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#KlimaanpassungInBlau

Gefahr an der Küste – Wie passen wir uns dem steigenden Meeresspiegel an?

Bild: Frederick Doerschem/Shutterstock.com

Der Klimawandel schreitet uneingeschränkt und mit schwerwiegenden Konsequenzen voran. Vor allem menschliche Aktivitäten haben die globale Erwärmung verursacht. Die Folgen des Klimawandels bedingen nicht nur Veränderungen in der Atmosphäre, in der Kryosphäre und Biosphäre, sondern vor allem im Ozean und an den Küsten weltweit. 

Die weithin sichtbaren Folgen spiegeln sich in Wetter- und Klimaextremen wider - zum Beispiel Hitzeperioden, Dürren und Hochwasserextreme in allen Regionen der Welt - und führen unweigerlich zu steigenden Verlusten und Schäden für Mensch und Natur. Noch gravierendere Verluste werden infolge des Anstiegs des Meeresspiegels erwartet, der als unmittelbare Folge des globalen Klimawandels zahlreiche Effekte im Küstenraum nach sich zieht. Dies verlangt sowohl höhere Aufmerksamkeit als auch sorgfältiger abgewogene Reaktionen.

Der Meeresspiegelanstieg bedroht küstennahe Megacities und dicht besiedelte Küstengebiete

Absolut ist der Meeresspiegel zwischen 1901 und 2018 global im Mittel um circa 25 cm gestiegen, davon allein zwischen 1971 und 2018 um etwa 15 cm. Zwar ist es unbestritten, dass es erdgeschichtlich weit höhere Meeresspiegel als heute gab – jedoch ohne an den Küsten siedelnde Menschen! Im Jahre 2030 werden weltweit circa eine Milliarde Menschen in Küstenniederungen leben, also unmittelbar auf Höhe des Meeresspiegels. 2060 also 30 Jahre später werden es sogar 1,5 Milliarden Menschen in küstennahen Megacities und stark urbanisierten, dicht besiedelten Räumen sein. 

Es ist aber auch nachgewiesen, dass es erdgeschichtlich niemals größere Raten des Meeresspiegelanstiegs gab, eine direkte Folge des menschengemachten Klimawandels. Das sind heute global im Mittel circa 4 mm pro Jahr - Tendenz steigend. Die treibenden Faktoren des Meeresspiegelanstiegs sind die Wärmeausdehnung des Wassers und die zunehmende Masse des Ozeans durch schmelzende Gletscher, vor allem auf Grönland und in der Antarktis. Als unmittelbare Folge des Meeresspiegelanstiegs sind häufigere Extremwasserstände durch Stürme und Sturmfluten zu erwarten.

Das bedeutet, Extremwasserstände, die statistisch gesehen alle 100 Jahre auftreten können, treten mit steigendem Meeresspiegel deutlich häufiger auf, beispielsweise mit einer Wahrscheinlichkeit von allen 10 oder 20 Jahren. Im Umkehrschluss verstärken sich die Jahrhundert-Extreme mit weit höheren Wasserständen an den Küsten, die ohne Schutzvorkehrungen zu erhebliche Schäden führen. Die Gezeitendynamik im Küstenmeer und in den angrenzenden Ästuaren wird sich gleichzeitig verändern. Die Amplituden der sogenannten halbtäglichen M2-Tide wird ansteigen, bei einem Meeresspiegelanstieg von 80 cm in der Deutschen Bucht um circa 20 cm. Das wiederum verändert die Tideströmungen und bedingt beispielsweise eine Flutstromdominanz der angrenzenden Ästuare (Elbe, Weser) und führt zu größerem Sedimentimport und Unterhaltungsaufwand der Häfen. Und dies ist nur ein Beispiel der nachgewiesenen kausalen Verkettung von Treibern und Prozessen mit schwerwiegenden Folgen für den Schutz eines Lebens- und Erhalt eines Wirtschaftsraums.

Ein Paradigmenwechsel im Küstenschutz hilft bei der Anpassung an die kommenden Veränderungen

Seit der Mensch begonnen hat die Küsten zu besiedeln, versucht er, sich vor den Einwirkungen des Meeres zu schützen und gleichzeitig die sich ihm bietenden Ressourcen und Lebensräume zu nutzen.  Der neuen Nutzungsdruck, die Verstädterung und das Bevölkerungswachstum machen den Erhalts eines Lebens- und Wirtschaftsraums an den Küsten dringend erforderlich. Darum stellen sich die Fragen, wie ein zukünftiger Schutz der Küsten gewährleistet werden kann, welche Folgen zu erwarten sind, wie sich die Lebensgrundlagen in tiefliegenden Küstengebieten in welchen Zeiträumen verändern werden und was zur Anpassung an diese Entwicklungen zu tun ist! 

In unserem VDI-Podcast „Technik aufs Ohr“ diskutieren wir mit unserem Gast, Prof. T. Schlurmann, die aktuellen Entwicklungen im Küstenraum und den sich vollziehenden Paradigmenwechsel im Küstenschutz zur Anpassung an diese Veränderungen. Er zeigt, welche Veränderungen und Wirkungen für die nächsten Jahrzehnte projiziert werden und wie sich Lebens-, Natur- und Wirtschaftsräume an den Küsten infolge eines beschleunigt steigenden Meeresspiegels verändern werden.  Schlurmann gibt einen Überblick über grundsätzliche Lösungsansätze und Strategien im Umgang mit diesen Veränderungen und der Anpassung des Küstenraums. Im Podcast sprechen wir über laufende wissenschaftliche Studien, neueste Forschungsergebnisse und Wissenslücken. Denn wir bauchen ein besseres Systemverständnis und belastbare Erkenntnisse. Aber diese können wir nur in transdisziplinären Verbünden erzielen, um daraus robuste Handlungs- und Managementoptionen für ein Transformationswissen hin zu einer guten und sicheren Küste anzuleiten – auch in der internationalen Zusammenarbeit in Entwicklungsländern.

Der VDI-Podcast hilft nicht nur die grundlegenden Prozesse des Meeresspiegelanstiegs und seiner Folgen zu verstehen. sondern gibt auch Einblicke in ein spannendes, an Bedeutung wachsendes Fachgebiet in den Ingenieurwissenschaften und überzeugt von der Notwendigkeit der zweckmäßigen und nachhaltigen Anpassung der Küstenräume. 

Autor:
Prof. Dr.-Ing. habil. Torsten Schlurmann, geschäftsführender Leiter des Ludwig-Franzius-Instituts für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen (LuFI), Leibniz Universität Hannover (LUH) und Direktor des Forschungszentrums Küste (FZK), sowie Vorstandsmitglied des Konsortiums Deutsche Meeresforschung (KDM) und Vorstandsmitglied von ForWind – Zentrum für Windenergieforschung.

Fachliche Ansprechpartnerinnen:
Dipl.-Geogr. Catharina Fröhling
Johanna Vondran M.Sc.
Projekt „Herausforderung – Anpassung an den Klimawandel
E-Mail: klimaanpassung@vdi.de

Jetzt reinhören!

Hinweis: Der Podcast „Technik aufs Ohr“ ist eine gemeinsame Produktion von VDI e.V. und ingenieur.de (VDI Verlag GmbH). Jegliche Werbung während der Podcast-Folge erfolgt ausschließlich über die VDI Verlag GmbH. Der VDI e.V. erzielt hieraus keinerlei Einnahmen.

Weitere Informationen:

„Die Zukunft der Meeresspiegel“, 2019. Deutsches Klima Konsortium (DKK) und Konsortium Deutsche Meeresforschung (KDM)

Jordan, C., Visscher, J, Schlurmann, T., 2021. Projected responses of tidal dynamics in the North Sea to sea-level rise and morphological changes in the Wadden Sea. Frontiers in Marine Science (OpenAccess)

„Küsten besser schützen“, 2017. World Ocean Review (WOR5), Kapitel 4 

David, G., Hennig, A., Ratter, B.M.W., Roeber, V., Schlurmann, T., 2021. Considering socio-political framings when analyzing coastal climate change effects can prevent maldevelopment on small islands. Nature Communications (OpenAccess)

Staudt, F.; Gijsman, R.; Ganal, C.; Mielck, F.; Wolbring, J.; Hass, H.C.; Goseberg, N.; Schüttrumpf, H.; Schlurmann, T. and S. Schimmels, 2021. The sustainability of beach nourishments: a review of nourishment and environmental monitoring practice. Journal of Coastal Conservation (OpenAccess)

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