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Effekte für die deutsche Wirtschaft

Schrittweise unabhängig von Primärrohstoffen

Weltweit schrumpfen die Vorräte an mineralischen Rohstoffen und fossilen Brennstoffen. Und weil gleichzeitig die Treibhausgasemissionen steigen, braucht es in allen Wirtschaftsbereichen dringend mehr Ressourceneffizienz. Ziel ist letztlich eine zirkuläre Wertschöpfung, bei der es keinen endgültigen Verbrauch und keine Verschwendung mehr gibt.

Um dies zu erreichen, hat das Bundeskabinett kürzlich das dritte Deutsche Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess III) beschlossen.

Die Vorgaben sind klar. Denn bereits vor fünf Jahren hat sich die internationale Staatengemeinschaft mit der Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung klar zu ihrer gemeinsamen Verantwortung bekannt, weltweit für gute Lebensperspektiven auch zukünftiger Generationen zu sorgen. Im Vordergrund steht dabei ein schonender Umgang mit natürlichen Ressourcen. Dieses Ziel ist auch in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verankert. 

Das ist dringend nötig, da sich der weltweite Primärmaterialeinsatz seit 1970 mehr als verdreifacht hat. Nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) stieg er von damals rund 27 Mrd. auf rund 92 Mrd. Tonnen im Jahr 2017. Wenn im Jahr 2060 bis zu 10 Mrd. Menschen auf der Erde leben werden, wird auch ihr Rohstoffbedarf noch höher sein als heute schon. UNEP und OECD gehen davon aus, dass dann bis zu 190 Mrd. Tonnen Mineralien, Erze, fossiler Brennstoffe und Biomasse benötigt werden könnten. Deren Gewinnung aber hat wiederum einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Freisetzung von Treibhausgasen. Für etwa die Hälfte aller globalen Emissionen wird sie verantwortlich gemacht, so jedenfalls schätzt dies das International Resource Panel der Vereinten Nationen (UNEP IRP).

Schub für mehr Ressourceneffizienz durch ProgRess III

Wie Deutschland treibhausgasneutral werden kann, das hat die Bundesregierung in ihrem Klimaschutzplan 2050 niedergeschrieben. Dennoch sind weitere Impulse nötig – und eine sichere Versorgung mit Rohstoffen. Darüber hinaus wird immer deutlicher, dass ohne Maßnahmen im Bereich Ressourceneffizienz eine Einhaltung des Pariser Klimaabkommens nicht möglich sein wird. Dabei sind insbesondere technische Bildung sowie technische und technologische Innovationen von besonderer Bedeutung. Ingenieurinnen und Ingenieure übernehmen dabei eine zentrale Rolle. 

Im Jahr 2012 hat die Bundesregierung das Deutsche Ressourceneffizienzprogramms (ProgRess) verabschiedet und sich auf Ziele, Leitideen und Handlungsansätze zum Schutz der natürlichen Ressourcen festgelegt. Alle vier Jahre ist die Bundesregierung verpflichtet, dem Deutschen Bundestag über die Entwicklung der Ressourceneffizienz in Deutschland zu berichten und das Ressourceneffizienzprogramm fortzuschreiben. 

„Die Wirtschaft von morgen braucht einen Schub für mehr Ressourceneffizienz“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze anlässlich der Vorstellung des Programms ProgRess III. „Unternehmen und Konsumenten sind hier gleichermaßen gefordert.“ Der Ministerin geht es auch darum, die Chancen digitaler Technologien für mehr Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und eine intakte Umwelt zu nutzen. „Mit seiner Leitidee, die Wirtschafts- und Produktionsweisen in Deutschland schrittweise von Primärrohstoffen unabhängiger zu machen, leistet ProgRess einen wichtigen Beitrag, um die deutsche Wirtschaft krisensicherer zu machen.“

Der VDI unterstützt die Bestrebungen nach einer genauen Analyse der Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen und die Wirkungen auf den Klima- und Ressourcenschutz sowie die Berechnung der relativen Rohstoffknappheiten. Dies wurde und wird vom VDI mit seinem VDI-Richtlinienwerk zur Ressourceneffizienz unterlegt. Auch der weitere Ausbau einer flächendeckenden betrieblichen Effizienzberatung und die weiteren Bestrebungen zur Vernetzung der Energieeffizienz- und Materialeffizienzberatung sind wichtige Handlungsansätze, die im Rahmen der Standardisierungsarbeit des VDI unterstützt werden. Die Verankerung von Ressourceneffizienz-Aspekten in die Unternehmensstrategie sowie die weitere Vernetzung von Aktivitäten und Akteuren sind zentrale Anliegen des VDI.

Digitalisierung wird Schwerpunkt der Maßnahmen

Obwohl die Digitalisierung die Wirtschaft vorantreibt, trägt sie gleichzeitig erheblich zu einem erhöhten Verbrauch von Rohstoffen bei. Als Beispiel hierfür ist die Verbreitung von Smartphones und Tablets sowie der wachsende Bedarf an Serverleistungen zu nennen. Zugleich bietet die Digitalisierung Lösungen, denn dank der immer schnelleren Verarbeitung von Prozessdaten könne die Produktion besser gesteuert und der Rohstoffeinsatz effizienter werden, sagt die Ministerin. Svenja Schulze: „Daher widmet ProgRess III der Digitalisierung einen neuen Schwerpunkt mit Maßnahmen zur Ressourceneffizienz im Bereich Industrie 4.0 und Rechenzentren. Unternehmen werden darin unterstützt, Produkte künftig ressourceneffizient zu gestalten und zu produzieren.“ Das bedeutet, dass Produkte im Laufe des gesamten Wertschöpfungszyklus nur noch ein Minimum an Material, Wasser und Energie beanspruchen sollen und dennoch dabei voll funktionstüchtig sind.

Aber auch das Verhalten der Verbraucher*innen ist für einen steigenden Ressourcenverbrauch verantwortlich. Die Wegwerfmentalität der Deutschen schlägt hier erheblich zu Buche, aber auch der Onlinehandel mit Wachstumsraten von zehn Prozent pro Jahr. Das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm III konzentriert sich deshalb darauf, die Langlebigkeit und Qualität wieder stärker in den Vordergrund zu rücken. Verbraucher*innen sollen für ihre Kaufentscheidungen transparente, verlässliche, vergleichbare, überprüfbare und leicht verständliche Informationen erhalten. 

Dafür setzt das Programm insbesondere auf Marktanreize, Information, Beratung, Bildung, Forschung und Innovation sowie auf die Stärkung freiwilliger Maßnahmen und Initiativen in Wirtschaft und Gesellschaft. Es geht um ökologische Sorgfaltspflichten in den Rohstofflieferketten, die Reparierbarkeit von Produkten, Beratungsangebote für Unternehmen und Standardisierungs- und Zertifizierungssysteme für Rezyklate bis zu Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr und Umweltzeichen für ressourceneffiziente Software.

Stoffkreisläufe sollen geschlossen werden

Produkte sollen nach ihrer Nutzungsphase nur möglichst vollständig einer erneuten Nutzung zugeführt werden. „Stoffliche Verwertung der Materialien findet nur zu einem verhältnismäßig kleinen Teil statt“, meint Hans-Jürgen Schäfer, Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft Materials Engineering (VDI-GME). Gleichzeitig steige der globale Verbrauch von Materialien weiter an. Eine Aufgabe der Ingenieur*innen wird es daher sein, durch die Schaffung einer zirkulären Wertschöpfung einerseits den Wert von Materialien zu erhalten und andererseits die verwendeten Stoffe nach ihrem Gebrauch dem Kreislauf erneut zuzuführen. „Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Produkte möglichst so konzipiert werden, dass sie sich nach ihrer Verwendung wieder ökonomisch und ökologisch vorteilhaft in ihre Stoffkomponenten separieren lassen“, sagt Schäfer. Dafür wiederum sind Infrastrukturen und Geschäftsmodelle nötig, mit deren Hilfe diese Stoffe gesammelt, sortenrein oder nach Fraktionen getrennt und den produzierenden Unternehmen wieder als Rohstoff bereitgestellt werden. Die Schließung der Stoffkreisläufe hat insgesamt ökologische und ökonomische Vorteile. Studien rechnen aus, dass dadurch das BIP erhöht und Arbeitsplätze geschaffen werden.

Allerdings erfordert es ein Umdenken bei der Produktentwicklung, um Stoffkreisläufe schließen und Werkstoffe möglichst oft wiederverwenden zu können. Produkte müssen sich in ihre Komponenten zerlegen lassen, sie sollten also lösbare Verbindungselemente aufweisen und eine leichte Demontage und den Austausch der Bestandteile erlauben sowie aus möglichst wenig unterschiedlichen Werkstoffen bestehen und keine toxischen Stoffbeimengungen enthalten. Um die Stoffe sammeln und den produzierenden Unternehmen erneut als Rohstoff zur Verfügung stellen zu können, braucht es geeignete Infrastrukturen. Angestrebt wird die werkstoffliche Verwendung, wo dies nicht möglich ist, soll es zumindest die rohstoffliche Verwertung geben. 

Unterm Strich sogar preiswerter

Durch die Einhaltung der genannten Designprinzipien könnten Produkte unter Umständen auch teurer werden. Doch auf der anderen Seite ist die Nutzungsphase deutlich erhöht. „Unter dem Strich sind Produkte für den Kunden in vielen Fällen preiswerter“, ist der GME-Geschäftsführer überzeugt. Außerdem kann eine höhere Ressourceneffektivität zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Für die deutsche Industrie sind Ressourceneffizienz, klimaneutrale Energieversorgung und Klimaschutz wichtige Exportmärkte, die große Wachstumschancen beinhalten. „Schaffen wir es, in Deutschland ein auf zirkuläre Stoffkreisläufe, erneuerbare Energien und klimaangepasstes Bauen basierendes Wirtschaftsmodell zu errichten, bestehen sehr gute Chancen, diese Modelle in andere Länder zu exportieren“, ist Hans-Jürgen Schäfer überzeugt. 

Auch das FEhS – Institut für Baustoff-Forschung e.V. sieht im Deutschen Ressourceneffizienzprogramm ‧(ProgRess III) einen Weg in die richtige Richtung. Die Experten für Eisenhüttenschlacken vermissen jedoch die ausdrückliche Akzentuierung von mineralischen Baustoffen aus der Stahlindustrie: „Aus unseren industriellen Nebenprodukten entstehen hochwertige und markterprobte Sekundärbaustoffe, die schon über 1 Mrd. t Naturgestein in Zement, Beton und Gesteinskörnungen substituiert haben. Wir hätten uns gewünscht, dass sich dieser positive Beitrag zum nachhaltigen Bauen und zur Kreislaufwirtschaft in ProgRess III in deutlicheren Formulierungen wiederfindet“, sagt Thomas Reiche, Geschäftsführer des FEhS-Instituts.

Ein deutlicheres Statement pro Sekundärbaustoffe hätte Reiche auch beim Klimaschutz erwartet: „Durch die Substitution von Portlandzementklinker durch Hüttensand aus der Stahlindustrie konnten bei der Zementherstellung in Deutschland schon über 200 Mio. t CO2-Emissionen eingespart werden. Diese Baustoffe sind nicht nur ressourcenschonend, sie senken auch den Carbon-Footprint bei Bauvorhaben erheblich.“

Autorin: Bettina Reckter

Fachlicher Ansprechpartner im VDI:
Dr.-Ing. Hans-Jürgen Schäfer
Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft Materials Engineering
E-Mail-Adresse: schaefer@vdi.de

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