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Energietagung 2020

Alles auf die Karte „Elektrifizierung und Wind- und Solarstrom“ zu setzen ist nicht die Lösung für die Deckung des zukünftigen deutschen Energiebedarfes!

Erst ein breiterer, auch in größerem Umfang importierter Energieträgermix einschließlich z.B. Wasserstoff, synthetischen Kraftstoffen und flexibel eingesetzter Biomasse ermöglicht eine zukunftssichere CO2-neutrale Energieversorgung.

Eine weitere Steigerung der Energieeffizienz ist Voraussetzung dafür.

Das war das Fazit der Energietagung unter dem Motto WETTBEWERB DER SYSTEME, zu der der VDI Mecklenburg-Vorpommern am 5.2.2020 über 100 Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft, NGOs, Bürgerinitiativen und Politik in Rostock begrüßen konnte, darunter auch der Bundestagsabgeordnete Peter Stein (CDU), der SPD Landtagsabgeordnete Rainer Albrecht und der ehemalige Landesvorsitzende der Brandenburger FDP, Axel Graf Bülow.

Unter der Arbeitshypothese „Die Mischung macht´s!“ wurde diskutiert, ob eine maximale Elektrifizierung aller Sektoren auf Basis Wind- und Solarstrom tatsächlich die einzig sinnvolle Option ist und welche Alternativen es ggf. gibt.

Der Vorsitzende des VDI-Landesverbandes M-V, Dipl.-Ing. Mario Kokowsky, wies in seiner Einleitung auf die aktuelle Brisanz des Themas hin. Nach den Beschlüssen der Bundesregierung über das Klimapaket und den Kohleausstieg würde der maximale Ausbau der Stromerzeugung aus Wind und Sonne von vielen als alternativlos bezeichnet. Für das hohe Ziel des Klimaschutzes müssten nach Ansicht der Wind- und Solar-Befürworter auch deutliche Abstriche an Natur- und Landschaftsschutz in Kauf genommen werden, die betroffenen Anwohner müssten von der Notwendigkeit überzeugt werden, große Windkraftanlagen in hoher Anzahl in ihrem Nahbereich zu dulden. In der Öffentlichkeit und in den Medien sei ein erbitterter Streit darüber entbrannt.

Kokowsky weiter „Wir Ingenieure wissen allerdings, dass es selten nur einen einzigen gangbaren technischen Weg zu einem Ziel gibt. Auch die gesetzten Klimaschutzziele kann man nicht nur auf einem Weg erreichen. Technisch gibt es durchaus Möglichkeiten, deren intelligente Kombination dafür geeignet sein könnte, nicht nur die absehbaren gesellschaftlichen Konflikte zu entschärfen, sondern auch systemische Schwächen einer weitgehend auf volatilen Quellen basierenden Stromversorgung zu beseitigen oder mindestens abzumildern“. Der VDI M-V wolle mit der Tagung einen Beitrag leisten, um eine breite und systemischer geführte öffentliche Debatte anzustoßen. Dabei beschränkte sich die Tagung auf die fachlichen Aspekte, d.h. technische und energiewirtschaftliche Fragen.

Der Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung des Landes M-V, Christian Pegel (SPD), wies in seinem Eingangsstatement darauf hin, dass auch weiterhin ein Ausbau von Windkraft und Photovoltaik notwendig sein werde. Er stellte jedoch klar, dass es ohne importierten Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe nicht gehen werde und setzte, im Vergleich zu früheren Aussagen der Landesregierung, deutlichere Akzente auf den Verbrauch der im Lande schon vorhandenen Windkraftüberschüsse vor Ort. M-V solle Modellregion für „Sektorenkopplung“ (d.h. die Vernetzung und ganzheitlichen Optimierung der Sektoren der Energiewirtschaft sowie der Industrie) werden, man strebe dazu die Gewährung von rechtlichen „Experimentierklauseln“ für großtechnische Pilotprojekte an. „Die Zeit für solche ideologischen Debatten ist vorbei!“ antwortete er in der späteren Podiumsdiskussion einem Vertreter des Windenergienetzwerkes WEN, der fragte, ob dies alles ein Abrücken von der unbedingten Vorfahrt für den Wind- und Solarkraftausbau bedeute.

Zu Beginn der Tagung gab der Vorsitzende des VDI-AK Energie- und Umwelttechnik in M-V, Dipl.-Ing. Michael vom Baur, (in Vertretung des erkrankten Bezirksvorsitzenden Klaus Riedner) eine Übersicht einiger relevanter Studien. Er wies darauf hin, dass die Prognosen für den Strombedarf im Jahre 2050 je nach Einsparziel und betrachteten Technologiepfaden in den einzelnen Sektoren in einer Bandbreite zwischen „wenig mehr als heute“ bis „mehr als doppelt so viel wie heute“ liegen, was einerseits eine sehr unsichere Planungsgrundlage für den Ausbau von Stromerzeugungsanlagen darstelle, andererseits jedoch auch ein Indiz für die möglichen unterschiedlichen Wege und Gestaltungsmöglichkeiten sei. Bei der politischen Formulierung von deutschen Einsparzielen müsse immer auch im Auge behalten werden, dass die jährliche CO2-Emissions-Differenz zwischen dem deutschen 80%-Ziel und dem 95%-Ziel nur so groß sei, wie die gesamte Emission von China in 6 Tagen, aber, wie die einschlägigen Studien zeigen, unterschiedliche Transformationspfade mit massiven energie- und volkswirtschaftlichen Implikationen für Deutschland haben würde. Vom Baur zeigte anhand einer Auswertung des Jahres 2019 auch die Herausforderungen einer überwiegend auf den kostenlosen, aber leider nicht immer verfügbaren Energieträgern Wind und Sonne basierenden Stromproduktion. De facto findet die Solarstromerzeugung in nennenswertem Umfang nur in den Sommermonaten und nur tagsüber statt, während Windstrom vor allem im Herbst und Winter produziert wird, allerdings „schubweise“ je nach Wetterlage. Im gesamten Jahr 2019 wurden nur 21 Perioden registriert, in denen die aktuelle Windstromleistung für mehr als 24 Stunden durchgehend größer als 50% des beobachteten Jahreshöchstwertes war, diese Zeiträume dauerten im Durchschnitt 3,5 und maximal 6 Tage, während in der Hälfte der Jahresstunden (überwiegend in den Monaten April bis August) nur wenig Windstrom verfügbar war, oft nur mit 5 GW Gesamtleistung und weniger. Eine Hochskalierung dieser Schwachwindmonate entsprechend dem angestrebten Windstrom-Versorgungsgrad würde, je nach Annahme des Anstiegs des künftigen Strombedarfes (Last), zu Ausbaubedarfen um den Faktor 5 – 8 führen, mit der Konsequenz, dass in ca. 1.000 Stunden im Jahr Stromüberschussspitzen in der Größenordnung von über 200 GW zu verarbeiten wären. Trotz allem würde ein Back-up-System für die häufigen Zeiten schwachen Windes und mit wenig Sonne benötigt, das in der Größenordnung der heutigen Last (ca. 60 -70 GW) läge und nach dem Atom- und Kohleausstieg überwiegend aus Gaskraftwerken bestehen dürfte. Daher läge die Frage nahe, ob man diese Back-up-Kraftwerke nicht CO2-reduziert betreiben solle, z.B. durch die Abscheidung von CO2 aus dem Rauchgas (CCS/CCU), was technisch möglich ist.

In den Fachvorträgen wurden Bausteine eines künftigen integrierten Primärenergieversorgungs-systems vorgestellt. Prof. Dr.-Ing. Thomas Luschtinetz, Direktor des Instituts für Regenerative Energie-Systeme-IRIS der Hochschule Stralsund gab eine sehr umfassende Übersicht über Wasserstoff als Baustein künftiger Energieversorgung und Mobilität. Dabei wies er besonders auf die wirtschaftlich notwendige Kontinuität der Wasserstofferzeugung (d.h. nicht nur aus temporären Windstromüberschüssen möglich) sowie auf die Umwandlungsverluste hin, die durch Kraft-Wärme-Kopplungs-Lösungen bei den Elektrolyseuren verringert werden könnten. Martin Eckhard von der Entwicklungsagentur Region Heide stellte Power-X-Projektansätze in dieser durch Windkraft geprägten Region vor, insbesondere das Project KeroSyn, bei dem in der Shell Raffinerie Heide künftig synthetisches JetFuel A1 aus Windstrom (=> H2) und CO2 erzeugt werden soll und damit ein deutlicher Anteil des am Flughafen Hamburg benötigten Flugzeugtreibstoffes ersetzt werden soll. Er warf die Frage auf, auf welchem Wege das dafür benötigte „grüne“ CO2 gewonnen werden könne. Eine Antwort darauf gab Dipl.-Ing. Torsten Buddenberg, Mitsubishi Hitachi Power Systems Europe GmbH, Duisburg, und Vorsitzender der Untergruppe Kohlendioxidabscheidung beim VDI Richtlinienausschuss „Power to X“, in seinem Vortrag „CO2 als Grundstoff für synthetische Kraftstoffe: Carbon Capture and Utilisation (CCU)“. Er wies zunächst auf die bisher noch zu wenig beachteten Sektoren Wärme und Mobilität / Transport hin, in denen erkennbar keine rein elektrische Zukunft möglich sei. Im Flug-, Schiffs- und Fernlastverkehr würden wegen der Reichweiteanforderungen flüssige Treibstoffe hoher Energiedichte benötigt. Für Niedertemperaturwärme (Hauswärme) liegen große CO2-Einsparungspotentiale im konsequenten Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung. Für den Prozesswärmebereich (Hochtemperatur) werden auch künftig Dampfkraftwerke eine große Rolle spielen. All dies erfordert moderne Kraftwerkstechnik, die durch regenerative Brennstoffe (Biomasse, wie z.B. Holz- und Landwirtschaftsabfälle) und CO2-Abscheidung weitgehend CO2-neutral betrieben werden kann. Am Beispiel des dänischen Großkraftwerks Avedøre (bei Kopenhagen), das heute schon weitgehend auf Biomasse läuft und nur gelegentlich Kohle zu feuert, machte er deutlich, dass in der Kombination Brennstoff Biomasse + CCU sogar ein „CO2-negativer“ Betrieb, d.h. ein bilanzieller Entzug von CO2 aus der Atmosphäre, erreicht werden kann. Buddenberg geht davon aus, dass auch ein Teil der stillzulegenden deutschen Kohlekraftwerke so eine neue Rolle finden werden wird. Das Potential für auf Abfällen basierenden Biomasse Brennstoff hält er für sehr groß, ohne dass es dabei zu Anbau- / Flächenkonkurrenz mit Lebensmitteln kommen kann. CCS/U für Kraftwerke sei in Deutschland (im Gegensatz zu industriellen Anwendungen) bis vor kurzem politisch ein Tabu gewesen, weil geargwöhnt wurde, man wolle damit den Ausstieg aus der Kohleverstromung verhindern. Die ändere sich nun allmählich: ein Kraftwerks-CCU-Projekt (Gaskraftwerk DOW Stade, mit Methanol-Produktion) habe es sogar in die Liste der 20 Reallabore des BMWi geschafft. Auch für die nicht in Deutschland verwertbaren und daher zu speichernden abgeschiedenen CO2-Mengen (CCS) gäbe es demnächst pipeline-basierte Exportpfade, z.B. für die Lagerung unter dem Meeresgrund (UK, NL, Norwegen).

Prof. Dr.-Ing. Harald Bradke, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, und Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt erinnerte in seinem Vortrag an den Baustein, der in allen Energieszenarien fast stillschweigend vorausgesetzt wird, ohne den die Klimaziele, weltweit und in Deutschland, aber keinesfalls erreicht werden können: die Energieeffizienz. Prof. Bradke stellte dar, dass trotz normaler Wirtschaftsentwicklung theoretisch mehr als 80% der heute einzusetzenden Primärenergie eingespart werden könnten. Dazu verhelfe aber nicht nur reines „Nachbessern“ (z.B. Wärmedämmung), es sei vielmehr eine grundsätzliche Neugestaltung von Systemen und Prozessen in vielen Bereichen notwendig, z.B. Substitution von energieintensiven Prozessen (z.B. Katalysatoren, Enzyme, Membranen), neue Materialien, Laser, induktive Prozesse, Recycling bzw. auch Substitution energieintensiver Materialien durch nachwachsende Rohstoffe (z.B. Holz, Fasern, etc) sowie neue Verkehrs- und Transportkonzepte. Prof. Bradke wies ebenfalls auf die Notwendigkeit gekoppelter Primärenergienutzung (wie Abwärmenutzung, KWK) hin. Er zeigte, dass betriebliche Projekte in den Bereichen Beleuchtung, Lüftung / Klima / Kälte, Druckluft und Elektroantriebe oft sehr hohe und dadurch rentable Energie-Einsparungen erbringen und lud in diesem Zusammenhang mehr Unternehmen in M-V zur Beteiligung an der von ihm mit koordinierten Initiative Energieeffizienz-Netzwerke ein, einem Aktionsbündnis der Bundesregierung mit mittlerweile 22 Verbänden und Organisationen der Wirtschaft (Geschäftsstelle bei der DENA).

In der abschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von Dipl.-Ing. Michael vom Baur, ging es im Lichte der Vorträge um die Frage „Wie kann unser künftiges Energiesystem aussehen: ist ein maximaler Ausbau von Wind- und Solarstromerzeugung sinnvoll und alternativlos?“. Es wurden zunächst 2 kurze Impulse für die Antworten „ja“ und „nein“ gegeben.

Den „ja“-Impuls gab Johann-Georg Jaeger, Vorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare Energien MV e.V., Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Rostock AG und selbst Windkraft-Unternehmer. Er sprach sich wegen des besseren Wirkungsgrades für eine weitgehende Umstellung auf elektrische Lösungen aus, die auf Wind- und PV-Strom basieren müssten. Einer Nutzung von regenerativem Strom zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft stand er jedoch eher skeptisch gegenüber. Die zu berücksichtigenden diskontinuierlichen Verfügbarkeiten von Wind und Sonne seien durch Maßnahmen zur Lastflexibilisierung (angebotsangepasster Stromverbrauch), durch neue Speicherlösungen sowie durch Sektorenkopplung (Power-to-Heat, Power-to-Gas) prinzipiell lösbar. Jaeger geht von Prognosen des künftigen Strombedarf aus, die mit gut 600 TWh eher am unteren Rand der Studien-Bandbreite liegen. Daraus errechnet er einen Ausbaubedarf an Land von lediglich ca. Faktor 2.  Die gesellschaftliche Akzeptanz sieht er grundsätzlich gegeben, im Nahbereich müsse man allerdings noch etwas tun.

Den „nein“ Impuls hatte Prof. Dr. rer. nat. Friedrich Wagner, IPP Greifswald / Garching aus Termingründen in einem schriftlichen Beitrag beigesteuert, den Torsten Buddenberg zusammengefasst vortrug. Prof. Wagner wies zunächst darauf hin, dass die bisherige deutsche „Stromwende“ zum großen Teil für den Ersatz einer ebenfalls CO2-freien Technik, der Kernenergie, herhalten musste und dass sich daher der fossile Anteil an der deutschen Stromerzeugung seit 2002 nur um 7% der gesamten jährlichen deutschen Stromproduktion verringert habe. Er geht dann auf die Herausforderungen durch das nicht mit dem tatsächlichen Bedarf zusammenpassende Wind und Sonnenstromangebote ein: z.B. liegt der nächtliche Strombedarf bei 42% des Gesamtbedarfs, in dieser Zeit kann Solarstrom keinen Beitrag liefern; im Jahr 2018 lag ca. 25% der gesamten  Stromnachfrage in Zeiten, in denen Onshore und Offshore Windkraft zusammen nur mit weniger als 10% ihrer Nennleistung zum Stromangebot beitrugen. Durch die hohe Korrelation der Windstromproduktion mit derjenigen in den Nachbarländern wäre Hilfe aus dem nahen Ausland nicht zu erwarten. Prof. Wagner weist dann auf die erheblichen bisher „angemeldeten“ Bedarfe durch die Umstellung auf elektrische Lösungen hin (z.B. Mobilität 200 TWh, Chemische Industrie 600 TWh), die den heutigen „klassischen“ Nettostromverbrauch von ca. 500 TWh schon übersteigen. Er schätzt dagegen das Produktionspotential von Wind- und Solarstrom in Deutschland auf 800 – 1.000 TWh (im Vergleich zum heutigen Primärenergieverbrauch von 2.500 TWh) und verweist dabei auf die Unsicherheit, wieviel davon aus Gründen des gesellschaftlichen bzw. nachbarschaftlichen Konsenses letztlich zu realisieren sein wird. Daher wird Deutschland Energie in nennenswerten Maßstab aus dem Ausland importieren müssen. Prof. Wagner beschreibt die folgenden möglichen Alternativen zur Sicherstellung einer CO2-neutralen Energieversorgung: CCS/CCU-Techniken an fossil befeuerten Kraftwerken sowie an Industrieanlagen (auch als CO2-Quelle für synthetische Kraftstoffe), diese seien vor allem auch in Ländern wichtig, die Kohle als wichtigen Energieträger nicht einfach ersetzen können; moderne Konzepte zur Kernspaltung (Generation IV Reaktoren und kleine modulare Reaktoren, die man im Auge behalten müsse) und die Fusionstechnik (allerdings wohl erst nach 2050 großflächig einsetzbar).

In der eigentlichen Diskussion stellte Stefan Blache, Geschäftsführer der E.DIS Netz GmbH, Fürstenwalde, aus der Sicht eines Verteilnetzbetreibers einige Komplexitäten und Herausforderungen und wie man diese gemeistert habe dar,  sah aber grundsätzlich keine technischen Obergrenzen für den volatilen Wind- und Solarstromanteil im Netz. Er wies aber im Besonderen auf die  seit Jahren  steigenden Probleme bei der Genehmigung  der dafür zwingend notwendigen neuen Stromleitungen hin. Die damit fehlende  Planungssicherheit und  Akzeptanz in der Bevölkerung  erschwert der Arbeit der Netzbetreiber.

 Aus dem Publikum meldete sich die Eisengießerei Torgelow, die ihren Willen zur flexibleren Betriebsführung bekundete, sich aber über die im internationalen Wettbewerb immer höheren Strompreise beklagte, die doch „im Schatten der Windkraftanlagen“ eigentlich niedrig sein sollten. Dies sei neben der EEG-Umlage auch stark durch die überproportional gestiegene Verteilnetzumlage verursacht, hinter der sich die Kosten für Anschluss und Regelung von regenerativen Stromerzeugern verbergen. Eine grundlegende Reform der Netzfinanzierung und -entgelte ist überfällig, aber extrem komplex.

Im Zusammenhang mit der Wasserstoffwirtschaft hielt Minister Pegel nichts von Subventionen (Überlegungen „EEG 2“), sondern plädiert für marktwirtschaftliche Lösungen und setzt auf ein Sondergebiet in M-V mit „Experimentierklauseln“.

Die Teilnehmer waren sich nahezu einig, dass die künftige deutsche Energieversorgung weiterhin auf dem Import von Energieträgern basieren werden müsse und dies nicht in Form von Strom, sondern von Wasserstoff bzw. Synthetik-Fuels geschehen werde. Zum Thema internationale Kooperation lud MdB Peter Stein (CDU) die Teilnehmer zu einer Veranstaltung des Gesprächskreises Nordafrika am 9.3.2020 in Berlin zur Energiekooperation ein. In diesem Zusammenhang wurde auch der Import von Erdgas bzw. von LNG als grundsätzlich positiv beurteilt, wenngleich Torsten Buddenberg zu Recht darauf hinwies, dass z.B. der Import von US Shale Gas (Fracking) auch wegen der direkten Methanverluste (um ein Vielfaches klimaschädlicher als CO2) eine schlechtere Treibhausgas-Bilanz haben könne als deutsche Braunkohle, und man daher immer den Einzelfall beurteilen müsse.

Die Gefahr von Methanverlusten besteht übrigens auch bei Biogasanlagen, besonders nach der heutigen Bauart. Biomasse als Festbrennstoff (aber auch Biogas aus nassen organischen Abfällen und Gülle) sollten künftig eine stärkere Rolle spielen und nach Meinung des Panels als Regelenergie eingesetzt werden, Verbesserungen in der Anlagetechnik und in der Gas-Kette sind möglich.

Das Fazit der Tagung lässt sich in etwa wie folgt zusammenfassen:

  • Alles auf die Karte „Elektrifizierung und Wind- und Solarstrom“ zu setzen ist nicht die Lösung für die sichere und bezahlbare Deckung des zukünftigen deutschen Primärenergiebedarfes.
  • Erst ein breiterer Energieträgermix einschließlich z.B. Wasserstoff, synthetischen Kraftstoffen und flexibel eingesetzter Biomasse ermöglicht eine zukunftssichere CO2-neutrale Versorgung der deutschen Volkswirtschaft mit Primärenergie.
  • Es gibt etliche bereits großtechnische verfügbare Optionen dafür, einschließlich CCU/CCS Techniken, die CO2-Emissionen bei industriellen und energiewirtschaftlichen Prozessen vermeiden helfen.
  • Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe passen zu dem Bedarf nach Versorgungssicherheit und hoher Energiedichte pro Speichervolumen, der gerade charakteristisch für Bedarfe in den Sektoren ist, in denen bisher der größte Nachholbedarf an CO2-Reduzierung besteht: Wärme (Niedertemperatur und Hochtemperatur) und Verkehr (Schifffahrt, Flugverkehr, Fernverkehr).
  • Energieträger werden nach wie vor in größerem Umfang importiert werden, in Form von Flüssigkeiten und Gasen.
  • Die Kopplung von Nutzungen (Abwärmenutzung in der Industrie und auch bei der künftigen Wasserstoffherstellung, Kraft-Wärmekopplung bei Kraftwerken) führt zur besseren Nutzung der Primärenergienutzung und muss stärker im Fokus stehen.
  • Eine weitere Steigerung der Energieeffizienz, auch durch grundlegende Neukonzeptionen, ist Voraussetzung für das Erreichen der Klimaziele.
  • Die möglichen Szenarien der künftigen deutschen Primärenergieversorgung inkl. Sektorenkopplung sollten künftig verstärkt systemisch modelliert, durchgespielt und optimiert werden. (erste Studie durch FZ Jülich Okt 2019). Es ist an der Zeit, dass vor allem fachlich argumentiert wird.
  • Der VDI MV wird die technische und politische Entwicklung der Energiewende weiterhin aktiv begleiten und mit dafür sorgen ,dass die Bevölkerung sachlich und kontinuierlich informiert wird und ideologiefreie, öffentliche Fachdiskussionen ermöglicht werden.

In angemessener Zeit wird der Arbeitskreis „Energie- und Umwelttechnik“ des VDI MV u. a. auch wieder die VDI Energietagung in MV organisieren

Weitere Infomationen und Vorträge finden sie hier.
 

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