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Ein Element verschwindet

Weshalb wir auf Phosphor nicht verzichten können

Bild: Singkham/ Shutterstock.com

Phosphor ist für alle Lebewesen und Pflanzen essenziell: Phosphorverbindungen sind Bestandteil der DNA- und RNA-Moleküle, der Trägersubstanz der Erbinformationen aller Lebewesen. Die stark phosphorhaltige Verbindung Adenosin-Triphosphat spielt zum Beispiel die entscheidende Rolle beim Energiestoffwechsel der Zellen.

Woher kommt Phosphor?

Phosphor ist ein chemisches Element mit dem Symbol P und der Ordnungszahl 15. Im Periodensystem der Elemente steht es in der fünften Hauptgruppe, der sogenannten Stickstoffgruppe. Der Name stammt aus dem Altgriechischen φωσφόρος phōsphóros und bedeutet „lichttragend“. Denn weißer Phosphor leuchtet bei der Reaktion mit Sauerstoff hell. Phosphor entstammt den Neutrinoquellen des Kosmos, also den Supernovae. In deren Zentrum fusioniert Wasserstoff zu Helium, dieses zu Kohlenstoff und Sauerstoff, und diese wiederum zu Silizium, Phosphor und Schwefel und schließlich zu Eisen, Kobalt und Nickel. Dies führt schließlich zum Kollaps des Sterns.

Obwohl Phosphor in der Natur in niedrigen Konzentrationen ubiquitär vorkommt, stellt Phosphor eine nicht-erneuerbare Ressource dar. Denn gelangt Phosphor beispielsweise in gelöster Form als Phosphat in das Grundwasser oder in die Weltmeere, so geht es für eine Wiedergewinnung verloren. Zudem sind die globalen Vorkommen limitiert, phosphatreiche Mineralien konzentrieren sich auf nur wenige Staaten wie China und die USA. Die mit Abstand größten Phosphat-Reserven besitzt Marokko.

Phosphor als Dünger

In der Natur kommt Phosphor nicht elementar vor, sondern in Form von Phosphaten. Weil sich Phosphor nicht ersetzen lässt, rückt die Nährstoffzufuhr im Agrarwesen bei gleichzeitiger Verknappung von fruchtbaren Böden mit Blick auf eine stetig wachsende Weltbevölkerung von derzeit etwa 7,5 Mrd. Menschen immer mehr in den Fokus. Übrigens: Der Tagesbedarf eines erwachsenen Menschen beträgt circa 0,75 Gramm Phosphor; vor allem in Milchprodukten, Fleisch, Fisch und Brot ist er reichhaltig vorhanden. 

Wegen intensiver Landwirtschaft sind viele Böden unterversorgt und bedürfen der Anreicherung mit Stickstoff, Phosphor und Kalium (N-P-K-Dünger). Üblicherweise verarbeitet man Rohphosphat zu Düngemitteln. Dies entspricht etwa 85 Prozent der gesamten Phosphat-Fördermenge. Diese Phosphatdüngemittel sind notwendig, um die Pflanze mit Phosphor zu versorgen und damit das Wachstum anzuregen.

Da heimische Vorkommen fehlen, besteht für Deutschland eine hundertprozentige Importabhängigkeit. Gleichzeitig stuft die EU-Kommission Phosphat als kritischen Rohstoff ein. Auch wenn das Versorgungsrisiko seitens der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) als mittel eingestuft wird, bleiben geopolitische Unwägbarkeiten sowie Preisschwankungen durch unerwartete Nachfrageschübe aus Drittstaaten ein ernstzunehmendes Risiko für die heimische Volkswirtschaft. Ungefähr 90 Prozent der globalen Phosphorproduktion findet als Dünger in der Landwirtschaft Verwendung; circa die Hälfte der deutschen Phosphatimporte dienen zur Herstellung von Chemieprodukten.

Herausforderung Klärschlamm

Aus diesen Gründen rückt die Sicherung der Rohstoffbasis für Phosphat zunehmend in den Fokus: Vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es zunehmend Versuche, die über ein wirkungsvolles Phosphatrecycling die bestehende Versorgungsabhängigkeit entschärfen wollen. Als wichtigste einheimische Rohstoffquelle werden stets die Schlämme aus Kläranlagen genannt. Die rund zwei Millionen Tonnen Klärschlammmasse, die kommunale Kläranlagen jedes Jahr aus Deutschlands Abwässern gewinnen, enthalten etwa 60.000 Tonnen Phosphor. Sie bilden damit die mengenmäßig bedeutendste anthropogene Rohstoffquelle für Phosphat. 

Weil diese Klärschlämme aber auch durch Schwermetalle, Medikamentenreste, synthetische Polymere – also Mikroplastik-Anteile – und vieles andere mehr belastet sind, können sie nicht unkontrolliert und unaufbereitet als Dünger auf die Felder ausgebracht werden. Daher wird der Stoff bislang meist energetisch genutzt und verbrannt. Zwar steht in der Klärschlammaufarbeitung eine breite Palette an Technologien zur Verfügung, doch um qualitativ hochwertige Dünger zu produzieren, müssen nicht nur die genannten Verunreinigungen entfernt werden, sondern auch die Bioverfügbarkeit der Produkte gegeben sein. Das heißt, Pflanzen müssen in der Lage sein, die Verbindungen aufzunehmen und zu verwerten. 

Zu diesen technischen Herausforderungen kommen gesetzliche Rahmenbedingungen. Zum einen müssen die Produkte die Zulassung gemäß der Düngemittelverordnung durchlaufen. Zum anderen zwingt die Klärschlammverordnung die Klärwerksbetreiber in den nächsten Jahren zu grundlegenden Investitionen in Sachen Phosphor-Recycling: Wenn der Klärschlamm mehr als 20 Gramm Phosphor pro Kilogramm Trockenmasse enthält, müssen Klärwerke mit über 100.000 Einwohnern den Phosphor ab dem Jahr 2029 zurückgewinnen. Ab dem Jahr 2032 ist dies dann auch für kleinere Kläranlagen Pflicht. Zwar lässt die Klärschlammverordnung die technischen Aufbereitungswege weitgehend offen, doch bislang hat sich kein Verfahren, mit dem das gelingen könnte, großtechnisch bewährt.

VDI-Wettbewerb chemPLANT 2022

Diesen technischen Herausforderungen widmet sich der VDI-Wettbewerb chemPLANT 2022 der kreativen jungen Verfahrensingenieure (kjVI): Die diesjährige Aufgabe besteht in der Entwicklung eines Gesamtverfahrens für einen frei wählbaren Prozess, um aus einer oder mehreren beliebigen Sekundärquellen hochwertigen Phosphatdünger (Fest- oder Flüssigdünger) herzustellen. Neben Vorgaben zur Qualität und Quantität sollen bei der Konzept- und Verfahrensentwicklung auch der Innovationscharakter sowie Nachhaltigkeits- und Wirtschaftlichkeitsaspekte betrachtet werden. Alle Infos zum chemPLANT-Wettbewerb 2022 und zur Aufgabe Phosphorrecycling finden sich hier.

Autorin und Ansprechpartnerin:
Dr. rer.nat. Ljuba Woppowa
VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen
Telefon: +49 211 6214-314
E-Mail-Adresse: woppowa@vdi.de

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