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„Unterschiedliche Wirkungsebenen einbeziehen“ (Interview mit Katja Witte, Wuppertal Institut)

Foto Sabine Michaelis

Interview mit Katja Witte zur Arbeit des Wuppertal Instituts und den Klimaschutzzielen

„Unterschiedliche Wirkungsebenen einbeziehen“

Das Wuppertal Institut (WI) ist ein wichtiger Think Tank, wenn es um Studien und Methoden nachhaltiger Entwicklung geht, z. B. im Zusammenhang mit der Erreichung der Pariser Klimaschutzziele. Katja Witte hat bei der Kick-Off- Veranstaltung des VDI Kölner Bezirksverein zum 1,5°-Fokusthema, dem Online-Kolloquium am 16. Februar 2021, einen Impulsvortrag zu Fakten, Daten und Herausforderungen aus wissenschaftlicher Sicht gehalten. In diesem Interview gibt sie Hinweise auf die besonderen Erfolgskriterien, deren Beachtung die Arbeit des Wuppertal Instituts seit langem kennzeichnen und die mittlerweile bei zahlreichen Institutionen und Veränderungsprozessen übernommen werden.

Katja Witte ist Dipl.-Soziologin, bereits seit 2004 beim WI und derzeit stellvertretende Abteilungsleiterin „Zukünftige Energie- und Industriesysteme“ und Co-Leiterin Forschungsbereich „Strukturwandel und Innovation“. Eines ihrer Haupttätigkeitsfelder liegt in den Bereichen Information, Kommunikation und Partizipation im Bereich Klimaschutz und -anpassung.

Wie und warum ist das WI entstanden?

Vor 30 Jahren auf Initiative von Ernst Ulrich von Weizsäcker gegründet, startete das WI mit rund 40 Mitarbeitern, heute sind es 250. Es versteht sich als Think Tank mit dem Fokus auf angewandte Nachhaltigkeitsforschung und untersucht und entwickelt Methoden zur Umsetzung von Veränderungsprozessen. Dabei ist es uns von Anfang an darum gegangen, neben den technischen Entwicklungen die gesellschaftliche Umorientierung ins Bewusstsein zu bringen.

Wie ist die grundsätzliche Vorgehensweise des WI?

Anfänglich als besonderes Alleinstellungsmerkmal eingesetzt, verfolgt das WI neben einem transdisziplinären Wissenschaftsansatz das Prinzip, grundsätzlich alle Akteure der Gesellschaft aus Politik, Wirtschaft, Verbänden, Initiativen und Wissenschaft einzubinden.

Zur Analyse und Optimierung von Veränderungsprozessen betrachten wir unterschiedliche Wirkungsebenen. Konkret heißt das z. B. im Hinblick auf die Erreichung der Pariser Klimaschutzziele, dass es neben den technischen Innovationspotenzialen von bestehenden Industrien auch um soziale Innovations- sowie Managementprozesse in den Unternehmen geht. Mit Hilfe der Digitalisierung und Flexibilisierung der Energiewirtschaft können Prozesse und Produkte optimiert werden, um zusätzliche Aufwände für den Klimaschutz auszugleichen. Damit werden die Veränderungen robuster gestaltet.

Was macht das WI konkret?

Auf der Basis fundierter, amtlicher Daten entwickeln wir Szenarien wie z. B. die Studie „Klimaneutrales Deutschland“, die gemeinsam in Auftrag gegeben wurde von Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und Stiftung Klimaneutralität und vom WI in Kooperation mit Prognos und dem Öko-Institut erstellt wurde. Es geht dort darum, neu formulierten Ziele der Bundesregierung (Klimaneutralität 2050) und der EU (höheres EU-2030-Ziel auf Deutschland zu übertragen -> -65%) vollumfänglich für alle Sektoren durchzumodellieren. Daraus ergibt sich ein Entwicklungspfad in Richtung Klimaneutralität unter Berücksichtigung von Kosteneffizienz und Akzeptanz.

Als wissenschaftlicher Partner sind wir in zahlreichen Netzwerken des Landes NRW aktiv. Im Virtuellen Institut (VI) „Transformation- Energiewende NRW“ begleiten und unterstützen wir den nachhaltigen Umbau des Energieversorgungssystems in Nordrhein-Westfalen aus wissenschaftlicher Perspektive, im Virtuellen Institut Smart Energy bringen wir uns zum Thema Digitalisierung der Energiewirtschaft ein.

Als wissenschaftlicher Partner in Reallaboren wie DoNaPart begleiten wir die nachhaltige Quartiersentwicklung in Bodelschwingh, eines Stadtteils von Dortmund.

Im Strukturwandel zum Braunkohleausstieg des Rheinischen Reviers sind wir u. a. in Projekten wie dem Innovationspark Jüchen, dem Wasserstoffnetzwerk In4climate Rheinisches Revier und dem Wasserstoffhub Bedburg eingebunden.

Was ist wichtig, wenn der Wandel erfolgreich verlaufen soll?

Es geht in erster Linie darum, Mut zu entwickeln, um bisherige Gewohnheiten und Geschäftsmodelle zu ändern. Dazu braucht es auch ein gemeinschaftliches Vertrauen in den Prozess.

Wichtig sind hier eine solide Wissensbasis sowie eine Transparenz in die Abläufe, um ein robustes Verständnis für die Lösungswege zu entwickeln. In den Schulen muss es eine optimale Wissensvermittlung geben. Ressourcen sowie Ansprechpartner müssen auch auf kommunaler Ebene zur Verfügung stehen.

Neuartige Geschäftsmodelle sind zu entwickeln, die eine Transformation erfolgreich bestehen. Ein großes Potenzial ergibt sich dann, wenn neben dem persönlichen Vorteil auch der gesellschaftliche Nutzen als Entscheidungsmaßstab angelegt wird.

Finanzierungsinstrumente setzen immer mehr auf Nachhaltigkeitsprinzipien. Mittlerweile bekennen sich große börsennotierte Unternehmen zu Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, so kommt es zu einem gewissen Zwang zum Mithalten. Damit wird es möglich, eine breite Veränderung als positiv zu erleben. Schließlich müssen bei der Bewertung der Prozesse aber auch weiche Faktoren einfließen, Werte wie Zusammengehörigkeit oder einfach Zufriedenheit berücksichtigt werden.

 

Interview: Marie-Luise Schaller

 

 

 

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