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Eine Übergangstechnologie

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach, der sich für die Ansiedlung von TESLA in Grünheide stark gemacht hatte, sieht batteriebetriebene Fahrzeuge als "Übergangstechnologie". In einem Interview mit der SVZ setzt er auf Wasserstoff, dessen Produktion und Nutzung in Brandenburg große Perspektiven habe.

Batteriefahrzeuge als Übergangstechnologie

In Brandenburg ist er bekannt als „Mr. Tesla“: Wirtschaftsminister Jörg Steinbach hat maßgeblich an der Ansiedlung des Elektroautobauers in Grünheide mitgewirkt. Persönlich ist der SPD-Politiker aber Fan von Wasserstoff, gesteht er im Interview mit Benjamin Lassiwe.

In der letzten Woche regnete es für die Lausitz Geld. Was bedeutet das für Brandenburg?
Jörg Steinbach: Wir haben jetzt die Sicherheit, dass das, was wir vor über anderthalb Jahren in der Kohlekommission verabredet haben, weitestgehend in ein Gesetz gegossen ist. Es waren ja immer wieder Zweifel aufgekommen, ob das Ergebnis der Kohlekommission tatsächlich umgesetzt wird – zuletzt besonders vor dem Hintergrund der Corona-Krise und den damit verbundenen Kosten. Deswegen ist auch der psychologische Effekt, dass das jetzt in trockenen Tüchern ist, sehr, sehr hoch zu bewerten.

Was heißt das für den Rest des Landes? Worauf müssen sich Prignitz und Uckermark einstellen?
Ich habe immer betont, dass ich als Wirtschaftsminister kein zweiter Lausitzbeauftragter bin. Ich kümmere mich um die wirtschaftliche Entwicklung in ganz Brandenburg. Dazu gehört Tesla im Osten des Landes, dazu gehört auch die Wasserstoffwirtschaft, die ich in Brandenburg aufbauen will. Das ist eine Zukunftsbranche.

Und gerade im Norden des Landes haben wir viel Windkraft installiert, die wir für die Wasserstofftechnologie brauchen. Deswegen werden die Uckermark und die Prignitz von Entwicklungen auf diesem Gebiet sicher profitieren.

Was planen Sie dort?
Die große Überschrift lautet Sektorkopplung. Es geht darum, Wasserstoff zu erzeugen und ihn etwa im Bereich der Mobilität oder für industrielle Prozesse zu nutzen. Wir wollen versuchen, die Elektrolyseur-Hersteller nach Brandenburg zu holen. Also diejenigen, die Geräte herstellen, die aus elektrischem Strom und Wasser dann Wasserstoff generieren.

Dann geht es uns um Anwendungen: Die Regionalbahn 27 im Barnim beispielsweise. Dort gibt es das Projekt „H2Bar“, wo künftig mit Wasserstoff betriebene Züge auf einer Teststrecke fahren sollen. Ein ähnliches Projekt gibt es in der Prignitz. Und dann geht es um die Gewinnung von künstlichen Kraftstoffen unter Nutzung von Wasserstoff zum Beispiel bei PCK in Schwedt.

Beim Auto setzt Brandenburg aber immer noch auf Elektromobilität – Stichwort Tesla?
Das Problem ist, dass sich die Brennstoffzelle für den Straßenverkehr bei uns deutlich langsamer entwickelt als anderswo. Wer heute nach Hongkong fährt, findet im öffentlichen Nahverkehr keinen Bus, der nicht mit einer Brennstoffzelle betrieben wird. Wenn bei uns eine Stadt wie Cottbus, Potsdam, Eberswalde oder Frankfurt (Oder) ihren öffentlichen Personennahverkehr auf Wasserstoff umstellen will, dann ist die Anzahl der Anbieter, die ihr dazu einen Bus liefern können, sehr, sehr übersichtlich. Wir haben diesen Schritt zur Brennstoffzelle hier noch nicht vollzogen.

Bei einem Kleinwagen wird die Brennstoffzelle nie die wirtschaftlichste Energieversorgung sein. Aber bei Kleintransportern, bei Kleinbussen und vielleicht auch bei Lastwagen wären wir wirtschaftlicher mit der Brennstoffzelle unterwegs als mit Batteriebetrieb. Da ist es spannend zu beobachten, welche Technologie sich in den nächsten Jahren durchsetzt.

Das Land hat stolz Batterieproduzenten und einen Elektroautohersteller angesiedelt – und jetzt plötzlich Wasserstoff. Machen Sie sich da nicht im eigenen Hause Konkurrenz?
Meine persönliche Überzeugung ist, dass wir für die nächsten 10 bis 15 Jahre einen Mix aus beiden Technologien auf unseren Straßen haben werden. Und auch, wenn ich jetzt Tesla auf den großen Zeh trete: Ich sehe das batteriebetriebene Fahrzeug eher als eine Übergangstechnologie und kann mir vorstellen, dass ein so innovativ denkender Mensch wie Elon Musk vielleicht auf die Idee kommt, in sein Portfolio auch Wasserstofffahrzeuge aufzunehmen.
Ihr nächstes Auto fährt dann also mit Wasserstoff?
Das warten wir mal ab. Ich bin jetzt erst einmal auf einen Hybrid umgestiegen und genieße es, mit dem Auto durch die Straßen zu schleichen.

Zurück zu Tesla. Die Firma hat ja vor kurzem bekanntgegeben, die Batterieproduktion aus Grünheide auszulagern. Hoffen Sie auf einen zweiten Tesla-Standort in Brandenburg?
Ich gehe im Augenblick davon aus, dass die Aktivitäten von Tesla erstmal auf Grünheide und Umgebung konzentriert bleiben. Mir sind keine Überlegungen zu einem anderen Standort bekannt.

Und ich gehe auch davon aus, dass Tesla mit der Erweiterung der Fabrik das Thema Batteriefertigung überdenken wird.
Tesla braucht auch eine gewisse Ladeinfrastruktur. Wie sieht es damit aus?
Wir haben ja erst kürzlich ein neues Förderprogramm für Ladeinfrastruktur gestartet. Aber als Flächenland haben wir hier bei der Elektromobilität auch einen gewissen Vorteil: Viele Brandenburger haben ihr eigenes Grundstück und können ihr Elektroauto auf der eigenen Zufahrt aufladen. In einer Großstadt wie Berlin geht das eher nicht. Deswegen glaube ich, dass die Ladeinfrastruktur hier leichter zu realisieren ist. Aber wir liegen natürlich noch deutlich unter dem Stand, den wir im Blick auf die Klimaziele eigentlich erreichen wollen.

Tesla sucht jetzt nach den ersten Mitarbeitern. Wie sieht es denn in Sachen Tarifbindung bei Tesla aus?
Wir sind im Zusammenhang mit der Fachkräftegewinnung mit Tesla im Gespräch. Da tragen wir das Thema Tarifbindung immer wieder vor. Und auch die Leitung der IG Metall hat mit Tesla Kontakt aufgenommen. Denn an ein Unternehmen, das so viel Personal haben wird, haben wir als Land Brandenburg natürlich die Erwartung, dass sich das Unternehmen dem Thema gute Arbeit und damit auch der Tarifpartnerschaft stellt.

Noch einmal zurück zur Lausitz: In Cottbus bauen Sie im Moment mit Kohlegeldern das Bahnwerk aus. Welche Zukunft hat das Bahnwerk Wittenberge?
Wir machen hier kein Kompensationsgeschäft, bei dem wir sagen: Wir retten den einen Standort und der andere Standort wird dafür schlechter gestellt. Wir nutzen hier einfach den Fakt, dass wir die Strecke nach Breslau ausbauen wollen. Dadurch werden ICEs in Cottbus halten– und wenn sie dort halten, können sie dort auch gewartet werden. Aber wir würden natürlich nicht den Standort in der Prignitz zu Gunsten des Standorts Cottbus opfern.

 

Quelle: www.svz.de/28931152 ©2020

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