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Rückblick auf die IFAC 2020

Mit der Automatisierung gegen Covid-19

Bild: fatmawati achmad zaenuri/Shutterstock.com

Derzeit beherrscht kaum ein anderes Thema den öffentlichen Diskurs, die Medien und die Politik so, wie der Umgang mit der Corona-Pandemie. Überraschende Einblicke dazu lieferte nun der Weltkongress der Automatisierungs- und Regelungstechnik.

Der 21. IFAC World Congress der International Federation of Automatic Control sollte ursprünglich in Berlin stattfinden und zog aufgrund von Covid-19 vom 13. bis 17. Juli 2020 ins World Wide Web. Das Kongressmotto konnte aktueller kaum sein: „Automation and Control – Meeting Societal Challenges!“ Die etwa 4.500 Teilnehmer aus allen Kontinenten erfuhren in knapp 3.000 wissenschaftlichen Beiträgen alles über die neusten Entwicklungen auf den Gebieten Robotik, autonomes Fahren, Industrie 4.0 und vieles mehr. Der Kampf gegen die Corona-Pandemie war dabei eines der Fokusthemen.

In einer speziellen Corona-Session gaben hochrangige Wissenschaftler aus Spanien, Brasilien, USA, Italien, Japan und China hochinteressante Einblicke in den Kampf gegen Corona mittels methodischer Ansätze der Regelungs- und Systemtheorie. Denn diese liefern eine Basis für die systematische Entscheidungsfindung bei komplexen, zeitlich veränderlichen Prozessen – also exakt der Art von Problemen wie sie uns mit der gegenwärtigen Pandemie begegnet.

Die Aufgabenstellung ist in der Technik millionenfach durch einen sogenannten Regelkreis gelöst. Das Covid-19-Äquivalent ist einfach zu formulieren: Der Wellenberg von infizierten und erkrankten Menschen darf zu keinem Zeitpunkt die Kapazität der Intensivstationen in den Krankenhäusern überschreiten. Die möglichen Maßnahmen zur Eindämmung sind zum Beispiel: Hygiene, Maskenpflicht, Ausgangsbeschränkungen.

You cannot control, what you cannot measure

An dieser Stelle setzt das Expertengremium an. Versteht man den Kampf gegen das Coronavirus als einen Regelkreis, dann ist es elementar, möglichst gute Messungen des aktuellen Infektionsgeschehens zu haben. Das altbekannte Prinzip „You cannot control, what you cannot measure!“ spricht dafür, möglichst viele Corona-Tests durchzuführen. Licht ins Dunkel, welche Auswirkungen konkrete Maßnahmen auf das Infektionsgeschehen haben, bringt die Betrachtung als rückgekoppeltes System. Wie erwartet sehen die Experten auch hier die bekannten Eigenschaften wie Instabilität (Infektionsraten laufen aus dem Ruder) oder Schwingungen (zweite, dritte usw. Welle) rückgekoppelter Systeme.

Die Zusammenhänge der Covid-19-Ausbreitung sind allerdings wesentlich komplexer als bei technischen Systemen. Die Güte der Voraussagen steht und fällt natürlich mit der Güte der genutzten Modelle. Deren Verbesserung und Verfeinerung ist derzeit ein großes Anliegen der internationalen Wissenschaftsgemeinde, auch dafür liefert jede Messung und jede Verfolgung von Infektionsketten einen wertvollen Beitrag, frei nach dem Motto: „Sammle Corona-Daten global, dann kannst Du lokal bestmöglich handeln!“.

Jedoch spielt für die Verbreitung oder Beherrschung von Covid-19, laut der Experten, menschliches Verhalten eine erhebliche Rolle. „Epidemiologisch lässt sich die Corona-Situation inzwischen recht gut beschreiben – auch mit mathematischen Modellen. Das menschliche individuelle Verhalten ist leider nicht ausreichend gut modellierbar und damit nicht vorhersagbar.“ 

Experten warnen vor der Urlaubszeit

Denn halten sich die Menschen nicht an die jeweiligen Corona-Regeln, können immer wieder Hotspots auftreten – mit nur schlecht zu kontrollierenden Folgen. Erfahrungen gibt es ja inzwischen einige. Ein dänischer Experte warnte im Besonderen vor der Urlaubszeit: „Im Urlaub fühlen sich Menschen freier, was in einem eher ungezwungenen Verhalten zum Ausdruck kommt. Zudem verbringt man den Urlaub zumeist nicht am eigenen Wohnort und legt weitere Strecken zurück, sodass sich Personengruppen unterschiedlicher Wohnorte stark und unvorhersehbar miteinander vermischen.“ 

Zwar kann die Regelungstechnik wertvolle Beiträge bei der Bewertung und Vorhersage der Entwicklung treffen und liefert unverzichtbare Daten für politische Entscheider, aber das allein reicht nicht aus. Daher appelliert die Expertengruppe des IFAC-Weltkongresses, vor allem jetzt – in der Urlaubszeit – in Sachen Abstandsregeln und Social Distancing weiterhin vorsichtig zu agieren.

Autorin: Gudrun Huneke

Ihre Ansprechpartnerin:
Silke Nienhausen
Veranstaltungsmanagement IFAC
Telefon: +49 211 6214-8634
E-Mail-Adresse: nienhausen@vdi.de 

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