Schneller sicher anhalten: Johannes Langhorst entwickelt innovative Berechnungsmethode
Für das autonome Fahren ist es essenziell, das autonom fahrende Auto jederzeit sicher zum Stillstand bringen zu können – insbesondere in kritischen Situationen. Johannes Langhorst stellt mit seiner Masterarbeit eine neuartige Berechnungsmethode zur Berechnung von Anhaltemanövern vor – und erhält dafür den Bremer Ingenieurpreis 2024.
VDI: Herr Langhorst, Sie haben sich in Ihrer Arbeit mit der Berechnung von Anhaltetrajektorien für das autonome Fahren. Was genau steckt dahinter?
Johannes Langhorst: Beim autonomen Fahren denkt man zunächst ans Fahren, aber für mich ist das Anhalten mindestens genauso wichtig. Meine Motivation war, dass ich Autos anhalten möchte. Denn man erwartet, dass ein autonom fahrendes Auto sicher anhält. In meiner Masterarbeit habe ich Manöver berechnet, die es einem autonomen Fahrzeug ermöglichen, im Fehlerfall sicher am Straßenrand anzuhalten. Mein Fokus lag darauf, die Berechnungen möglichst effizient zu gestalten, um äußerst kurze Reaktionszeiten auf jeder beliebigen Straßenform zu erreichen. Ich habe an einer bestehenden Arbeit angesetzt, die sich ausschließlich mit geraden Straßen befasst hat, und den Ansatz auf kurvige Strecken ausgeweitet.
Effizient anhalten – auch auf kurvigen Straßen

VDI: Die Jury lobte neue Maßstäbe im hochautomatisierten Fahren. Was macht Ihren Ansatz so innovativ?
Johannes Langhorst: Ich habe verschiedene Dinge verknüpft. Ich habe ein maschinelles Lernverfahren und Methoden der nichtlinearen Optimierung verwendet, um Anhaltemanöver vorzuberechnen. Dadurch kommt man schneller zu einer Lösung und verkürzt so die Reaktionszeit. Mit meiner Masterarbeit konnte ich zeigen, dass der von mir entwickelte Vorberechnungsansatz, der auf tiefgehender Mathematik beruht, erhebliche Zeitersparnisse ermöglicht.
VDI: Tatsächlich reduziert Ihre entwickelte Methode die Rechenzeit für optimale Anhaltemanöver um 99%. Was bedeutet das für die Praxis?
Johannes Langhorst: Ich brauche nur noch 1% der Rechenzeit anstelle einer neuen Berechnung. Allerdings ist es eine Forschungsarbeit. Es ist nicht so, dass ein Hersteller es morgen ins Auto einbaut und übermorgen verkauft wird. Aber auf diesem Ansatz kann man aufbauen und diesen weiterentwickeln. Ich habe dazu einen Forschungsartikel veröffentlicht, damit das Thema mehr Beachtung findet. Ich wollte einen Beitrag dazu leisten, das autonome Fahren sicherer zu machen.
VDI: Wie schätzen Sie die Zukunft des autonomen Fahrens ein?
Johannes Langhorst: Ich glaube, es dauert noch lange bis die deutschen Autohersteller anfangen, Autos ohne Lenkrad zu verkaufen, obwohl es schon recht weit fortgeschrittene Testszenarien gibt. Bei Zügen bietet autonomes Fahren eine Chance, den Bahnverkehr effizienter zu machen und mehr Züge fahren zu lassen, weniger Verspätung zu haben oder dem Lokführermangel zu begegnen. Autonomes Fahren kann ein Baustein sein, um den öffentlichen Nahverkehr der Zukunft besser, effizienter und auch zukunftsfähig zu gestalten.
„Autonome Systeme faszinieren mich – ich will konkrete Probleme lösen“
VDI: Beschäftigen Sie sich weiter mit Problemen der Mobilität?
Johannes Langhorst: Genau. Ich bin in die Bahnbranche gewechselt. Natürlich schwingt meine Idee noch mit, aber konkret beschäftige ich mich nicht mehr mit dem Thema meiner Masterarbeit. Das Startup, für das ich arbeite, entwickelt Assistenzsysteme, autonome Fahrfunktionen sowie Fernsteuerung und Fernüberwachung für Züge. Ich bin Teil des Entwicklungsteams für Fernsteuerung, die zum Beispiel als Backup-Lösung für autonomes Fahren verwendet werden kann. Damit kann man bei einer Zugbereitstellung oder auf kontrollierten Umgebungen den Zug fernsteuern und viel Zeit einsparen sowie den Betrieb sicherer gestalten.
VDI: Also arbeiten Sie weiterhin innovativ und an zukunftsorientierten Themen?
Johannes Langhorst: Autonome Systeme im Allgemeinen faszinieren mich einfach. Ich finde es spannend, etwas für die Zukunft zu entwickeln und ganz konkret diesen Schritt in die Praxis zu gehen. Während meines Studiums habe ich lange Forschung betrieben und jetzt möchte ich wirklich konkrete Probleme in der Welt lösen.
VDI: Sie haben einen mathematischen Hintergrund. Wie haben Sie bisher Interdisziplinarität erlebt?
Johannes Langhorst: Im Studium hatte ich auch einige Elektrotechnikmodule, und habe auch in Forschungsgruppen mit Leuten zusammengearbeitet, die nicht nur Mathe sondern auch Ingenieurswissenschaften oder Physik studiert haben. Gerade arbeite ich in einem sehr breiten Team – von Elektrotechnik über Informatik bis zur Mathematik. Diese Mischung ist sehr spannend. Alle haben zwar einen anderen Hintergrund, kommen aber zusammen und entwickeln gemeinsam etwas interdisziplinär. Das ist eine große Stärke. Die Leute denken anders, aber wenn man das zusammenführt, kann man tatsächlich ein gutes Produkt entwickeln.
VDI: Der Bremer Ingenieurpreis wird seit 1987 für herausragende Abschlussarbeiten verliehen. Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie persönlich?
Johannes Langhorst: Ich habe mich sehr gefreut, diesen Preis bekommen zu haben. Ich hatte damit nicht gerechnet, weil ich angewandte Mathematik studiert habe und mich nie als den klassischen Ingenieur gesehen habe. Aber gleichzeitig war das immer ein Punkt, den ich spannend an der Mathematik fand, sie in die Praxis zu bringen und mit meinem mathematischen Wissen konkrete Probleme lösen und tatsächlich die Technik von Morgen zu entwickeln. Ich sehe das als Auszeichnung und insgesamt als Zeichen der Mathematik, sehr wertvoll sein zu können.
Interview: Christina Matzen
VDI Bremer Bezirksverein:
E-Mail: bv-bremen@vdi.de
Telefon: +49 421/ 17 16 13
Zur Person Johannes Langhorst:
Ich habe Technomathematik an der Universität Bremen studiert und meinen Master Anfang 2024 abgeschlossen. Während meines Studiums habe ich erste Arbeitserfahrungen als studentischer Mitarbeiter in Forschungsprojekten im Bereich Robotik gesammelt.
Aktuell arbeite ich als Software-Entwickler in Belgien für ein Startup in der Bahnbranche. In meiner Freizeit lerne ich gerade Belgien kennen, laufe Marathon und spiele Jazz-Piano.