI: Tropische Raumtemperaturen sind also kein Problem. Gut. Herr Kersten, Sie haben mit Ihrem Beispiel praktisch schon zwei weitere Mythen widerlegt. Nämlich die Behauptung, eine Wärmepumpe sei für den Altbau nicht geeignet und benötige zwingend Flächenheizkörper, um zu funktionieren.
Sven Kersten: Das stimmt. Unser Haus ist wirklich ein Altbau und unsere Wärmepumpe ist mit ihren zehn Jahren auch nicht das neueste Modell. Das zeigt deutlich, dass diese Technologie in unterschiedlichen Gebäudetypen gut funktionieren kann.
Danny Günther: Ich habe mit meinem Team im Rahmen eines Feldversuchs rund 400 Wärmepumpen ein Jahr lang untersucht. Es gab nicht einmal den Hinweis, die Räume würden nicht warm. Natürlich können Sie eine Wärmepumpe anders auslegen, wenn das Gebäude gedämmt ist und neue Fenster sowie moderne, flächige Heizkörper eingebaut werden. Dadurch verringert sich automatisch der Heizwärmebedarf des Gebäudes und Sie können eine Wärmepumpe dann kleiner planen, wodurch sie effizienter wird. Doch sie funktioniert auch problemlos ohne Modernisierungen – und mit alten Heizkörpern.

VDI: Wie stehen Sie zu der Behauptung, Wärmepumpen seien CO2-Schleudern?
Sven Kersten: Die Diskussion um die CO2-Emissionen finde ich sehr schwierig. Wenn ich behaupte, Wärmepumpen seien CO2-Schleudern, müssten wir erst einmal das dazugehörige Gebäude betrachten und dessen Emissionen darstellen. Eine solche Herangehensweise würde es ermöglichen, Gebäudetypen und Heizsysteme besser miteinander zu vergleichen.
Nehmen wir mal an, es gäbe ein Punktesystem. Dann bekäme ein altes Gebäude, das miserabel gedämmt ist, erst einmal keinen Punkt. Nun wird das Gebäude mit einer Wärmepumpe beheizt und die Wärmepumpe wird mit Ökostrom betrieben. Und schon bekommt das Gebäude zwei Punkte und steht viel besser dar. Unterm Strich ist eine Wärmepumpe immer klimafreundlicher als eine Gasheizung.
Danny Günther: Wir haben in einer aktuellen Studie über mehrere Jahre hinweg eine dynamische Analyse durchgeführt. Dabei wurden Lastkurven von Wärmepumpen mit ausgewertet. Als Vergleichsgröße haben wir einen Gaskessel als Referenzwärmeerzeuger verwendet. Bei den 75 Wärmepumpen, die Teil der Untersuchung waren, konnten wir feststellen, dass unter Berücksichtigung der geringsten und höchsten gemessenen Jahresarbeitszahl diese Wärmeerzeuger zwischen 18 und 62 Prozent Treibhausgasemissionen einsparen können. Die Zahl steigt mit zunehmender Nutzungsdauer und hängt natürlich auch vom Anteil erneuerbarer Energien im Strommix ab.
Hier gilt: je mehr Erneuerbare, desto besser die Klimabilanz von Wärmepumpen. Die dynamische Analyse berücksichtigt verschiedene Faktoren: das Wetter und damit die Erträge durch erneuerbare Energien, die Verfügbarkeit von Kraftwerken, energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen und den CO2-Preis. Diese Faktoren beeinflussen die Effizienz einer Wärmepumpe. Nur wenn wir das im Detail berücksichtigen, können wir wirklich einen realitätsnahen CO2-Emissionswert ermitteln.
Der VDI bietet Schulungen zur Planung und Umsetzung von Wärmepumpenanlagen gemäß der Richtlinienreihe VDI 4645 an. Mehr erfahren
Richtlinienreihe VDI 4645
Die Richtlinienreihe behandelt die für die Planung von Wärmepumpenanlagen in Ein- und Mehrfamilienhäusern erforderlichen Schritte von der Voruntersuchung und Konzepterstellung bis zur Detailplanung. Sie gibt Hinweise zu empfohlenen hydraulischen Schaltungen, zur Dimensionierung von Anlagenkomponenten, zur Dokumentation, zur Inbetriebnahme der Anlage und Unterweisung des Betreibers und auch zu Kostenbetrachtungen.
VDI: Zum Abschluss wüssten wir gerne, wie Sie zu der Behauptung stehen, Wärmepumpen seien aufgrund des verwendeten Kältemittels umweltschädlich?
Sven Kersten: Das Kältemittel ist ein wichtiges Transportmedium, weil es die Wärme im Heizsystem überträgt. Inzwischen unterscheidet man zwischen natürlichen und synthetischen Kältemitteln und es gibt klare Vorgaben, welche Mittel eingesetzt werden dürfen. Deshalb klassifiziert man sie aufgrund ihres Treibhausgaspotenzials (Global Warming Potential, GWP).
Aktuell beschäftigt die Branche die Umstellung auf das natürliche Kältemittel Propan (R290). Die muss man als Prozess betrachten, der Zeit braucht. Aktuell gehen wir davon aus, dass wir bis 2030 etwa 30 Prozent der Wärmepumpen mit diesem natürlichen und umweltschonenderen Kältemittel auf dem Markt haben. Allerdings betrifft das auch die Hersteller der Kompressoren, die ihre Technik daraufhin anpassen müssen. Das funktioniert nicht von heute auf morgen. Eine Wärmepumpe ist aufgrund des eingesetzten Kältemittels nicht per se umweltschädlich – und auf die Lebensdauer bezogen auf jeden Fall umweltschonender als eine Öl- oder Erdgasheizung.
Danny Günther: Wir haben vor fünf Jahren eine Laborinfrastruktur aufgebaut mit dem Ziel, das Kältemittel Propan zu testen. Dabei standen Wärmepumpen als Ersatz für Gas-Etagenheizungen sowie Gas- und Öl-Zentralheizungen im Keller im Mittelpunkt. Diese müssen natürlich über mehr Leistung verfügen. Wir konnten im Rahmen des Tests nachweisen, dass weniger als 150 Gramm Propan notwendig ist, um eine Heizleistung von 7 bis 10 Kilowatt zu erreichen, eine gute Grundlage für die Etagenheizung. Es wird künftig möglich sein, dies mit noch weniger Propan zu erreichen, weil die Hersteller ihre Technologien immer weiterentwickeln.
Webinar „Wärmepumpen in bestehende Ein- und Mehrfamilienhäuser einbauen"
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Autor: ContentQualitäten
Fachlicher Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Jochen Theloke
VDI-Gesellschaft Energie um Umwelt
E-Mail: theloke@vdi.de