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RWE Innovationszentrum Niederaussem - Forschen für die Chemie und Energie von morgen

RWE/Görgen

Kann man das Treibhausgas CO2 aus dem Rauchgas von Kohlekraftwerken abscheiden? Kann es wieder als Rohstoff für neue Produkte dienen? Kann man den in CO2 enthaltenen Kohlenstoff, das wichtige Element mit dem Buchstaben C, zurückgewinnen? Lassen sich damit Chemiegrundstoffe und Kraftstoffe herstellen und so Erdöl und Erdgas ersetzen? Wäre das nicht ein handfester Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende?

Alle diese Fragen können heute schon mit einem klaren Ja beantwortet werden. Auch die Frage nach dem Wie ist prinzipiell beantwortet: Technisch geht das. Dennoch sind viele Fragen noch offen; die wichtigsten von ihnen sind: Funktionieren die alternativen Technologien auch im großen, industriellen Maßstab? Wie können sich die neuen Verfahren gegen die etablierten Methoden durchsetzen? Wie können sie preislich wettbewerbsfähig werden?

Diese Zukunftsfragen prägen die Arbeit des Innovationszentrums Niederaußem von RWE und der beteiligten Ingenieure und Techniker. Sein Kristallisationspunkt ist der markante BoA-Block des Kraftwerks Niederaußem. Sein Kern ist eine 2009 in Betrieb genommene Pilotanlage, die seither höchst erfolgreich das CO2 aus einem Teil des Rauchgasstroms ebendieses BoA-Blocks herauswäscht, verflüssigt und in reiner Form für das Recycling verfügbar macht.

Mit einer Testzeit von über 80.000 Stunden wurde weltweit kein anderes CO2-Abtrennverfahren der neuesten Generation derart intensiv und praxisnah erprobt. Dieser Forschungserfolg bleibt von hoher Relevanz für Wirtschaft und Technik, weil absolute CO2-Freiheit nicht möglich ist: Zum Beispiel werden die Zementindustrie und die Petrochemie weiterhin Kohlendioxid emittieren. Es aufzufangen und als Rohstoff für die Produktion von Basischemikalien oder Treibstoffen zu nutzen, wäre ein großer Schritt zur Einhaltung der Klimaschutzziele.

Seit 2009 sind im Innovationszentrum Niederaußem weitere Forschungsprojekte und -anlagen hinzugekommen. Manche sind inzwischen erfolgreich abgeschlossen, etwa die Wiederverwertung von CO2 in der Herstellung von Schaumstoffen und die Synthetisierung des wichtigen Chemiegrundstoffs Methanol. In allen Fällen arbeiten die Fachleute von RWE Power mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft zusammen, oft auf internationaler Ebene und fast immer auch mit regionalen Einrichtungen, wie der RWTH Aachen University und dem Forschungszentrum Jülich.

Ein Beispiel dafür ist ALIGN-CCUS. Die Anlage synthetisiert aus CO2, Strom und Wasser einen Diesel-Ersatztreibstoff: Er heißt Dimethlyether (DME), zeichnet sich durch eine besonders hohe Energiedichte aus und kann bequem wie das Autogas LPG getankt werden. Das ist wichtig für Schiffe, Lastwagen und Lokomotiven, die nicht elektrifiziert werden können. Nutzt man dort synthetische, emissionsarme Kraftstoffe, kann man Erdöl ersetzen, Emissionen senken und CO2 einsparen.

DME könnte auch ein guter Langzeit-Zwischenspeicher für elektrische Energie sein, wenn es zu viel Wind- und Solarstrom gibt; bei Bedarf, etwa nachts oder bei Windstille, kann DME wieder zur Stromerzeugung genutzt werden.

Das Ausgangsprodukt CO2 stammt aus dem Kraftwerk. Das zweite Ausgangsprodukt, das Element Wasserstoff, wird per Elektrolyse aus Wasser gewonnen: bis zu 22 Kilogramm pro Tag. Der nötige Strom kommt im Idealfall aus erneuerbaren Energiequellen, vor Ort aber noch aus dem Braunkohlenkraftwerk.

In einem anderen Projekt ist geplant, CO2 und im Idealfall „grünen“ Wasserstoff versuchsweise zu Flugzeug-Treibstoff zu verarbeiten. Mit einer Konzeptstudie wollen die RWE-Forscher nicht nur die Machbarkeit, sondern auch die Wirtschaftlichkeit einer großtechnischen Anlage im Rheinischen Revier untersuchen. Die Alternative zu Kerosin wäre ebenso wie DME klimaneutral sowie schwefel-, stickstoff- und aromatenfrei. Deshalb könnten sie den Ausstoß von Schwefeldioxid, Stickoxiden und Ruß bei der Verbrennung in Motoren und Triebwerken mindern oder ganz vermeiden.

Eine ganz andere Stoßrichtung hat die RWE-Forschung zum Thema Phosphor-Rückgewinnung. Ab 2029 müssen große Klärschlamm-Erzeuger dafür sorgen, dass das für das Pflanzenwachstum entscheidende Element Phosphor aus dem Abfallstoff zurückgewonnen werden kann.

In Forschungspartnerschaften, wie im Rahmen des österreichischen COMET-Programms, untersuchen die RWE-Fachleute zwei vielversprechende Verfahrenswege. „PhosFromAsh“ konzentriert sich darauf, wie man die Zusammensetzung der Asche aus der thermischen Verwertung von Klärschlamm so günstig beeinflussen kann, dass das Element „P“ direkt pflanzenverfügbar wird. „FischerTropsch4Industry“, benannt nach den deutschen Entwicklern eines bewährten Verfahrens zur Erzeugung flüssiger Treibstoffe und Chemie-Rohstoffe aus festen Ausgangsstoffen, wendet das Verfahren auf mit Klärschlamm und Abfallstoffen erzeugtem Synthesegas an.

Mit Projekten, wie ALIGN-CCUS und FischerTropsch4Industry, zeigt sich ein weiteres Merkmal der Projekte im Innovationszentrum: Sie sind interdisziplinär, spannen einen weiten Bogen über mehrere Bereiche von Wirtschaft und Technologie – von den Sektoren Energie über die Chemie und das Verkehrswesen bis zum Umwelt- und Klimaschutz.

Wegen dieser Bedeutung für die Energiewende weit über die Grenzen des Reviers hinaus werden viele Verbundforschungsprojekte vom Land Nordrhein-Westfalen, vom Bund oder der Europäischen Union finanziell unterstützt.

Autor: Guido Steffen  (Auszug aus dem RWE Innovationsatlas - Impulse von RWE zum Strukturwandel im Rheinischen Revier)

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