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Verantwortung für das 1,5-Grad-Ziel

Deutschlands Anteil an den globalen CO2-Emissionen

Bild: Roninjin/ Shutterstock.com

Die Frage nach dem Einfluss Deutschlands auf die Erreichung der Klimaziele ist hochkomplex. Klar ist, dass sich im Übereinkommen von Paris 195 Länder dazu verpflichtet haben, die Erhöhung der globalen, gemittelten Temperatur möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.

Aus diesem Ziel wurde eine Vielzahl von Maßnahmen abgeleitet. In der EU soll der Klimawandel unter anderem mit dem Green Deal aufgehalten werden, der bis 2030 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 anstrebt. Bis 2050 soll die EU dann vollständig klimaneutral sein. In Deutschland sollten diese Ziele neben anderen durch das Klimaschutzgesetz erreicht werden. Allerdings wurde dieses vor Kurzem durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Laut Urteil wird die jüngere Generation in ihren Freiheitsrechten verletzt, weil man ihnen einen Großteil der Bemühungen zur Treibhausgasreduktion zwischen 2031 und 2050 aufbürdet. Ein neues, ambitionierteres Klimaschutzgesetz ist daher in Arbeit.

Natürlich kann Deutschland nicht alleine für die Erreichung des weltweiten Klimaziels sorgen, aber wir müssen ein Teil der Lösung sein. Die Klimakrise ist ein globales Problem und muss flächendeckend angegangen werden. Dennoch fragen sich viele, ob denn Deutschland mit seinen knapp zwei Prozent Anteil an den weltweiten Treibhausgasemissionen überhaupt etwas bewirken kann, und ob sich die Mühe lohnt im Klimaschutz voranzugehen.

Es lohnt sich, im Klimaschutz voranzugehen

Zunächst ein Blick auf die weltweite Situation: Die Europäische Kommission stellt im Rahmen von EDGAR (Emissions Database for Global Atmospheric Research) Daten zu den fossilen CO2-Emissionen weltweit zur Verfügung. Deutschland war demnach 2019 für 702 Mio. t CO2-Emissionen verantwortlich, bereits viel weniger als noch 1990 (1.018 Mio. t CO2-Emissionen).  Von den weltweit 37,31 Mrd. t fossiler CO2-Emissionen im Jahr 2019 entfallen 1,85 Prozent auf Deutschland.

Das erscheint zunächst nicht viel, aber neben der bloßen Masse an ausgestoßenen CO2-Emissionen, muss man diese ins Verhältnis zu anderen Größen setzen – zum Beispiel der Bevölkerung. Deutschland stellt demnach circa 1,07 Prozent der Weltbevölkerung – also weit weniger, als unser Anteil an den weltweiten Emissionen. Wir emittieren also wesentlich mehr, als der Rest der Welt im Durchschnitt.

Mit unseren 8,523 Tonnen CO2 pro Person und Jahr (2019) sind wir schon unter den emissionsstärkeren Ländern – auch wenn andere Länder pro Person noch weit mehr ausstoßen. Der Blick auf die zehn größten Emittenten der Welt zeigt ein differenziertes Bild. China steht mit großem Abstand an der Spitze, gefolgt von den USA, Indien, Russland, Japan und Deutschland. Das berücksichtigt allerdings nicht, wie viele Einwohner ein Land hat oder wie stark es wirtschaftlich ist.

Es braucht auch bei den Emissionen einen Blick über nationale Grenzen

Bezieht man die jährlichen CO2-Emissionen auf die Einwohnerzahl, verschiebt sich das Bild grundlegend – in den vorgenannten Top-Ten rutscht Saudi-Arabien an die Spitze, gefolgt von den USA. Indien, aufgrund seiner hohen Einwohnerzahl, verursacht hingegen pro Kopf nicht mal ein Viertel der deutschen Emissionen – wenn auch bei grundverschiedenen Lebensstandards.

Bezogen auf die Wirtschaftsleistung ergibt sich nochmal ein anderes Bild. Bei den Emissionen pro 1.000 USD Bruttoinlandsprodukt und Jahr steht Deutschland gut da – Länder wie Iran und China vergleichsweise schlechter. Aber was heißt das nun? Als Land betrachtet gehören wir zu den zehn größten Klimasündern der Welt. Jeder von uns verursacht im Schnitt weit mehr CO2-Emissionen als der Rest der Weltbevölkerung. Da wir wirtschaftlich stark sind, tragen wir dabei zumindest stark zur Wertschöpfung bei.

Aber diese auf nationale Grenzen fokussierte Betrachtung ist nur die halbe Wahrheit. Wir treiben Handel mit der ganzen Welt. Und wir konsumieren Produkte, die in anderen Ländern (und auf deren CO2-Budget) produziert worden sind. Wir erhöhen durch unseren Konsum also vor allem auch die Emissionen von Niedriglohnländern – ohne, dass es uns in der Statistik angerechnet wird. Man darf also davon ausgehen, dass unser Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen noch weit höher ausfällt. Die Emissionen finden nur an anderer Stelle statt.

Unsere Konsumgütern verursachen auch Emissionen - nur an anderer Stelle

Die Verantwortung, CO2-Emissionen durch Konsum gering zu halten, scheint also gegeben. Aber unser Einfluss ist noch weit größer: Deutschland ist eines der größten Exportländer der Welt. Und als solches exportieren wir vor allem Güter aus den Bereichen Kraftwagen, Maschinen und weitere. Diese Güter werden in deutscher Verantwortung entwickelt, hergestellt und exportiert und dann in anderen Ländern genutzt. Bei Gütern wie Maschinen und Kraftfahrzeugen entsteht ein großer Teil der Emissionen aber erst in der Nutzungsphase – also wenn Maschinen in der Produktion oder Fahrzeuge auf der Fahrt Energie und andere Ressourcen verbrauchen.

Werden in Deutschland nun große Anstrengungen zur Entwicklung effizienter und klimafreundlicher Technologien unternommen, so wirkt sich das auch auf die exportierten Produkte und damit auf die Emissionen anderer Länder aus. Fast alle Länder, die unsere Güter importieren, gehören selbst zu den Unterzeichnern des Übereinkommens von Paris und werden perspektivisch klimafreundlichere Produkte einkaufen (müssen), um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Es ist also auch abseits vom Klimaschutz Deutschlands ureigenes Interesse mit der Zeit zu gehen und sich Exportmärke zu sichern oder als Vorreiter zu vergrößern.

Damit deutsche Unternehmen dies langfristig wettbewerbsfähig tun können, ist es aber auch wichtig, dass die Anbieter dieser Produkte Bedingungen vorfinden, in denen klimafreundliche Produkte wettbewerbsfähig sind (level playing field). Das heißt zum Beispiel, dass ein CO2-frei produzierter Stahl nicht in Konkurrenz zu klimaschädlichen Produkten aus anderen Weltregionen stehen darf. Das kann beispielsweise dadurch erfolgen, dass klimaschädliche Produkte durch einen Aufschlag so verteuert werden, dass sich die klimafreundlichen Alternativen auch für die Hersteller lohnen.

Deutschland hat erheblichen Einfluss auf die weltweiten CO2-Emissionen – direkt und indirekt

Also: Kann Deutschland wesentlich zur Erreichung des Klimaziels beitragen? Die Antwort ist komplex, aber Deutschland hat erheblichen Einfluss auf die weltweiten CO2-Emissionen – direkt und indirekt. Deutschland hat das Know-how und das Kapital, neue Technologien für eine nachhaltige Wirtschaft zu entwickeln, zu installieren und zu betreiben. Zunehmend wird dabei die digitale Verknüpfung von Stromerzeugung und Stromverbrauchern wichtig, um trotz stark fluktuierenden Stromangebots eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung zu gewährleisten. Gerade diese komplexe Vernetzung des neuen Energiesystems erfordert ein sehr gutes Systemverständnis. Als technischer Vorreiter sollte es in unserem besten Interesse sein, bei der Entwicklung zukunftsfähiger Technologien vorne mit dabei zu sein – und nicht zu warten, bis andere Länder es uns vormachen. Da das Erreichen des Klimaziels einen Umbau aller Volkswirtschaften erfordert, nicht nur im Bereich der Stromwirtschaft, sondern in allen Bereichen, werden große neue Märkte entstehen, und die deutsche und europäische Industrie hat die Chance, hier hervorragende Marktpotenziale zu realisieren.

Ansprechpartner im VDI:
Christian Borm, M. Sc.
VDI-Topthema Energie und Umwelt: das 1,5-Grad-Ziel
VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt
E-Mail-Adresse: borm@vdi.de 

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