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VDI-FVT-Symposium in Dresden diskutiert neue Antriebskonzepte

Am 22. Juni fand das VDI-FVT-Symposium „Der Wettbewerb von Antrieben und Energiequellen zur Dekarbonisierung der Mobilität“ als Gemeinschaftsveranstaltung mit dem Verkehrsmuseum Dresden statt. Rund 80 Teilnehmer waren der Einladung in das Verkehrsmuseum gefolgt.

Die Verkehrswende mit dem Ziel, die Klimaneutralität durch den Ausstieg aus den fossilen Kraftstoffen zu unterstützen, ist ein derzeit hitzig diskutiertes Thema in Politik, Gesellschaft und in der Automobil­industrie. Lösungsansätze gibt es mittlerweile viele, aber es zeichnet sich noch kein endgültiger Weg ab, um die Verbrennungsmotoren vollständig zu ersetzen. Die Einbeziehung neuer Erkenntnisse in die Weiterentwicklung alternativer Antriebssysteme muss über einen ständigen Austausch geführt werden, denn klar ist, dass nur ein intelligenter, anwendungsbezogener Mix aus verschiedenen Technologien das ambitionierte Klimaziel im Verkehrssektor Realität werden lässt. Politische Vorgaben drohen die notwendige Technologieoffenheit abzuwürgen. Es zeichnen sich große Herausforderungen ab, um die festgesetzten Ziele zu erreichen. Unabhängig von diesen Faktoren steht die Frage, ob und wie individuelle Mobilität bezahlbar bleiben wird.

Nach der Begrüßung durch den Direktor des Verkehrsmuseum Dresden, Herrn Dr. Michael Vogt, und der Einleitung durch den Leiter des Dresdner Arbeitskreises Fahrzeug- und Verkehrstechnik, Herrn Dipl.-Ing. Uwe Bastian, gab Prof. Dr. Gennadi Zikoridse (Forschungsinstitut Fahrzeugtechnik der HTW Dresden) in seiner Keynote „Chancen und Risiken für die postfossile Mobilität“ einen Überblick über die derzeitige Situation. Die Antriebsarten batterieelektrische Antriebe, Antriebe mit Brennstoffzellen, Hybridantriebe mit e-Fuels und Verbrennungsmotoren mit Wasserstoff stehen grundsätzlich unter Nutzung regenerativ erzeugten Energien zur Verfügung. Die Wahl des Antriebes wird dabei vom jeweiligen Anwendungsfall abhängen. Während im städtischen Individualverkehr batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge deutliche Vorteile haben werden, sieht es bei den Nutzfahrzeugen anders aus, wie auch Erfahrungen z.B. aus Japan belegen. Kritisch sah Prof. Zikoridse ein grundsätzliches Verbot von Verbrennungsmotoren (auch für synthetische Kraftstoffe), wie es derzeit in der EU diskutiert wird. Er nannte dafür 5 Gründe:

  • Die Umsetzung der Energiewende bis 2035 hinsichtlich Deckung des Strombedarfes, der Versorgungssicherheit und die Schaffung einer belastbaren Infrastruktur ist derzeit noch fraglich.
  • Das Verbot von E-Fuels verkennt, dass Verbrennungsmotoren fast CO2-frei betrieben werden können. Wird erneuerbarer Strom getankt, sind Elektromobile erst nach 13 Jahren ökologischer als vergleichbare Verbrenner.
  • Die Vielfalt der Antriebsarten hält uns unabhängiger, insbesondere von wertvollen, schwer beschaffbaren Rohstoffen.
  • Unbestritten ist der Jobverlust in der Automobilindustrie durch diese Umstellung.
  • Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist noch nicht ausreichend vorhanden, die Mehrheit möchte noch nicht auf alternative Antriebe umstiegen – die Gründe hierfür sind vielfältig

Abschließend unterstrich Prof. Zikoridse die Notwendigkeit einer Technologieoffenheit, um alle Optionen offen zu halten. Allein nur durch die Elektromobilität werden sich die sehr ambitionierten Ziele im Spannungsfeld Klimaschutz – Verkehr/Transport - Wirtschaftlichkeit  nicht erreichen lassen, wir werden auch klimaneutral betankte Verbrennungsmotoren benötigen. Die Folien seiner Keynote finden Sie hier.
 

Frau Dr. Franziska Müller-Langer vom Deutschen Biomasseforschungszentrum in Leipzig erläuterte in ihrem Vortrag „Synthetische Kraftstoffe - Stand und Perspektiven“, dass die gesetzten Ziele zur Emissionsreduzierung nur durch ein Zusammengehen von Energie- und Verkehrswende gelingen werden. Dazu müssen alle verfügbaren Optionen zur Vermeidung und Verlagerung von Verkehr, weiterhin der Ersatz von herkömmlichen Kraftstoffen durch erneuerbare Varianten und der Einsatz alternativer Antriebe, sowie eine wesentlich bessere digitale Vernetzung in den beiden Bereichen Energie und Verkehr schnell und effektiv voran gebracht werden. Biokraftstoffe spielen in den Betrachtungen zu alternativen Kraftstoffen bislang eine größere Rolle als öffentlich wahrgenommen, nicht zuletzt, weil sie Teil der Bioökonomie sind und in der Regel in Multiproduktanlagen hergestellt werden. Sie bedienen als sog. „Koppelprodukte“ damit mehrere etablierte Wertschöpfungsketten, weisen aber eine große Produktverifizierung auf. Im Folgenden erläuterte Frau Dr. Müller-Langer die vielfältigen Technikrouten, Synergien und Wertschöpfungen, an deren Ende Produkte wie Bioethanol, Biodiesel, Methan/Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe u.a. stehen. Allerdings bedeutet es einen erheblichen Aufwand für die jeweiligen Kraftstoffarten, um aus der Technologiephase, der sich anschließenden Kraftstoffqualifizierung bis zur marktfähigen Einsatzphase zu gelangen, letztere müsste 2030 abgeschlossen sein.

Mit dem provokanten Titel „Ausgedieselt? E-Mobilität mit Batterien, Wasserstoff und Brennstoffzellen“ analysierte Prof. Dr. Thomas von Unwerth, TU Chemnitz, die Herausforderungen an die alternativen Antriebstechnologien. Der Dieselmotor als die effektivste Variante des herkömmlichen Verbrenners weist viele Vorzüge auf, die nicht so ohne weiteres durch andere Antriebsarten einfach ersetzt werden können. Allerdings beschrieb er auch die sich ergebenden Chancen, die darin bestehen, neue Technologien, neue Funktionen und neue Tools zu erschließen, daraus folgend werden neue Geschäftsmodelle entstehen, die neue Player am Markt und damit auch neue Arbeitsplätze generieren werden. Brennstoffzellenfahrzeuge im PKW-Bereich wurden vor allem von Toyota entwickelt, deren Leistungsparameter und Preise sich jetzt in bekannten Größenordnungen zu den herkömmlichen Verbrennerfahrzeugen bewegen. Im Transporter-Segment und bei den schweren LKW gibt es ebenfalls ermutigende Studien. Wasserstoffantriebe werden ein Teilbereich der zukünftigen Mobilität sein, aber Wasserstoff – obwohl ein „Multitalent“ und für eine ausgewählte Sektorenkopplung sehr geeignet - wird nicht allein die Verkehrswende bestreiten können. Auch Professor von Unwerth plädierte für eine technologieoffene, anwendungsbezogene Weiterentwicklung der verschiedenen Antriebsarten.

Dr. Sebastian Kahlbau, consulting4drive GmbH (einer IAV-Tochter), beschäftigte sich in seinem Vortrag „Bewertung von Antriebssträngen heute - Wieviel Klarheit bringt die Analyse über den Lebenszyklus?“ mit der Frage, ob die derzeit angestrebte Transformation der Mobilität eher eine Evolution oder eine Revolution ist. Der motorisierte Individualverkehr dominiert und ist seit Jahren leicht im Steigen. Die spannende Frage ist, ob es wohl eher Veränderungen im Mobilitätsverhalten der Menschen als in den entsprechenden Antriebsarten sein werden, die die emissionsfreie Mobilität der Zukunft bestimmen werden. Betrachtet man die Wirkungsgrade (wobei diese auch durch die Bilanzgrenzen mit bestimmt werden), so sehen diese für batterieelektrische Fahrzeuge mit rund 80% zweifelsfrei am besten aus. Dennoch bliebt hier die Frage, wie die entsprechenden Mengen an Elektroenergie im neuen Energiemix bereitgestellt werden sollen. Die Bundesregierung hat dazu noch keine konkreten Zielbilder vorgegeben. In dieser Situation sollten alle Kriterien herangezogen und aus verschiedenen Perspektiven begutachtet werden, um eine optimale Lösung zu finden. Insgesamt gesehen liegen BEV und FCEV in ähnlichen Bereichen und sind somit zulässige Alternativen auch im PKW-Bereich, wenn man nur den CO2-Fußabdruck betrachtet.

"Die aktuellen Unterstützungsmöglichkeiten und Förderstrategien des BMDV zu klimafreundlicher Mobilität" erläuterte Frau Juliane Reimer der NOW GmbH, Berlin. In ihrem umfangreichen Vortrag wurde das Ziel des Bundesverkehrsministerium deutlich, eine Koordination der zahlreichen Förderprogramme, der Technologieberatung sowie der Organisation von Netzwerken als abgestimmtes Portfolio mit der Zielrichtung der Verminderung der Emissionen, insbesondere von CO2, aufzubauen. Bestehende gesetzliche Regelwerke des Bundes und der EU werden durch gezielte strategische Vorgaben des Bundes und der EU ergänzt und münden schließlich in den Förderprogrammen - ebenfalls des Bundes und der EU. Als Beispiele erläuterte sie die "Nationale Wasserstoffstrategie" und  die "Power-to-Liquid" Strategie der Bundesregierung. Die Förderlandschaft wird dabei in zwei große Bereiche unterteilt: der technologiespezifischen Förderung (Elektromobilität, Ladeinfrastruktur, Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie) sowie der technologieübergreifenden Förderung (Nutzfahrzeuge, Busse, Schienenfahrzeuge). Es wurde das Bemühen der Bundesregierung sichtbar, neben der finanziellen Unterstützung auch Planungs- und Investitionssicherheit durch politische Rahmenbedingungen zu sichern (bürokratische Hürden abbauen, Entwicklung zukunftsgerichteter Geschäftsmodelle), den gegenseitigen Austausch und die Zusammenarbeit zu verbessern und letztlich mit der Entwicklung vielfältiger Mobilitätskonzepte für verschiedene Räume und Anwendungsszenarien auch die Akzeptanz in der Gesellschaft zu erhöhen. Den Foliensatz zu diesem Vortrag hatte uns Frau Reimer zur Verfügung gestellt, Sie können diesen hier herunter laden.

Abschließend zur Veranstaltung fand eine Podiumsdiskussion unter der Leitung von Dirk Vogel, RKW Sachsen, statt, an der Dr. Kahlbau, Professor von Unwerth und Professor Zikoridse teilnahmen und sich den Fragen der Teilnehmer an der Veranstaltung stellten. Schwerpunkte der Diskussion lagen u.a. in den Fragen, warum die EU synthetische Kraftstoffe möglicherweise nicht zulassen wird, wie unsere Verkehrsinfrastruktur ab 2035 aussehen wird und welche Voraussetzungen dafür zu schaffen sind, sowie ob neue Ladekonzepte erkennbar sind.

Das FVT-Symposium war eine sehr gelungene Veranstaltung, wir danken dem Verkehrsmuseum Dresden, Herrn Dr. Vogt und seinen Mitarbeiter:innen  für die Unterstützung!

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