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Schutzschilde für die Region made in OWL

Mit der Expertise von VDI OWL-Mitgliedern durch die Corona-Krise

Schutzschilde für die Region made in OWL

Bielefeld/Ostwestfalen-Lippe. Enger Kontakt ist auch in Corona-Zeiten in manchen Bereichen unerlässlich – zum Beispiel im Umgang mit alten und hilfsbedürftigen Menschen in der ambulanten oder stationären Pflege. Eine zusätzliche Schutzhilfe vor Ansteckung bieten Gesichtsschilde, die sich auf 3D-Druckern herstellen lassen. Mit Unterstützung des Bezirksvereins Ostwestfalen-Lippe des Vereins Deutscher Ingenieurinnen und Ingenieure (VDI OWL) gingen jetzt 40 Schutzschilde made in OWL als Spende an eine Alteneinrichtung und zwei Pflegedienste in Bielefeld. Hinter der Gemeinschaftsaktion steht ein ehrenamtlicher Zusammenschluss aus VDI OWL, dem FabLabIOWL an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) und privaten Unterstützern – unter der Initiative MakerVsVirus.

Aktivitäten und Projekte des VDI OWL

„Wir können das machen!“ heißt das Credo des VDI OWL, ausgegeben zum 125-jährigen Geburtstag in 2019. Seit Beginn der Corona-Pandemie treten der Vorstand und viele der rund 3.500 Mitglieder verstärkt als „Macherinnen und Macher“ in Aktion. „Mit unserer Expertise und unserem Engagement wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass die Gesellschaft funktionsfähig bleibt“, erklärt der Vorsitzende, Professor Rainer Barnekow, „dazu gehört die Aufrechterhaltung der Infrastrukturen für Logistik, Energie, Wasser, Gebäude oder Telekommunikation, aber auch eine schnelle Umstellung von Produktionsabläufen, zum Beispiel hin zu in 3D-gedruckten Teilen oder zur Herstellung von medizinischen Produkten und Hygieneartikeln.“ Die interdisziplinäre Vernetzung des fest in der Region verwurzelten Ingenieurvereins stellt dabei einen großen Vorteil dar. Ein Paradebeispiel: die Herstellung von Gesichtsschilden, die der VDI OWL von der Pionierphase bis zur Praxisreife begleitet hat.

Bedarf an Schutzmaterialien in der Pflege

Einen Anstoß gab eine Bielefelder Hausärztin, die anonym bleiben möchte. „In einer Zeit, wo Pflegeheime und Pflegedienste deutlich schlecht mit Schutzmaterialien ausgestattet“ seien, habe sie über die Herstellung von Kunststoffschilden mittels 3D-Druckern gelesen und über einen Nachbarn den VDI OWL kontaktiert. Die Europäische Kommission hatte angesichts der Corona-Pandemie und der knapper werdenden medizinischen Ausrüstungen 3-D-Druck-Unternehmen, sogenannte Makerspaces und FabLabs dazu aufgerufen, mit ihren Kenntnissen und Produktionskapazitäten auszuhelfen. Professionelle 3D-Drucker gehören auch zur Ausstattung des FabLab|OWL, eine offene High-Tech-Werkstatt mit modernsten digitalen Fertigungstechnologien auf dem Campus der TH OWL in Lemgo. Im Team um FabLab-Leiter Dipl.-Ing. Matthias Meier entstand schon Mitte März die Idee, bei der Produktion von Gesichtsschilden zu helfen und sich dafür der Kasseler Initiative MakersVsVirus anzuschließen.

Als einer der Aktiven im FabLab|OWL informierte der 28-jährige Steffen Wenk, Jung-Ingenieur der Holztechnologie, Master-Student (Production Engineering and Management sowie Holztechnik) und VDI-Mitglied den VDI OWL über das Vorhaben. Dort nahm sich Ingenieur Harald Ghelleri, Fachmann für Kunststofftechnik und Vorstandsmitglied, der Unterstützung des Projektes an. Der VDI OWL gab als Sponsor den Erstauftrag von 40 Gesichtsschilden für die Bielefelder Pflegeeinrichtungen.

Zehn Ehrenamtliche an fünf 3D-Druckern

Das Lemgoer FabLab wirkte als Experimentier-, Entwicklungs- und Produktionszentrum.
Von der Idee und der Einbindung weiterer Helfer und 3D-Drucker über die Gründung des Hubs (ein Zusammenschluss) unter MakerVsVirus bis zu den ersten gedruckten Produkten vergingen keine vier Wochen. Steffen Wenk und Unterstützer optimierten eine 3D-Vorlage für Stirnbügel von Gesichtsschilden, recherchierten passende Folien und Bänder sowie Werkzeuge zur Prozessbeschleunigung. Zur „seriellen Herstellung“ ab Mitte April traten insgesamt zehn Ehrenamtliche, überwiegend Studierende, an fünf 3D-Drucker an unterschiedlichen Orten im Raum Lemgo und Blomberg in Aktion. „Unsere Arbeit ist nach den ersten Erfahrungen effizienter geworden“, so Wenk, „anfangs dauerte allein der Druckvorgang für einen Bügel anderthalb Stunden, heute brauchen wir für ein Schild eine Viertelstunde und die Drucker können Tag und Nacht laufen.“

Rund 300 Gesichtsschilde sind bereits fertig produziert: ein Kunststoffbügel, mit einem Gummiband am Kopf gehalten, trägt eine über das ganze Gesichtsfeld gebogene Klarsichtfolie. Harald Ghelleri ist vom Ergebnis begeistert: „Was Gesichtsschilde betrifft, waren wir in OWL bisher Diaspora. Die hier gefertigten Schilde decken großzügig ab, damit ist zum Beispiel Pflegepersonal weit besser geschützt, aber auch für andere Bereiche sind sie geeignet.“ Bei einem ersten Versuchsgang mit einem Prototypen in einen Supermarkt ist der Ingenieur in der dortigen Bäckerei „gleich spontan weitere Exemplare losgeworden“.

VDI OWL spendet erste 40 Gesichtsschilde

Jetzt übergab der VDI-Vertreter in Bielefeld-Quelle je zehn Gesichtsschilde an die  ambulanten Pflegedienste Bonitas und Bethel-ambulant sowie 20 Gesichtsschilde mit blauen, grünen, orangefarbenen und weißen Bügeln an das Pflegezentrum Quelle der von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Als „hohe Wertschätzung der Pflegekräfte“ bezeichneten Hausleiter Michael Pergande und Pflegedienstleiterin Anke Sielemann die Spende. „In unserem Pflegezentrum sind rund 60 Fachkräfte im Einsatz für 80 hilfe- und pflegebedürftige Menschen, ein Viertel davon lebt im Demenzbereich“, so Pergande, „wir sind bereits mit Kittel, Mund-Nasen-Schutzmasken, Handschuhen und Desinfektionsmittel ausgestattet, bei Verdachtsfällen können wir jetzt zusätzlich die Gesichtsschilde nutzen.“ Die Pflegedienstleiterin dankte im Namen des Teams: „Derzeit sind wir neben der Pflege oft auch als einzige Bezugspersonen besonders gefragt, deshalb ist diese Spende eine tolle Geste.“ Die Schilde ließen sich leicht befestigen, gut reinigen und desinfizieren. Bislang habe man im Hause nur Verdachtsfälle auf eine Corona-Infektion gehabt, aber noch keinen bestätigten Fall. Nun hoffen alle darauf, dass die 20 Gesichtsschilde gar nicht erst zum präventiven Einsatz kommen müssen...

 

Text: Martina Bauer

Fotos: Frank Nitschke / Nitschke Fotografen

 

Gesichtsschutzschilde und 3D-Drucker

Zur Produktion von Gesichtsschutzschilden werden 3D-Drucker und Kunststoffpulver (für die Kunststoffbügel), Folien (für das Schild) in A-4-Format, durchsichtig, kristallklar und unbeschichtet (keine Inkjet-Folien) in einer Foliendicke von 300 bis 500 Micron (ähnlich Deckfolien für gebundene Dokumente oder Rollenware von bis zu 80 cm Breite) sowie Lochgummiband benötigt. Zum Projekt und zum Einsatz von 3D-Druckern haben der VDI OWL und das FabLab an der TH Lemgo ein Faltblatt erstellt. Berufsgruppen, die Ingenieursexpertise oder Produkte wie Gesichtsschutzschilde benötigen, können sich an den VDI OWL wenden. Besitzer von 3D-Druckern und digitalem Equipment können über das FabLab dem „#hub-owl-lemgo“ der Initiative MakerVsVirus beitreten. Die Mitglieder des VDI OWL, des Hubs und die Studierenden arbeiten ehrenamtlich, die laufenden Kosten für Material und Drucker tragen die Hochschule und der VDI OWL, der Ingenieursverein leitet Spendengelder weiter.    

www.vdi.de/owl

www.th-owl.de/fablab/

www.makervsvirus.org

Veröffentlichung im Journal OWL

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