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Energieeffizienz

Sparen ist nicht schwer

Bild: pikselstock/Shutterstock.com

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Deutschland schmerzlich vor Augen geführt, wie abhängig es von Gas und Öl zweifelhafter Herkunft ist. Dagegen lässt sich etwas tun, schon beim Einschalten der Spülmaschine.

Energieeffizienz ist ein großer Stellhebel – sowohl um die Klimaschutzziele zu erreichen, aber auch um unsere bisherige Abhängigkeit von russischem Erdgas, Öl und Kohle zu senken. Nach Studien der internationalen Energieagentur wird Energieeffizienz global einen Beitrag von etwa 45 Prozent zum Erreichen der Klimaschutzziele beitragen müssen, mehr als Erneuerbare Energie mit etwa 35 Prozent. Energie, die nicht benötigt wird, braucht eben nicht erzeugt, transportiert, gespeichert, umgewandelt und gekauft werden. Damit ist Energieeffizienz meist nicht nur die wirtschaftlichste, sondern auch die umweltfreundlichste und inzwischen auch geopolitisch beste Energiequelle.

Ähnliches gilt für die Suffizienz – also den Verzicht auf energieintensive Aktivitäten: die Fernreise mit dem Flugzeug, die Kreuzfahrt, die mollig warme Wohnung im Winter (ein Grad Celsius weniger Raumtemperatur spart bereits sechs Prozent Heizenergie), die Spritztour am Wochenende mit dem SUV. Kurzfristig lassen sich hier am schnellsten Einsparungen erreichen, um einen Beitrag zu weniger Energieimporten und zum Klimaschutz zu leisten. Die Höhe dieses Beitrags hängt natürlich stark davon ab, ob jemand nach Pellworm oder nach Mauritius reist.

Investitionen brauchen Zeit

Investitionen dagegen benötigen Vorlauf, Bauzeiten und verfügbare Handwerker. So liegt in Deutschland die energetische Sanierungsquote von Wohngebäuden bei etwa einem Prozent im Jahr, erforderlich im Sinne der Klimaziele wären aber mindestens zwei bis drei Prozent. Eingespart werden kann dabei mindestens die Hälfte der ursprünglich nötigen Heizenergie, bei einem sehr schlechten Ausgangszustand auch mehr als 80 Prozent. Damit ist auch die Basis geschaffen, Wärmepumpen sehr effizient einzusetzen, um auf Öl- und Gasheizungen zu verzichten. Schon auf Grund der begrenzten Handwerkerkapazitäten werden die Auswirkungen für die Energielage in Deutschland aber wohl erst mittel- bis langfristig spürbar sein.

Hohes Einsparpotenzial im Verkehr

Zwar kein Erdgas, aber Erdöl in großen Mengen lässt sich im Verkehr einsparen. Dieses Öl stammt überwiegend aus Staaten, die nicht unseren Vorstellungen von Demokratie und Menschenrechten entsprechen. Sofort reduzierbar ist der Spritverbrauch: durch eine moderatere Geschwindigkeit, vorausschauendes Fahren und vor allem durch den Verzicht auf die Fahrt mit dem Pkw, wo immer möglich.

Viele Wege lassen sich auch zu Fuß, mit dem Fahrrad, Bus und Bahn erledigen. Urlaubsreisen sind meist auch mit der Bahn möglich, und auch auf Fernreisen kann  man gelegentlich verzichten. Lastenräder und Carsharing sparen Energie und Kosten. Und wenn ein eigenes Auto wirklich unverzichtbar ist: Es gibt kleine  energieeffiziente Fahrzeuge, die nicht nur weniger verbrauchen, sondernauch nochpreiswerter sind als die großen, hochmotorisierten. Dies gilt alles auch für Elektrofahrzeuge.

Energieeffizienz durch Netzwerken

Natürlich kann die Industrie zur Senkung des Energieverbrauchs beitragen, auch wenn viele Unternehmen schon rentable Maßnahmen umgesetzt haben. Die steigenden Energiepreise machen aber nun viele Maßnahmen lohnend, die bisher unwirtschaftlich waren. Unternehmen, bei denen die Energiekosten bisher keine große Rolle gespielt haben (sie machen im Durchschnitt der deutschen Industrie nur zwei Prozent aus, in Branchen wie dem Maschinen- und Fahrzeugbau statistisch gesehen weniger als ein Prozent), werden sich nun verstärkt danach umsehen, wie sich mehr Energie einsparen lässt.

Hilfreich sind hierbei Energieeffizienznetzwerke: Dabei schließen sich mehrere Unternehmen einer Region zusammen, um gemeinsam Einsparpotenziale in ihren Betrieben aufzuspüren und so mit- und voneinander zu lernen. Langjährige Erfahrungen mit derartigen Netzwerken, von denen es in Deutschland mehre Hundert gibt, zeigen, dass sie ihren Energieverbrauch um zwei bis drei Prozent pro Jahr verringerten – im Vergleich zu etwa einem Prozent vorher. Und hierbei verzinst sich das eingesetzte Kapital durchschnittlich über alle Maßnahmen mit rund 30 Prozent pro Jahr. Auch hier sind keine großen kurzfristigen Energieeinsparungen zu erwarten, selbst wenn das in Einzelfällen durchaus möglich ist. So reduziert der Einsatz von Recyclingmaterialien im Vergleich zur Produktion von Neumaterialien bei Aluminium 90 Prozent des Energieeinsatzes, bei Stahl 75 Prozent und bei Papier 40 Prozent.

Strom verbrauchen, wenn die Sonne scheint

Theoretisch ließe sich langfristig etwa 80 Prozent unseres Energieverbrauchs bei gleichem Lebensstil einsparen: durch den stärkeren Einsatz von Katalysatoren, Enzymen, biotechnologischen Prozessen, aber auch, wenn man Stahl und Beton im Gebäudebau durch Holz ersetzen würde. Dies spart nicht nur Energie und importierte Rohstoffe, sondern das im Holz gespeicherte Kohlendioxid wird noch dazu für viele Jahrzehnte dem Stoffkreislauf entzogen.

Grundsätzlich sollte beachtet werden, dass bei vielen Geräten, Anlagen und Gebäuden die Energiekosten etwa 80 Prozent der gesamten Kosten während der Nutzungsdauer ausmachen, die Investitionskosten nur etwa 15 Prozent. Es lohnt sich also, bei einer Investition auch auf die laufenden Energiekosten zu achten, und nicht nur auf die Investitionskosten. Dies gilt besonders bei langlebigen Produkten. Bei den voraussichtlich weiter steigenden Energiepreisen, sei es aus Gründen des Klimaschutzes oder Lieferengpässen, ist es wichtig, bei allen anstehenden Investitionen diese Energiekostensteigerung zu berücksichtigen.

Energieeffizienz wird mittel- und langfristig einen großen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energieautarkie beitragen, kurzfristig können Änderungen im Verhalten deutliche Einsparungen von Erdöl und Erdgas bewirken. Hierzu ein praktisches Beispiel: Gas wird in der Stromerzeugung vor allem in Zeiten eingesetzt, in denen bei einer hohen Stromnachfrage wenig Sonne scheint oder wenig Wind weht. Eine Verlagerung der Stromnachfrage durch den Einsatz der Geschirrspül- und Waschmaschine in sonnige (zwischen 11 und 15 Uhr) oder windige Tageszeit oder in die Nachtzeit kann den Verbrauch von Erdgas bereits entscheidend verringern.

Autor: Prof. Dr.-Ing. Harald  Bradke  leitet  das  Kompetenzcenter „Energietechnologien und Energiesysteme“ beim Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe. Er ist Vorsitzender des Interdisziplinären Gremiums Klimaschutz und Energiewende im VDI.

Der Artikel ist am 01.04.2022 in der Süddeutschen Zeitung erschienen.

Ansprechpartner im VDI
Dr.-Ing. Jochen Theloke
VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt
E-Mail: theloke@vdi.de

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