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Tracing-App: Datenschutz in Krisenzeiten

Alle Chancen gegen Corona nutzen

Aus Sicht von Virologen birgt die Digitalisierung ein bis dato ungenutztes Potenzial. Denn die Intention, mit digitalen Tools wie einer Tracing-App Informationen zu sammeln, inwiefern sich das neuartige Coronavirus unter den Menschen ausbreitet, könnte schließlich Leben retten. Doch wie steht es um den Aspekt Datenschutz?

Menschen sollen zuhause bleiben. Geschäfte sind weitestgehend geschlossen; lediglich für die Grundversorgung ist gesorgt. Da dies kein Dauerzustand sein kann, suchen diverse Industriezweige und Forschungseinrichtungen nach neuen Verfahren, Wegen und Hilfsmitteln. Alle Ansätze dienen dem Zweck, herauszufinden inwieweit sich die aktuelle Corona-Krise in den Griff bekommen lässt.

Die Möglichkeiten der Digitalisierung kommen bislang nur eingeschränkt zum Einsatz, um Informationen über die Ausbreitung des Coronavirus zu erheben und vor allem die Erfassung der Ausbreitung zu meistern. In digitalen Tools sehen Virologen ein bislang ungenutztes Potenzial. Konkret geht es ihnen schließlich darum, Kontakte so früh wie möglich über die Inkubationszeit von zehn bis 14 Tagen zurückverfolgen zu können.

Alle Möglichkeiten nutzen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen

Eine derartige Analyse funktioniert am besten automatisiert, da sich kaum jemand im Detail daran erinnern kann, wo er sich zu welchem Zeitpunkt aufgehalten hat und mit welchen Personen er in Kontakt stand. Führt man sich das mal in einer ruhigen Minute vor Augen, dann wird dies einem schnell klar. Daher könnten automatisch erfasste Smartphone-Informationen, die eine Tracing-App aggregiert, eine gewinnbringende Lösung für unser aller Wohl sein.

„Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, die uns zur Eindämmung der Corona-Krise zur Verfügung stehen – auch die digitalen. Damit meine ich die sinnvolle und verantwortungsbewusste Nutzung von Daten, die über Mobilfunkgeräte zur Verfügung gestellt werden können“, sagt Dr.-Ing. Kurt D. Bettenhausen, Vorsitzender Digitale Transformation des VDI.

Andererseits existiert die berechtigte Befürchtung, dass bei der uneingeschränkten Nutzung von Mobilfunkdaten gegen den Datenschutz verstoßen wird. Das sei „verständlich“, sagt Bettenhausen, „allerdings kann man dies lösen, wenn man nur lokale Daten nutzt.“ Dafür eignen sich insbesondere Bluetooth-Technologien als Ansatz.

Wird der Besitzer eines Mobiltelefons positiv auf Covid-19 getestet ...

Die Idee ist, dass ein Mobiltelefon über die Bluetooth-Funktion erkennt, ob, über welchen Zeitraum und in welcher Intensität es im Kontakt mit einem anderen Mobiltelefon war. Beide Geräte zeichnen die Ident-Nummer des jeweils anderen Gerätes auf. Wird der Besitzer eines Mobiltelefons positiv auf Covid-19 getestet, warnt die App den Nutzer des anderen Mobiltelefons – allerdings nur über den Zeitraum der Inkubationszeit.

Nach heutiger Erkenntnis können etwa drei Wochen nach dem Kontakt die Ident-Nummern wieder gelöscht werden. Aufgezeichnet werden würden also nur die Ident-Nummern der Geräte, in deren Nähe man sich in den vergangenen 14 Tagen etwa über einen Zeitraum von 15 Minuten in einem Abstand von circa zwei Metern oder darunter aufgehalten hat. Die Aufzeichnung von Namen oder Telefonnummern ist nicht erforderlich – eine Konformität mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die in diesem Thema wichtig ist, damit möglichst viele Menschen mitmachen, lässt sich insofern herstellen. An einer Lösung nach diesem Muster arbeitet gerade das europäische Konsortium PEPP-PT.

Datenschutz ist ein Grundrecht – genau wie die körperliche Unversehrtheit. Diese Rechte muss die Politik, wie auch andere Grundrechte, gegeneinander abwägen. Eine Tracing-App kann Leben und Gesundheit schützen bei minimalen datenschutzrechtlichen Eingriffen, insbesondere wenn die Nutzung eine freiwillige Sache bleibt. Unabdingbar sei, „sicherzustellen, dass die App ausschließlich zur Anwendung kommt, um die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Epidemie zu verringern“, so Bettenhausen.

Verschiedene Mobiltelefone nutzen unterschiedliche Bluetooth-Antennen

Interessant ist noch die Frage, wie die Bluetooth-Verbindungspegel zwischen zwei Mobiltelefonen mit den Übertragungsmechanismen und -wahrscheinlichkeiten des Coronavirus übereingebracht werden können. Dies wird laut Bettenhausen derzeit im Rahmen von Versuchen experimentell verifiziert. Man kann demnach davon ausgehen, dass sich der erwartete Zusammenhang herstellen lässt. Problematisch ist noch die Tatsache, dass verschiedene Mobiltelefone unterschiedliche Bluetooth-Antennen nutzen. Daher ist es wichtig zu wissen, welche Telefontypen gerade miteinander in Kontakt stehen, um die Bluetooth-Verbindungspegel richtig auswerten zu können.

„Wenn es hoffentlich bald eine App auf der Basis dieses anonymisierten Verfahrens gibt, dann muss sie auch genutzt werden – nach Möglichkeit von allen“, fordert Bettenhausen. Zudem müsse jeder Nutzer die App bewusst freischalten, und auch die Bluetooth-Funktion eines jeden Mobiltelefons muss aktiviert sein. Das kann schon für ältere Menschen eine Herausforderung darstellen, weswegen sie womöglich Hilfe benötigen. Konkrete Anleitungen wären daher auch sinnvoll. 

Um diesen großen sowie wichtigen Schritt zu gehen, muss jeder Nutzer aktiv und verantwortungsvoll mitwirken. „Dafür ist sicher eine gewisse Überzeugungsarbeit zu leisten. Es geht aber um unsere Gesundheit, weshalb ich mir sicher bin, dass sich dieses Verfahren mit seinen Chancen bei beherrschbaren Risiken etablieren lässt und wird – je schneller desto besser. Ich jedenfalls werde mir die Tracing-App bei Verfügbarkeit sofort installieren“, sagt Bettenhausen. 

Autor: Frank Magdans

Fachlicher Ansprechpartner: Dr.-Ing. Kurt D. Bettenhausen, Vorsitzender des Interdisziplinären Gremiums Digitale Transformation des VDI
 

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