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Für die Tonne

Sind Biokunststoffe im Bioabfall ein Problem?

Bild: Mike Egelhof / Asdonkshof

Mit einem Störstoffanteil von von mehr als drei Prozent ist Bioabfall zur Herstellung eines gütegesicherten hochwertigen Komposts schon nicht mehr geeignet. 

VDI: Wie groß ist der Anteil an Fremdstoffen im Bioabfall? Was machen davon die Kunststoffe aus? 

Egelhof: Der Jahresfremdstoffanteil im angelieferten Biogut am Asdonkshof unterliegt jahreszeitlich bedingten Schwankungen. Besonders in der Winterzeit ist der Fremdstoffanteil meist erhöht. Die Störstoff-Bandbreite liegt durchschnittlich zwischen einem und drei Prozent (alle Prozentangaben als Gewichtsanteil), in Ausnahmefällen darüber. Dazu muss man wissen: Mit einem Störstoffanteil von drei Prozent oder mehr ist Biogut zur Herstellung eines RAL-gütegesicherten hochwertigen Komposts schon nicht mehr geeignet. Genaue Analysenwerte zur Folienverunreinigung im angelieferten Bioabfall liegen uns derzeit nicht vor. Die erfahrenen Mitarbeiter am Asdonkshof beurteilen das Material anhand des visuellen Eindrucks – bei zu starkem Verschmutzungsgrad muss es komplett als Restmüll entsorgt werden. 

Biokunststoffe brauchen zu lange, bis sie vollständig abgebaut sind

VDI: Was ist das Problem mit den sogenannten Biokunststoffen (zum einen aus biologischen Materialien hergestellte Kunststoffe, zum anderen biologisch abbaubare Kunststoffe)? 

Egelhof: Aktuell werden die enthaltenen Fremdstoffe im Biogut im Kompostwerk am Asdonkshof an einem Leseband von unseren Mitarbeitern händisch entfernt. In dieser Vorabsortierung sind sowohl biobasierte als auch biologisch abbaubare Kunststoffe nicht von konventionellen Plastiktüten zu unterscheiden. Das gilt aber auch für eine rein maschinelle Vorabsortierung. Durch die Sortierung geht zudem wertvolles organisches Material verloren, wenn Biogut in zugeknoteten Tüten aus den unterschiedlichen Materialien komplett aussortiert werden muss und damit im Restmüll landet.  

Biokunststoffe - sowohl biobasierte als auch biologisch abbaubare - sind nicht per se umweltfreundlich. Tüten aus diesem Material erfüllen bereits die Normen DIN EN 13432 beziehungsweise DIN EN 14995, wenn sich nach 12 Wochen 90 Prozent der Tüte in einer Kompostierung aufgelöst haben, die größer als zwei Millimeter sind und wenn nach sechs Monaten mindestens 90 Prozent der Tüte biologisch abgebaut sind. Innerhalb des sechs- bis achtwöchigen aeroben Kompostierungsprozesses in einem nach dem Stand der Technik errichteten und betriebenen Kompostwerk werden solche "kompostierbaren" Beutel demzufolge keinesfalls vollständig biologisch abgebaut.

Abnehmer von Komposten aus der Verarbeitung von Bioabfällen erwarten, dass die Produkte frei oder weitgehend frei von Fremdstoffen sind. Für optisch auffällige Folienkunststoffe gilt dies in besonderem Maße.

Zusätzliche Anmerkung: Das Abbauverhalten von biobasierten, aber auch erdölbasierten Kunststoffen ist in Vergärungsanlagen (anaerobe Verfahren zur Erzeugung von Biogas) als deutlich schwieriger einzustufen. Es findet oftmals kein Abbau während der Vergärung statt. Bei den Prüfungen nach den zitierten Normen im Rahmen einer Zertifizierung steht vor allem der aerobe biologische Abbau und damit die Eignung zur Kompostierung im Vordergrund.

Die maschinelle Sortierung entfernt nicht alle Kunststoffteile

Gibt es Techniken, die Kunststoffe maschinell auszusortieren? 

Egelhof: Ja, eine maschinelle Sortierung ist sowohl vor als auch nach dem Kompostierungsprozess möglich. Üblich ist das Sortieren nach der Kompostierung (Feinaufbereitung). Folgende Techniken können einzeln oder kombiniert eingesetzt werden: 

  • Absiebung (je feiner, desto weniger Folienanteil verbleibt im Endprodukt)
  • Windsichtung (Trennung über einen Luftstrom, wobei schwebfähige Teilchen mit dem Luftstrom mitgerissen werden)
  • NIR-Technik (Nahinfrarot; sehr kostenintensives sensorgestütztes Trennverfahren)

Die Abscheideleistung solcher Techniken liegt aktuell bei ca. 95 Prozent. Wenn Bioabfälle bis zu 3 Prozent Fremdstoffe enthalten und 95 Prozent dieser Fremdstoffe abgetrennt werden, wird die geltende Begrenzung der Düngemittelverordnung gerade noch eingehalten. 

Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass trotz technisch ausgereifter maschineller Sortierung bei zu stark verunreinigtem Input von > 3 Prozent die Qualitätsziele der BGK beziehungsweise der Düngemittelverordnung nicht mehr eingehalten werden können!  

Wenn ja, können aussortierte Kunststoffe noch einer stofflichen Verwertung zugeführt werden? 

Egelhof: Nach meiner Einschätzung ist die stoffliche Verwertung von (Bio-)Kunststoffen aus der Kompostierung derzeit nicht sinnvoll und unwirtschaftlich. Die Folien sind zum größten Teil sehr stark mit Restanhaftungen verschmutzt und dazu noch sehr kleinflächig. Eine Unterscheidung dieser Kunststoffe nach biobasierter oder erdölbasierter Herkunft ist dann fast unmöglich und mit der gängigen Sortiertechnik auch nicht mit vertretbarem Aufwand machbar! 

Was bedeutet ein zu hoher Kunststoffanteil im Bioabfall im ungünstigsten Fall? 

Egelhof: Ein zu hoher Störstoffanteil im Bioabfall mindert zwangsläufig die Qualität des Endproduktes. Denn obwohl innerhalb der Prozesskette Kunststoffe weitgehend abgetrennt werden können, desintegrieren sich die Reste nicht vollständig innerhalb des verfügbaren Zeitraumes: Partikel >1mm - auch solche von Biokunststoffen - werden so im Nachgang bei der Bewertung der Flächensumme als Verunreinigungen erfasst. Ziel muss es daher sein, dass ein sortenreiner Bioabfall angeliefert wird. Hier kommt es auf eine entsprechende Sensibilisierung des Bürgers und des Gewerbes an. Bei Nichteinhaltung des Grenzwertes wird das Gütezeichen entzogen. 

Auch Biokunststoffe gehören in die gelbe Tonne!

Ist es (aus ihrer Sicht) dann überhaupt sinnvoll sogenannte Biokunststoffe anstelle von erdölbasierten Kunststoffen zu nutzen? 

Egelhof: Grundsätzlich begrüße ich jede Anstrengung, Plastik zu vermeiden. In vielen Fällen kann daher der Ersatz von Plastik durch Biokunststoffe sinnvoll sein. Dies gilt aber nur dann, wenn diese Stoffe auch richtig entsorgt werden und der vermeintliche "Ökoeffekt" nicht zu einem noch höheren Ressourcenverbrauch anstelle einer möglichen Wiederverwertung führt. Bei zahlreichen Produkten wird – sicher teilweise auch als Marketinginstrument – kommuniziert, dass sie "kompostierbar" seien. Angefangen bei verschiedenen Verpackungen über Einweggeschirr bis hin zu Kaffeekapseln. Nach dem Kauf dieser Produkte entsorgen die Menschen sie dann mit gutem Glauben in der Biotonne. All diese Produkte gehören aber in die gelbe Tonne bzw. Restmülltonne! So ist es übrigens auch in der Bioabfallverordnung festgelegt. Das einzige Biokunststoff-Produkt, welches in einer Biotonne entsorgt werden darf (wenn dies die zuständige Gebietskörperschaft zulässt!), sind Vorsortierbeutel aus biologisch abbaubaren Werkstoffen, die wie bereits erläutert aber in der Regel auch als Störstoff aussortiert werden (müssen). Wenn ich es mir wünschen dürfte, würden alle Bürger*Innen im Kreis Wesel nur den Inhalt jeglicher Beutel in ihre Biotonne kippen und die Beutel selber in der Restmülltonne entsorgen. 

Mike Egelhof ist Abteilungsleiter stoffliche Behandlungsanlagen bei der Kreis Weseler Abfallgesellschaft, Abfallentsorgungszentrum Asdonkshof in Kamp-Lintfort 

Das Interview führten Hanna Seefeldt und Dr. Christoph Sager

Fachliche Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Christoph Sager M. Techn.
VDI/DIN-Kommisssion Reinhaltung der Luft
E-Mail-Adresse: sager@vdi.de  

Hanna Seefeldt
VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt
E-Mail-Adresse: seefeldt@vdi.de 

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