Kundenzentrierung im Innovationsmanagement

Innovationen gelten als zentraler Treiber des Fortschritts – doch nicht jede Idee führt auch automatisch zum Erfolg. Häufig scheitern Produkte, weil sie die Bedürfnisse der Zielgruppe nicht ausreichend berücksichtigen. Eine frühzeitige Integration der Kundenperspektive in den Innovationsprozess ist daher entscheidend. Claus W. Gerberich, Experte für Innovationsmanagement, erklärt, wie Unternehmen den Kunden erfolgreich stärker in den Fokus rücken können.
Warum scheitern so viele Innovationen?
„Es gibt mehrere wesentliche Gründe, warum Innovationen oft scheitern“, erläutert Gerberich. „Ein Hauptproblem ist der mangelnde Kundenfokus. Produkte und Dienstleistungen, die an den Bedürfnissen der Zielgruppe vorbeigehen, sind von Anfang an zum Scheitern verurteilt.“ Auch organisatorische Barrieren spielen eine große Rolle: „Fehlende Transformationsfähigkeit und unzureichende Qualifikation der Mitarbeiter wirken oft wie Bremsklötze. Hinzu kommen zu geringe Budgets für Forschung und Entwicklung sowie eine Kultur, die Innovationen blockiert – zum Beispiel durch die Haltung 'Not invented here'.“
Auch der Führungsstil sei ein entscheidender Faktor. „Innovative Unternehmen brauchen Führungskräfte, die Veränderung fördern und Mitarbeiter ermutigen, Neues auszuprobieren.“
Kundenbedürfnisse besser erfassen
Eine klare Kundenorientierung ist für den Erfolg von Innovationen essenziell. Gerberich empfiehlt dazu eine Reihe bewährter Methoden:
- Dynamic Kano Model: Dieses Modell hilft Unternehmen, die sich verändernden Bedürfnisse ihrer Kunden zu analysieren und neue Schrittmacherleistungen zu entwickeln.
- Conjoint-Analyse: Mit dieser Methode können Unternehmen die Präferenzen ihrer Kunden priorisieren und deren Gewichtung ermitteln.
- Open Innovation: „Lassen Sie Kunden aktiv am Innovationsprozess teilhaben – durch Workshops oder integrierte Innovationsteams“, rät Gerberich. Auch Ansätze wie Design Thinking unterstützen dabei, die Perspektive der Kunden frühzeitig einzubinden.
- Vom Push- zum Pull-Prinzip: Statt Produkte zu entwickeln und sie anschließend an den Markt zu bringen, sollte der Kunde selbst Innovationsmotor sein, indem seine Bedürfnisse als Ausgangspunkt genommen werden.
Anpassung an sich schnell ändernde Kundenanforderungen
In einer dynamischen Welt, in der Kundenwünsche sich schnell ändern, ist Anpassungsfähigkeit der Schlüssel. Gerberich betont: „Ein gutes Beispiel ist die Autoindustrie: Während früher das Spaltmaß im Fokus stand, wünschen sich Kunden heute hochwertige Infotainmentsysteme. Unternehmen müssen agil genug sein, solche Trends zu erkennen und umzusetzen.“
Agile Organisationsformen und flexible Strukturen, wie fraktale Teams, fördern dabei die Wandlungsfähigkeit. Gerberich fügt hinzu: „Es ist wichtig, Freiräume für Experimente zu schaffen und aus Fehlern zu lernen. Ein Fehler ist kein Scheitern, sondern eine Gelegenheit, etwas zu verbessern.“
Touchpoint Management im Innovationsprozess
Ein weiteres wichtiges Werkzeug ist das Touchpoint Management. „Touchpoints sind die Berührungspunkte, an denen Kunden mit einem Unternehmen in Kontakt treten“, erklärt Gerberich. „Ein erfolgreiches Touchpoint Management nutzt alle Kanäle – von Social Media über Workshops bis hin zu direkten Gesprächen mit den Kunden.“
Unternehmen können so wertvolle Einblicke gewinnen und die Kundenbindung stärken. „Auch die Zusammenarbeit mit Influencern oder Multiplikatoren kann dazu beitragen, die Wünsche und Erwartungen der Kunden besser zu verstehen.“
Best Practices: Erfolgreiche Kundenintegration
Gerberich verweist auf zahlreiche Beispiele, bei denen Unternehmen gemeinsam mit ihren Kunden Innovationen entwickelt haben:
- Dorfner Hirschau und Schott Mainz: Gemeinsam entwickelten die beiden Unternehmen Rezepturen für Ceran-Kochplatten.
- Continental und Segurit: Die intelligente Frontscheibe wurde in enger Zusammenarbeit mit Kunden entwickelt.
- LEGO: Die Innovationsplattform, auf der die Community eigene Ideen einbringt, ist ein Paradebeispiel für Open Innovation.
- HILTI: Produkte werden in Kooperation mit Handwerkern entwickelt, die sie später nutzen.
Praktische Tipps für eine erfolgreiche Innovationsstrategie
Zum Abschluss gibt Claus W. Gerberich drei praktische Handlungsempfehlungen:
- Fehler als Lernchancen betrachten: Eine offene Fehlerkultur ist essenziell, um Innovationspotenziale auszuschöpfen.
- Freiräume schaffen: „Innovationen entstehen oft in Bereichen, die nicht von starren Vorgaben eingeschränkt werden“, so Gerberich.
- Agile Methoden nutzen: Ansätze wie SCRUM oder die Einrichtung eines Geschäftsaccelerators helfen, Innovationsprozesse zu strukturieren und zu beschleunigen.
„Innovation braucht Mut, Offenheit und eine klare Fokussierung auf den Kunden“, resümiert Gerberich. Wer diesen Weg konsequent verfolgt, hat die besten Chancen, seine Ideen erfolgreich am Markt zu etablieren.
Autorin: Gudrun Huneke
Anprechpartnerin im VDI:
Dr.-Ing. Daniela Hein
VDI-Gesellschaft Produkt- und Prozessgestaltung
E-Mail: hein@vdi.de