Fahrerlose Lkw und smarte Shuttles – Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich?

Deutschland ist im Bereich des automatisierten Fahrens international führend – zumindest, wenn es um fahrerzentrierte Automatisierung und den Einsatz autonomer Lkw geht. Während in den USA bereits fahrerlose Trucks und Robotaxis kommerziell unterwegs sind, setzen deutsche Hersteller auf assistiertes Fahren und Lösungen für den Transportsektor. Warum das so ist, erklärt Univ.-Prof. Dr.-Ing. Steven Peters im Interview und auf der Fachsession auf dem DIT 2025. Denn entscheidend ist wo technologische Machbarkeit und Zahlungsbereitschaft der Kunden aufeinandertreffen.
VDI: Wenn wir über automatisiertes Fahren sprechen ist der Anteil (teil-)automatisierter Fahrzeuge international sehr unterschiedlich. Wo steht Deutschland aktuell im internationalen Vergleich?
Steven Peters: Deutschland ist im Bereich der fahrerzentrierten Automatisierung weltweit führend – nur deutsche OEM (Original Equipment Manufacturer, Originalgerätehersteller) verkaufen Autos mit sog. Level 3 Funktionalität international an Endkunden. Im wichtigen Business-Case des fahrerlosen Lkw-Fernverkehrs sind die deutschen Truck-Hersteller mit ihren nationalen und internationalen Partnern und Töchtern sehr erfolgreich – auch wenn die Anwendungen auf absehbare Zeit auf den Süden der USA beschränkt bleiben u.a. wegen des eisfreien Wetters dort. Auch die Gesetzgebung in Deutschland ist sehr fortschrittlich.
VDI: Während in den USA bereits fahrerlose Lkw auf den Straßen getestet werden und erste Robotaxis kommerziell unterwegs sind, liegt der Fokus in Deutschland auf assistiertem Fahren. Woran liegt das?
Steven Peters: Wie gesagt, unsere Lkw-Hersteller sind die zentralen Akteure bei den fahrerlosen Lkw auf den US-Highways im Sunbelt. Ein Robotaxi ist schlichtweg für einen etablierten OEM kein Geschäftsmodell, da geht es ganz klar um das assistierte Fahren und fahrerzentrierte Automatisierung.
VDI: Welche Faktoren entscheiden darüber, wie schnell sich automatisiertes Fahren durchsetzt? Liegt es an den technologischen Voraussetzungen, den aktuellen Regularien oder der gesellschaftlichen Akzeptanz?
Steven Peters: Die zentrale Frage ist der Business Case, konkret: wo passen Bedarf und Zahlungsbereitschaft der Kunden mit dem technischen Aufwand, den ich (u.a. für Sensorik & Absicherung) für den vom Kunden gewünschten Anwendungsfall betreiben muss, heute schon zusammen? Da kenne ich nur den Lkw auf der Langstrecke.

VDI: Für Deutschland und die EU scheint vor allem der Transportsektor und der öffentliche Nahverkehr interessant. Warum liegt hier das größte Potenzial?
Steven Peters: Fahrermangel ist das entscheidende Argument. Lkw im Fernverkehr zu fahren ist höchst unattraktiv und es herrscht konsequenterweise ein sehr großer Mangel an Fahrern, v.a. in den USA aber auch in Deutschland. Und auch im deutschen ÖPNV ist ein enormer Fahrermangel abzusehen. Außerdem könnte der ländliche Raum durch automatisierte Shuttles an die äußersten S-Bahnstationen der Großstädte angebunden werden, was den bestehenden ÖPNV der Städte besser auslastet und für die Automatisierung bedeutet, dass nicht ein gesamtes Stadtgebiet sondern eine im wesentlichen feste Route vom Stadtrand zum Land beherrscht werden muss – dafür aber bei jedem Wetter, denn gerade wenn es im Winter spät abends ungemütlich ist, will ich ja einen Shuttle statt mit dem Fahrrad zu fahren.
VDI: Wo sehen Sie die größten Hürden für eine breite Einführung automatisierter Fahrzeuge?
Steven Peters: Es gibt noch sehr großen Forschungsbedarf. Wir stehen noch immer eher am Anfang – selbst die fortschrittlichsten Player brauchen heute noch mehrere Monate, um ihren Betriebsbereich auf neue Gebiete auszudehnen. Wir haben in unserem VDI-Statusreport "Automatisiertes Fahren" die Herausforderungen in die Dimensionen Adaptierbarkeit, Generalisierbarkeit und Absicherbarkeit eingeordnet. Hinzu kommen Aspekte wie Energieeffizienz oder technologische Souveränität – v.a. im Bereich Fahrzeugelektronik/Software Defined Vehicle. Hierfür erhoffe ich mir auch neue Impulse und eine Forschungsförderung mit langem Atem in der nächsten Legislaturperiode.
VDI: Wie verändert automatisiertes Fahren die Automobilindustrie? Und wo stehen deutsche Hersteller?
Steven Peters: Die Veränderungen sind weit geringer als vor 5-10 Jahren in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert wurde. Der Glaube, dass es durch Automatisierung weniger Fahrzeuge gäbe, ist längst überholt. Wichtig ist, dass wir auch die Assistenzsysteme nicht aus dem Fokus verlieren und auch diese immer weiterentwickeln, denn diese sind es, die die Verkehrssicherheit kontinuierlich erhöhen. Ob menschfreie Systeme das können und wann, ist völlig offen.
VDI: Wann gehören autonome Shuttles oder Busse zu unserem Alltag?
Steven Peters: Sie meinen außerhalb eines Demonstrationsfeldes – immer und überall? Ab 2040 – frühestens.
Prof. Dr.-Ing. Steven Peters leitet seit 2022 das Fachgebiet Fahrzeugtechnik an der TU Darmstadt mit Forschungsschwerpunkten im Bereich automatisiertem Fahren von Pkw und Lkw sowie kreislauftauglichen, wertstabilen Fahrzeugen. Zuvor war er über sechs Jahre bei der Mercedes-Benz AG als Leiter AI Research tätig und Teil des Technologieprogramms Vision EQXX, das den bisher effizientesten Mercedes realisiert hat.
Fachlicher Ansprechpartner:
Dipl.-Ing. Christof Kerkhoff
VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik
E-Mail: kerkhoff@vdi.de