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Erfolgsrezepte für Ingenieur*innen

„Gewonnen und verloren wird zwischen den Ohren“ (Teil 1)

René Göldner ist Maschinenbauer, Coach und leidenschaftlicher Leistungssportler, der zahlreiche Ultra-Trail-Läufe, Radrennen und Ironman-Wettkämpfe erfolgreich absolviert hat, unter anderem die Triathlon-WM auf Hawaii. Sein Credo: Spitzenleistung ist planbar, im Sport wie im Beruf. Dazu setzt er Profisport-Techniken ein und coacht Einzelpersonen sowie Unternehmen. Er gibt Workshops und Seminare – unter anderem für den VDI. Ein Gespräch über Erfolg und Zufriedenheit im Job.

VDI: Herr Göldner, wo sind Sie gerade?

Göldner: Aus privaten wie beruflichen Gründen bin ich derzeit auf Reisen und befinde mich aktuell am Lake Taupo, dem größten See Neuseelands. Auf der Reise sammle ich neue Themen für meine Seminare und Coachings und lerne die Arbeitsweisen der Menschen und Unternehmen hier in Neuseeland kennen. Vorher war ich in Australien. In einigen Wochen geht es zurück nach Deutschland, sofern es die Coronavirus-Pandemie zulässt.

VDI: Sie beraten und coachen seit Jahren Einzelpersonen und Unternehmen, um sie erfolgreicher zu machen? Wie sind Sie dazu gekommen?

Göldner: Ich habe lange als Entwickler und Projektmanager gearbeitet und weltweit große Projekte für Unternehmen geleitet und war nebenbei als Dozent an einer Hochschule tätig. Leistungssport war nicht nur immer eine Herausforderung, sondern eine optimale Ergänzung. Getreu dem Motto: Wer hart arbeitet, der kann auch hart Sport treiben. Das passt für mich gut zusammen.

In dieser Zeit musste ich immer wieder miterleben, wie Projekte scheitern, sich verzögern oder weit über das Budget hinausschießen. Ich habe gesehen, mit welchen Problemen Mitarbeiter*innen und vor allem Projektteams zu kämpfen haben. Darauf basierend habe ich u.a. ein Seminar entwickelt, das Techniken aus dem Leistungssport nutzt, um es besser zu machen.

Denn Profisportler*innen unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt von Angestellten: Sie haben den kontinuierlichen Druck, gewinnen zu müssen, bzw. sich verbessern zu wollen.

VDI: Sie haben 12 Ironman, zahlreiche Ultra-Trail- und Marathon-Läufe sowie einige Radrennen erfolgreich bestritten. Wie erreichen Sie parallel zum Job immer wieder aufs Neue derart hochgesteckte Ziele? Und was davon wenden Sie auch im Berufsalltag an?

Göldner: Die Ziele im Leistungssport kamen und kommen meistens aus dem privaten Umfeld, wenn etwa Freunde an einem Marathon teilgenommen haben und ich daraufhin entschieden habe: Da will ich auch mal mitmachen. Und dann gibt es Dinge, die ich umsetze, weil ich sie schon immer machen wollte. Die hochgesteckten Ziele erreiche ich vor allem durch eine rechtzeitige Saisonplanung. Ich plane früh im Jahr in Ruhe das komplette Folgejahr sportlich durch und kombiniere diese Ziele mit der beruflichen Planung. Das ist auch wichtig, da ich mit dem Job mein Geld verdiene und eben nicht mit dem Sport. Zeit ist also ein wichtiger Erfolgsfaktor, vor allem bei ambitionierten Zielen.

Sorgfältige Planung sollte deswegen immer in Ruhe und mit Zeit erfolgen – und möglichst ohne Druck. Gleiches gilt für die Projekte: Eine sorgfältige Projektplanung braucht Zeit. Ein weiterer wichtiger Faktor ist eine realistische Selbsteinschätzung, also was kann ich (leisten) und was nicht. Daraus ergeben sich realistische, erreichbare Ziele, die ich auch meinem Vorgesetzten kommunizieren muss. Und es braucht die richtige Portion Motivation. Denn ohne die erreiche ich weder berufliche Ziele noch werde ich einen Ironman-Triathlon schaffen.

VDI: Bleiben wir bei den Projekten. Was ist eines der häufigsten Probleme bei Projekten?

Göldner: Viele Projekte sind vergleichbar mit einem Marathon, wenn man sich vorher allerdings keine Gedanken gemacht hat, wie lange, in welche Richtung, welche Strecke und welche Zeit man laufen will, ist es Glück, wenn man das Ziel dann erreicht. Bei vielen Projekten ließen sich durch Planung und Strategie diese Knackpunkte vermeiden.

VDI: Was haben (Spitzen-)Sport und Beruf gemeinsam? Und was können sich angestellte Ingenieur*innen – egal auf welcher Karrierestufe – von Spitzensportler*innen abschauen?

Göldner: Spitzensport ist ein gutes Modell für Professionalität – und zeigt, wo es im Beruf haken kann. Spitzensportler*innen bereiten sich ihr gesamtes Sportlerleben auf den nächsten Wettkampf vor und sie trainieren ständig ihre Grundlagen: Ein Profifußballer übt immer wieder das Ball-Stoppen, obwohl er das schon seit 15 bis 20 Jahren täglich gemacht hat. Der Läufer übt sein Lauf-ABC, der Schwimmer seine Schwimmstile. Sie sind die Basis ihres Erfolgs. Spitzensportler*innen gehen also immer wieder an die Grundlagen und perfektionieren diese.

VDI: Und wie sieht es im beruflichen Alltag aus?

Göldner: Im Job kommt das Training der Grundlagen meistens zu kurz, d.h. wir eilen von Wettkampf zu Wettkampf, ohne zwischendrin zu trainieren. Dabei müssten das eigene Handwerkszeug und bestimmte Techniken immer wieder geübt werden. Man muss sich mit den Grundlagen beschäftigen, die vielleicht nicht Teil der Arbeit sind, einen aber befähigen, seine Arbeit zu tun. Stichwort: Rumpf-Krafttraining für Läufer*innen, damit diese auch nach 30 Kilometern noch mit einem sauberen Laufstil unterwegs sind.  

Dafür muss man sich die Zeit nehmen, immer wieder üben und kontinuierlich optimieren. Ein Bewegungsablauf im Sport ist erst nach 10.000 bis 50.000 Ausführungen im Gehirn registriert und automatisiert. Übung ist also essenziell.

VDI: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Zutaten für Erfolg – beruflich wie sportlich?

Göldner: Die wichtigsten Zutaten sind Training, das richtige Mindset und natürlich der Wettkampf. Damit beschäftigen sich Leistungssportler*innen tagtäglich. Im Job sind wir wie gesagt viel zu oft im Wettkampfmodus, vernachlässigen das Training und oft auch das Mindset, also die richtige Einstellung. Darunter leiden Grundlagen und Weiterentwicklung.

Ich muss meinem Vorgesetzten sagen, wo und wie ich mich weiterentwickeln möchte. Auch das will langfristig geplant sein. Sie können sich etwa das nächste Jahr vornehmen und sich fragen: Wo möchte ich mich wie verbessern? Das ist auch im Sinne des Unternehmens. Das will motivierte und kreative Mitarbeiter*innen, die sich einbringen und weniger Leute, die nur noch Dienst nach Vorschrift machen.

Auch wichtig: Um Motivation und Kreativität aufrechtzuerhalten, braucht es Zeit, um durchzuatmen. Die besten Ideen kommen oftmals dann, wenn sie nicht mit dem eigentlichen Thema verbunden sind. In meinem Seminar „Spitzenleistung durch Techniken aus dem Profisport“ gehe ich mit den Teilnehmer*innen konkret mögliche Schritte durch, mit vielen Praxisbeispielen aus Sport und Beruf.

VDI: Was ist sonst noch wichtig?

Göldner: Sie sollten sich stetig reflektieren, sich immer wieder fragen: Wie kann ich mich verbessern und was an meinem eigenen Arbeitsablauf gefällt mir noch nicht.

VDI: Welche Erfolgs-Tipps aus dem Sport sind 1:1 auf den Beruf übertragbar?

Göldner: Der Amerikaner Steven Covey hat hier mit dem „Circle of Concern“ und dem „Circle of Influence“ ein sehr gutes Modell geschaffen: Demnach verschwenden wir alle viel Energie und Zeit auf Dinge, die wir nicht verändern können. Stattdessen sollten wir uns auf die Dinge beschränken, die wir beeinflussen können.

Hier auch wieder ein Beispiel aus dem Sport: Ein Freund von mir – ein sehr guter Läufer – pendelt seit Jahren auf der staubelasteten Strecke zwischen Köln und Düsseldorf. Er hat sich jahrelang über das Stehen im Stau geärgert und musste oft auch sein Training ausfallen lassen, weil er zu spät zuhause war. Heute nimmt er seine Laufklamotten mit ins Auto. Und immer wenn auf der Rückfahrt von Düsseldorf nach Köln Stau ist, fährt er raus und macht sein Lauftraining. Wenn das beendet ist, kehrt er zufrieden auf die Autobahn zurück. Der Stau hat sich währenddessen aufgelöst und er hat schon sein Trainingspensum absolviert. Gleiches gilt im Job: Beschäftigen Sie sich nicht mit nicht zu ändernden Rahmenbedingungen. Die können Sie ebenso wenig beeinflussen wie das Wetter. Das macht Stress und kostet eine Menge Energie.

Denn das Gehirn ist der Hauptenergieverbraucher: Es macht gerade einmal 2% des Körpergewichts aus, verbraucht aber rund 50% der mit der Nahrung aufgenommenen Energie. Unter Stress entzieht das Gehirn dem Blut fast 90% der Energie. Diese Energieverschwendung lässt sich im Sport und im Beruf vermeiden, indem man sich auf Faktoren und To-dos beschränkt, die sich beeinflussen lassen. Spitzensportler*innen machen genau das, denn sie können sich diese Energieverschwendung nicht leisten.

VDI: Wie gelingt es, Motivation, Effizienz und Zielstrebigkeit konstant aufrechtzuerhalten?

Göldner: Auch hier gibt es aus dem Sport einen wichtigen Grundsatz: Nach einer Belastung muss eine Entlastung erfolgen, also eine Regeneration. Anders ausgedrückt: Sportler*innen können nicht tagtäglich 100% Leistung bringen. Das ist auf Dauer absolut kontraproduktiv.

Gleiches gilt im Job: Sie können sich nur weiterentwickeln und besser werden, wenn sich Körper und Geist regelmäßig erholen können. Wer dieses Motto befolgt, der wird Leistung, Motivation und Zufriedenheit dauerhaft erhalten und pflegen. Wer Tag für Tag 14 Stunden arbeitet, dessen Arbeitsergebnisse werden zwangsläufig immer schlechter werden.

VDI: Was raten Sie also?

Göldner: Wer im Beruf erfolgreich sein will, der muss rechtzeitig die Hand heben und sagen: Diese drei Projekte schaffe ich noch in der geforderten Qualität. Wenn ich das vierte Projekt annehme, leidet die Qualität aller Projekte, also müssen Maßnahmen getroffen werden: Fragen Sie früh genug nach Unterstützung. Hier nochmal das Beispiel aus dem Sport: Der Muskel wächst in der Regeneration, nicht im Training. Wenn er keine Zeit dazu hat, kann er nicht wachsen und die Wahrscheinlichkeit von Verletzungen steigt, etwa die eines Muskelfaserrisses.

VDI: Wie können Erkenntnisse aus dem Spitzensport dazu beitragen, die Resilienz zu stärken?

Göldner: Resilienz bezeichnet ja die psychische Widerstandskraft, auf Basis von positiven Erfahrungen aus der Vergangenheit, Krisen zu bewältigen. Im Sport gibt es dafür den Begriff der Wettkampfhärte. Wer diese oft genug geübt hat, wird besonders gut mit Unwägbarkeiten, Überraschungen und Stress zurechtkommen können.

Es macht einen Unterschied, ob man auf der Bahn 5.000 Meter schnellstmöglich im Training allein oder im Wettkampf mit Zuschauern läuft und dabei angespannt ist oder sogar eine schlaflose Nacht hatte. Unsere Emotionen spielen eine große Rolle im Zusammenhang mit Leistung. Wenn Sie in ein Vorstellungsgespräch kommen und Ihr Herz klopft schneller, ist das eine körperliche Auswirkung, hervorgerufen durch eine psychische Stressbelastung.

Wer also den Ernstfall, die Präsentation, das Vorstellungsgespräch oder den Wettkampf schon oft gemacht hat, wird seine Resilienz dadurch gesteigert haben.

VDI: Was bedeutet das im Job?

Göldner: Man sollte regelmäßig seine berufliche Wettkampfhärte trainieren, natürlich gut vorbereitet: Etwa Präsentationen und Vorträge halten, Meetings und Workshops leiten, etc. – also alles, was im beruflichen Rahmen mit Zuhörern und Zuschauern stattfindet und selbstverständlich zum eigenen Job passt.

VDI: Mal angenommen, ein(e) Mitarbeiter*in arbeitet seit 15 Jahren für dasselbe Unternehmen und hat kaum Karrieresprünge gemacht. Wie gelingt es nach so langer Zeit, den Beruf weiterhin motiviert und zufrieden auszuüben?

Göldner: Nicht jeder muss und will Karriere machen. Es ist natürlich vollkommen in Ordnung, 15 Jahre lang denselben Job zu machen und damit glücklich und zufrieden zu sein. Um sich das zu erhalten, sollte man sich innerhalb des Arbeitsgebiets eigene Ziele setzen, um sich weiterzubilden und zu verbessern.

VDI: Wie sieht es bei Mitarbeiter*innen aus, die grundfrustriert sind oder schon resigniert haben? Die sind vielleicht seit Jahren dabei, haben unbefristete Verträge, schleppen sich aber jeden Tag zur Arbeit.

Göldner: Das sind in der Tat schwierige Fälle, die die Hilfe von außen brauchen, sprich die des Vorgesetzten oder eines Coachs. Hier wird aus meiner Sicht der Mensch hinter dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin umso wichtiger. Man muss sich dann mit dem Menschen auseinandersetzen, zum Beispiel erfragen, was er oder sie privat macht, was ihn oder sie interessiert und was sich davon im Job einsetzen lässt. Im Übrigen ist das meine grundsätzliche Empfehlung, gerade in Projektteams. Die Leute sollten etwas mehr über ihre Kolleg*innen wissen, als nur deren Jobbezeichnung.

Habe ich im Projektteam einen Kollegen, der sich in seiner Freizeit mit Programmierung beschäftigt, kann ich ihn vielleicht auch seiner Leidenschaft entsprechend im Projekt einsetzen oder sein Fachwissen nutzen. Dann bringen diese Mitarbeiter*innen in Zukunft vielleicht nicht nur 10 oder 20% ihrer Leistung, sondern 50 oder 60%. Wer sich wohlfühlt, der bringt automatisch eine bessere Leistung.  Dabei spreche ich immer von einer nachhaltigen Arbeitsweise. Genauso wie sich Sportler*innen auf Dauer verbessern wollen.

Herr Göldner, wir danken Ihnen für das Interview.

Lesen Sie demnächst den zweiten Teil des Interviews „Gewonnen und verloren wird zwischen den Ohren“, in dem es beispielsweise um Talent, Kernkompetenzen sowie Tipps und Tricks für die eigene Karriere geht.

Autor: Thomas Kresser

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