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Interview mit Prof. Dr.-Ing. Harald Bradke

Welche wirksamen Maßnahmen braucht das neue Klimaschutzgesetz?

Bild: myboys.me/ Shutterstock.com

Das Bundesverfassungsgericht hat im Sinne der Gerechtigkeit gegenüber kommenden Generationen das Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt. Es lege keine Vorgaben für eine Emissionsminderung für die Jahre nach 2030 fest. Auch der VDI hat das Klimaschutzgesetz 2019 als zu wenig ehrgeizig kritisiert. Die Bundesregierung begrüßt die Entscheidung des Gerichts und hat letzte Woche eine Änderung des Klimaschutzgesetzes angestoßen.

Herr Prof. Bradke, wie beurteilen Sie den Entwurf der Bundesregierung?

Ich begrüße den Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Klimaschutzgesetzes. Der Entwurf setzt nicht nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sehr zeitnah um, sondern auch die absehbaren Verschärfungen der neuen Treibhausgasreduktionsziele der EU. Um den internationalen Verpflichtungen Deutschlands zum Klimaschutz nachzukommen, sind die nun im Gesetzentwurf gemachten Ziele unbedingt erforderlich.

In dem neuen Klimaschutzgesetz werden sektorübergreifende Minderungsziele für die Jahre nach 2030 bis zur Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 festgelegt. Halten Sie diese Ziele für ausreichend, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen?

Die verschärften Klimaschutzziele sind notwendig, aber nicht hinreichend, um eine treibhausgasneutrale Zukunft zu erreichen. Die Politik legt derzeit in großer Hektik neue Minderungsziele fest. Es handelt sich hierbei jedoch lediglich um politische Minderungsziele, die nicht mit konkreten Maßnahmen beziehungsweise Instrumenten unterlegt sind.

Die Klimaschutzziele lassen sich nur durch die Kopplung der Sektoren erreichen

Welche konkreten Maßnahmen wären hier aus Ihrer Sicht wichtig? 

Die Erhöhung des Preises für die Emission von Treibhausgasen ist ein wichtiges Instrument. Es kann aber ohne flankierende Instrumente nicht effizient und effektiv zum Ziel führen. Die komplexen Herausforderungen der Transformation des Energiesystems erfordern zumindest sektorspezifische Maßnahmen, die aufeinander abgestimmt sein müssen, wie zum Beispiel eine Umlage des EEG auf alle Energieträger, um die Sektorenkopplung zu fördern.

Die Bundesregierung hat letzte Woche eine Verordnung auf den Weg gebracht, die die im aktuellen EEG enthaltenen Instrumente zur Befreiung der Herstellung von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage konkretisiert. Reicht diese Maßnahme aus, um die neuen Minderungsziele zu erreichen?

Der VDI begrüßt diese Verordnung. Allerdings ist diese Maßnahme allein nicht ausreichend. Die Klimaschutzziele der Bundesregierung lassen sich unter anderem nur durch die Kopplung der Sektoren erreichen, also die Substitution von fossilen Brenn- und Kraftstoffen durch klimagasneutral erzeugten Strom, daraus hergestellten Wasserstoff beziehungsweise daraus hergestellten synthetischen Brenn- und Kraftstoffen. Solange die nach heutigem Wissensstand entstehenden externen Kosten der Energienutzung noch nicht vollständig eingepreist sind – zum Beispiel durch CO2-Abgaben oder den Emissionszertifikatehandel –  bedarf es einer Reduzierung oder Befreiung von spezifischen Zusatzkosten wie der EEG-Umlage auf den aus erneuerbaren Energieträgern hergestellten Strom zur Erzeugung von grünem Wasserstoff und dessen Folgeprodukte. Andernfalls werden sich diese Produkte nicht im Markt gegen die bestehenden Energieträger und Technologien durchsetzen können.

Gleiches gilt jedoch auch für den Einsatz von grünem Strom für andere Sektoren wie der batterie-elektrischen Mobilität und der Wärmeerzeugung mittels elektrischer Wärmepumpen. Auch hier ist eine Reduzierung oder Befreiung von der EEG-Umlage bei einer gleichzeitigen Erhöhung der CO2-Abgaben für fossile Energieträger dringend erforderlich, um die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes dieser Technologien zu verbessern und damit Treibhausgasminderungen zu erreichen.

Der VDI begrüßt die Berücksichtigung der Klimawirkungen bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchung

Für den Zeitraum bis 2030 wurden im neuen Klimaschutzgesetz ehrgeizigere Minderungsziele festgelegt. Wie bewerten Sie diese Ziele?

Im Detail sehe ich die Bedeutung der Emissionsminderung und Verschärfung der Treibhausgasemissionen in der Stromerzeugung als sehr positiv, da hier die Treibhausgase relativ schnell gesenkt werden können und dies die unbedingte Voraussetzung für die Sektorenkopplung darstellt. Elektromobilität und elektrische Wärmepumpen ergeben ebenso wie Wasserstoff und synthetische Treibstoffe aus Klimaschutzgründen nur Sinn, wenn sie „grünen“ Strom nutzen. Auf diese Weise kann insbesondere der Verkehrs- und Raumwärmebereich besser zu den Klimaschutzzielen beitragen. Hierbei muss jedoch auch die Energieeffizienz und –suffizienz gesteigert werden durch eine mindestens Verdoppelung der energetischen Sanierungsrate im Altbaubestand und einer Reduzierung der Verkehrsnachfrage durch Digitalisierung, neuen städtebaulichen Konzepten, einer Stärkung des ÖPNV sowie des Schienenverkehrs insgesamt. Als zielführend begrüßt der VDI auch die Berücksichtigung der Klimawirkungen bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchung.

Wozu ist die im neuen Gesetz vorgesehene Verbesserung der Methoden und Grundlagen zur Berechnung der Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) notwendig?

Die detaillierte Berechnung der Emissionen aus dem LULUCF-Sektor ist ein zentraler Faktor zur Erreichung der Treibhausgasneutralität, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass diesem Sektor teilweise auch negative Emissionen in der Treibhausgasbilanz zugeordnet werden.

Vermissen Sie Punkte im neuen Klimaschutzgesetz, die unbedingt noch berücksichtigt werden müssen?

Ich vermisse Aussagen zur Bedeutung und Begrenzung der Methanemissionen, wie sie nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch bei Förderung, Transport und Nutzung von methanhaltigen Gasen wie Erdgas freigesetzt werden.

Ihr Ansprechpartner Dr.-Ing. Jochen Theloke Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt theloke@vdi.de

"Ziel muss es sein, neue Technologien zum Exportschlager zu machen"

Hat die Bundesregierung nun alle Hausaufgaben erledigt, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen oder gibt es noch Aufgaben für die nächste Bunderegierung?

Die nächste Bundesregierung wird darüber entscheiden, ob auch künftige Generationen noch gute Lebensbedingungen vorfinden, also ob wir es schaffen, die Folgen des Klimawandels mit Hilfe entsprechender Rahmenbedingungen und Maßnahmen ausreichend einzudämmen. Dabei müssen auch Bezahlbarkeit von Energie und Produkten, Versorgungssicherheit und Sozialverträglichkeit sichergestellt werden. 

Derzeit wird viel darüber diskutiert, dass Klimaschutz zu Verboten und Verzicht führt. Gibt es auch Chancen durch die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende und weiteren Klimaschutzmaßnahmen?

Die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende würde Antrieb für Innovation, Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung in Deutschland sein. Ziel muss es dabei sein, Technologien nicht nur zu erforschen und in der EU zu etablieren, sondern die neuen Technologien zum Exportschlager zu machen und damit Technologieführerschaft zu schaffen. Durch Technologieexport wird darüber hinaus auch eine Minderung der Treibhausgasemissionen weltweit motiviert.

Interview: Jochen Theloke

Ihr Ansprechpartner  
Dr.-Ing. Jochen Theloke
Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt  
E-Mail-Adresse: theloke@vdi.de

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