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In den Orgelbau-Werkstätten in Werder

Bericht der Veranstaltung "Vor Ort: Kunst des Orgelbaus" am 16.01.2025

Der Arbeitskreis Besichtigungen hatte die Möglichkeit die Firma Alexander Schuke in Werder zu besuchen.

Schuke ist nach ein wie vor trotz mehrerer sich ändernder Besitzverhältnisse in der  Kriegs-, Nachkriegs- und Enteignungszeit familiengeführter Betrieb mit einer über 200 Jahre alten Erfolgsgeschichte.

Herr Dr. Zscherpel führte uns. Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte und die Arbeitsgebiete der Firma Schuke gingen wir in die Werkstätten.

Zuerst sahen wir ein einfaches Modell einer Orgel, an der Herr Dr. Zscherpel verschiedene Bauteile und Funktionen (Register, Pfeifen, Windführung, Magazinbalg uvm). erklärte. Dann sahen wir zuerst die Zinn- und anschließend die Holzwerkstatt.

Schuke baut nicht nur Orgeln, sondern repariert und restauriert vorhandene Instrumente und übernimmt auch die Pflege und Wartung von Orgeln.

Die Hauptmaterialien im Orgelbau sind Zinnlegierungen und Holz.

Die Legierungen enthalten Zinn und Blei (etwa 2/3 zu 1/3) und kleine Mengen wie Kupfer und Antimon. Die Mischung zwischen Zinn und Blei bestimmt die Klangfarbe der Orgelpfeife und auch deren Glanz. In Pfeifen für den Orgelprospekt sind immer höhere Zinnanteile vorhanden.

Für den Neubau der Orgeln werden heimische Hölzer wie Eiche, Kiefer und Fichte eingesetzt. Bei Reparaturen und Restaurierungen setzt man die im Instrument verbauten Hölzer ein. Ist dabei der Einsatz von Tropenholz erforderlich, sucht man auf dem Markt nach nachhaltigem Tropenholz. Die Hölzer müssen langsam 5 bis 10 Jahre getrocknet sein. Kammergetrocknete Hölzer werden bei Windladen, Pfeifen und Kanälen nicht verwendet. Die Hölzer werden vor allem zum Bau der Gehäuse der Orgel und für den Bau von Holzpfeifen eingesetzt.

In der Zinnwerkstatt ist der erste Arbeitsgang das Schmelzen der Legierung, die dann im zweiten Arbeitsgang auf einem Gießtisch zu Platten vergossen wird. Der Gießtisch besteht aus zwei langen Sandsteinen, die mit einem feuerfesten Stoff (hier wird Feuerwehrkleidungsstoff verwendet) und einem Moltontuch bezogen sind. Diese aufwendige Konstruktion ist erforderlich, damit die gegossene Platte langsam und absolut blasenfrei abkühlen kann.

Die Schmelze wird in einen Gießkasten gegossen, der über den Gießtisch gezogen wird. Dabei wird die Platte hergestellt. Eine Seite des Gießkastens hat ein höhenverstellbares Brett, mit dem die Dicke der zu gießenden Platte Blechs eingestellt wird. Die Platten haben Dicken von 2,5 bis 8 mm.

Das vollständig erkaltete Blech wird anschließend auf eine 1 m Durchmesser große Trommel einer Drehmaschine aufgespannt und mit einem Hobelstahl auf die gewünschte Dicke abgedreht. Eine erst kürzlich erneuerte Steuerung ermöglicht es, die aufgespannten Platte konisch herzustellen, denn die Wanddicke der Orgelpfeife nimmt von unten nach oben ab. Nach dem Hobeln werden die fertigen Platten mit einer blauen Schutzfolie überzogen oder mit einem Kreideanstrich geschützt.

Im Nebenraum werden die Platten dann mit eigens entwickelten Biegemaschinen zu zylindrischen Körpern geformt. Die Naht wird anschließend verlötet.

In einem anderen Arbeitsgang werden die Füße mit dem Labium (dem Ton erzeugenden Teil) der Pfeifen gefertigt. Das ist ein komplizierter Arbeitsgang und bedarf höchster Sorgfalt und Genauigkeit.

Ist der Fuß mit dem Körper der Pfeife verbunden, geht die Orgelpfeife zum Intonateur, der die  Pfeifen auf den vorgesehenen Klang abstimmt. Dazu werden alle Töne auf eine Testwindlade gestellt.

In der Holzwerkstatt werden das Orgelgerüst, das Gehäuse, Windkanäle und Bälge, die Windladen und einige Orgelpfeifen aus Holz hergestellt.

Eiche wird vor allem für das Orgelgerüst und die Windladen eingesetzt. Bei sehr engen Platzverhältnissen verwendet man für das Gerüst statt Holz auch eine Stahlkonstruktion. Die Stabilität des Orgelgerüstes ist außerordentlich wichtig, da die Orgelpfeifen, insbesondere die großen, sehr schwer sein können (über 100 kg pro Stück).

Reparaturen und Restaurierungen können sehr anspruchsvoll und auch sehr schwierig sein. Erschwerend kommt hinzu, dass erst bei diesen Arbeiten  unentdeckte Fehler und Schäden erkennbar werden, die u.U. mehr Zeit, andere Arbeitsschritte o.a. erforderlich machen.

Der Bau einer großen neuen Orgel, ihr Aufbau und die Inbetriebnahme dauern etwa drei Jahre. 3 Monate Konstruktion, 2 Jahre Bauzeit, 3 Monate Montage und 2 Monate Intonation. Daraus ergeben sich ggfs. für die Mitarbeiter lange  Abwesenheitszeiten von zu Hause und Familie. Auch dieses gehört zum Beruf eines Orgelbauers dazu. Die Ausbildung dauert 3,5 Jahre.

Nachwuchsmangel gibt es bei Schuke nicht. In der Firma Schuke sind im Augenblick 21 Mitarbeitende inkl. dreier Auszubildende beschäftigt. Orgelbauer benötigen ein breit gefächertes Fachwissen, die Fähigkeit zu Genauigkeit und Geduld als auch sich auf neue Herausforderungen einzustellen.

Hochachtung für dieses Handwerk!

Es war eine sehr spannende, interessante und auch lehrreiche Führung durch die Werkstätten. Wir danken Herrn Dr. Zscherpel für die exzellente Führung.

 

Horst Marczinske, Dipl.-Ing.
Arbeitskreis Besichtigungen

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