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Alles Bachelor und Master oder was? Verwirrung bei Hochschulabschlüssen

Ende November entscheidet der Bundesrat über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der einheitliche Bezeichnungen für Fortbildungsabschlüsse in der beruflichen Bildung vorsieht. Hierfür werden u.a. die Abschlussbezeichnungen „Bachelor Professional“ und „Master Professional“ vorgeschlagen, die die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung unterstreichen sollen. Der VDI ist eindeutig dagegen. Die Gründe hierfür erläutert Dieter Westerkamp, Bereichsleiter Technik und Gesellschaft im VDI, im Interview.

Herr Westerkamp, worum geht es bei dem Berufsbildungsgesetz?

Am 24.10.2019 ist das neue Berufsbildungsgesetz (kurz BBiG) im Bundestag als sehr großes Paket verabschiedet worden. Es gibt gute Gründe dafür, dieses Gesetz zu begrüßen, da es u.a. dafür sorgt, dass die Vergütung für Auszubildende neu regelt wird, und es auch dafür sorgt, dass die berufliche Ausbildung gestärkt und aufgewertet wird. Dies befürworten wir als VDI gerade für technische Berufe ausdrücklich.

Da gibt es dann doch aber bestimmt auch ein „Aber“, oder?

Westerkamp: Genau, denn mit der Aufwertung verbunden ist die Einführung neuer Abschlussbezeichnungen, wie z.B. der „Bachelor Professional“ und der „Master Professional“. Dies wird zukünftig zu einer Reihe von Schwierigkeiten führen. Es wird garantiert zu Verwirrungen mit den heutigen akademischen Abschlüssen „Bachelor“ und „Master“ kommen, die man als Absolvent an einer Hochschule erwirbt. Genau das ist der Punkt, in dem das BBiG auch Ingenieure betrifft.

Das klingt alles recht kompliziert – was heißt das in Kurzform?

Westerkamp: Um es einmal mit dem Sport zu vergleichen: Eine Absolventin bzw. ein Absolvent einer Hochschule wird Fußballerin bzw. Fußballer – eine Absolventin bzw. ein Absolvent einer Berufsausbildung mit Zusatzqualifikationen wird Fußballprofi. Da stimmt wohl etwas eindeutig nicht.

Wie ist es denn zu dem Vorschlag des „Bachelor Professional“ bzw. „Master Professional“ gekommen?

Westerkamp: Aus meiner Sicht war das ganz einfach: Um die Angleichung von beruflicher und akademischer Bildung hinzubekommen, hat man sich zunächst der Begriffe Bachelor und Master bedient. Und um den Bezug zur „Berufs“-Ausbildung zu erreichen, hat man „Beruf“ einfach ins Englische übersetzt und aus dem „Berufs-Bachelor“ den „Bachelor Professional“ gemacht. Für den Master gilt das gleiche. Das war prinzipiell einfach – wird aber leider verheerende Folgen haben. Diese wären zu verhindern, wenn man andere Abschlussbezeichnungen – mit entsprechender Abgrenzung – wählen würde.

Welche Folgen könnten das sein?

Westerkamp: Ich möchte nur einige kurz ausführen:

  1. Verwirrung auf dem Arbeitsmarkt: Hier muss zukünftig genau geschaut werden, welche Sorte von Bachelor bzw. Master eine Kandidatin bzw. eine Kandidat für eine ausgeschriebene Stelle tatsächlich besitzt. Eine Verwirrung und Vermischung wird ganz sicher passieren. In dieser Frage wird sich ein Hochschulabsolvent immer dafür rechtfertigen müssen, dass er die Erweiterung „Professional“ nicht tragen darf.
     
  2. Diejenigen mit Hochschulabschluss erfahren eine klare Abwertung ihrer Ausbildungsbezeichnung.
     
  3. Es kann sein, dass Kandidaten mit einem Abschluss „Bachelor Professional“ ein Master-Studium aufnehmen wollen. Dies ist heute allerdings nicht möglich und in Zukunft auch nicht. Dennoch erleben wir heute schon, dass Forderungen in diese Richtung laut werden. Dies ist nicht sinnvoll, da die Grundlagen für ein Masterstudium eben in einem Bachelorstudium gelegt werden – nicht in einer Berufsausbildung.
     
  4. Das europäische Ausland wird den deutschen Alleingang überhaupt nicht verstehen, da es dort ein Ausbildungssystem wie bei uns in Deutschland so nicht gibt. Einen Abschluss mit der Erweiterung „Professional“ wird es anderswo daher nicht geben. Wie also erfolgt die Bewertung von deutschen Abschlüssen zukünftig im europäischen Ausland?

Ist das nicht für Ingenieure vor dem Hintergrund des Bologna-Prozesses besonders schwierig?

Westerkamp: Ja, genau das ist es. Für Ingenieure wurde der gesamteuropäische Weg für den „Bachelor“ und „Master“ für alle akademischen Abschlüsse mitgegangen. Dabei hat man sich vom Titel „Dipl.-Ing.“ verbschiedet. Wenn nun die neuen beruflichen Abschlüsse kommen, muss man sich fragen, ob der Bologna-Prozess damit nicht ad absurdum geführt wird.

Was müsste denn passieren?

Westerkamp: Es müssten nur andere Abschlussbezeichnungen gewählt werden. Dafür gibt es auch Vorschläge. Als VDI haben wir hier keinen eigenen Vorschlag gemacht, da wir uns als technisch-wissenschaftlicher Verein nicht in der geeigneten Rolle dafür sehen.

War das Berufsbildungsgesetz in der Frage der Abschlussbezeichnungen denn nicht noch änderbar?
Genau dafür haben wir uns – und auch andere Stakeholder – eingesetzt. Leider war es so, dass das BBiG einen so großen Umfang hat und von beiden Koalitionspartnern im Gesamtpaket gewollt war. Einzelne Fragen waren da nicht herauslösbar – leider.

Kann man denn jetzt überhaupt noch etwas machen?

Westerkamp: Das BBiG ist zustimmungspflichtig durch den Bundesrat. Das bedeutet, dass noch ein Weg über die Bundesländer bleibt. Hier werden wir im VDI gemeinsam mit anderen Organisationen alles versuchen, die geplanten Abschlussbezeichnungen zu verhindern. Wir setzen uns damit für alle Ingenieurinnen und Ingenieure – auch die angehenden – ein, ebenso für alle anderen Menschen mit Hochschulabschluss.

 

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