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Nachhaltige Kunststoffe aus Biomüll

Chemiker entwickeln Polyamide aus Abfällen

Unser Kunststoff besteht zu mehr als 95 Prozent aus Erdöl. Im täglichen Leben begegnen wir Kunststoff überall – sei es bei Verpackungen, im Leichtbau oder im Auto. Plastik ist in vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken. Doch der hohe Verbrauch an Erdöl ist eine ungeheure Ressourcenverschwendung, die die Umwelt belastet. Gibt es Alternativen?

Kunststoffe werden heute größtenteils synthetisch hergestellt. Hauptsächlich bestehen die Basisprodukte aus ungesättigten Kohlenwasserstoffverbindungen, darunter Erdöl, Kohle und Erdgas. Um unsere immer knapper werdenden Ressourcen zu schonen, sollen nachwachsende Rohstoffe wie Holz, Mais, Algen oder Zuckerrohr als Ausgang für die Kunststoffproduktion dienen.

Doch das Siegel „Bio“ erhält das Plastik dadurch nicht automatisch. Im Fachjargon spricht man hier von biobasiert. Denn ob ein biobasierter Kunststoff auch biologisch abbaubar ist, entscheiden die Zusatzstoffe. Damit sich das Plastik nicht schon nach kurzer Zeit zersetzt, sind chemische Stoffe unabdingbar.

Biopolymere können zukünftig einen wichtigen Beitrag leisten

„Auch wenn Biopolymere heute noch keinen großen Marktanteil an der Gesamtproduktion von Kunststoffen haben, so gewinnen sie doch immer mehr an Bedeutung. Derzeit haben Biopolymere einen geschätzten weltweiten Anteil von 1 bis 1,5 Prozent an der Gesamtkunststoffproduktion von 359 Millionen Tonnen jährlich und machen damit noch einen bescheidenen Anteil aus. Besonders im Zusammenhang mit den großen globalen Problemen, wie zum Beispiel Kunststoffabfälle im Meer, können Biopolymere zukünftig einen wichtigen Beitrag leisten“, so Dr. Achim Eggert vom VDI-Fachbereich Kunststofftechnik.

Auf der Suche nach neuen, nachhaltigen Plastiksorten, die nicht ausschließlich auf Erdöl basieren, sind Forscher vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) aus Stuttgart nun zu einem Ergebnis gekommen. Sie entwickelten völlig neuartige Polyamide auf Basis der biogenen Substanz (+)-3-Caren beruhen. Diese Substanz entsteht als Abfallprodukt während der Zelluloseherstellung.

Eine Alternative für den Kunststoff Polyamid finden

In den Meeren befinden sich Millionen von Tonnen an Plastikmüll, wie wir berichteten. Forscher suchen deshalb schon seit langem nach umweltfreundlichen Alternativen. Derzeit gibt es PET-Ersatzstoffe aus Bioabfällen und eine Alternative für Plastikkugeln in kosmetischen Peelings, die auf Zellulose basieren. Die größte Herausforderung war bislang eine Alternative für den Kunststoff Polyamid zu finden. Polyamide sind zum Beispiel auch in Nylonstrümpfen enthalten. Der Grund: Die Kunststoffart setzt sich aus Caprolactam-Molekülen zusammen, die wiederum aus erdölbasierten Cyclohexan produziert werden.

Dem Team um Paul Stockmann vom IGB spricht von einem Durchbruch mit dem biogenen Ausgangsstoff (+)-3-Caren. Diese Substanz kann mit geringem Aufwand aus Terpentinöl herausdestilliert werden. Viele Fabriken haben das Terpentinöl bislang nur verheizt. „Wir verwenden es als wertvollen Ausgangsstoff für Kunststoffe“, erklärt Sieber vom Fraunhofer-Institut.

Im Prozess veränderten die Chemiker die Ausgangssubstanz so, dass sie den stickstoffhaltigen Bausteinen der Polyamide ähnelte. Zum Hintergrund: Die Substanz von (+)-3-Caren besteht aus zwei aneinander hängenden Kohlenstoffringen. Indem die Forscher diesen Ring öffneten, konnten sich einige der Moleküle unter Bildung von Polymeren miteinander verbunden werden. Durch diesen Prozess sind Seitengruppen in der Polymerkette entstanden, die dem Stoff völlig neue Eigenschaften verleihen. Erst bei höheren Temperaturen beginnt das veränderte Polymer – im Gegensatz zu Erdölprodukten – zu schmelzen. Das macht den neuen Stoff attraktiv für zahlreiche Anwendungen.

Autorin: Sarah Janczura

Ansprechpartner im VDI:
Dr. Achim Eggert
VDI-Fachbereich Kunststofftechnik
E-Mail-Adresse: eggert@vdi.de

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