Direkt zum Inhalt
Interview mit Ole Markgraf

Glücklich Leben statt Burnout

Bild: Andrey Popov/Shutterstock.com

Ob die Urlaubsvertretung, die neue Stelle oder die wichtige Präsentation, stressige Situationen gehören zu unserem beruflichen Alltag. Natürlich wollen wir trotzdem einen guten Job machen und nebenbei viel Zeit und Energie für Familie und Hobby haben. Während wir allen Anforderungen gerecht werden wollen, laufen wir schnell Gefahr aus dem Gleichgewicht zu geraten. 

Wenn wir keine Strategien entwickeln, Überlastungen zu erkennen und einen Ausgleich zu schaffen, droht das Burnout. Wie wir es schaffen, unsere Grenzen zu erkennen und langfristig eine Balance zwischen Be- und Entlastung zu schaffen, weiß Ole Markgraf. Er ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und arbeitet als High Performance und Empowerment Coach. Der Hamburger weiß aus eigener Erfahrung, wie schnell man die wesentlichen Ziele aus den Augen verliert, wenn der Alltagsstress die Führung übernimmt. Aber es gibt Wege aus dem Hamsterrad. 

VDI: Lange war das Burnout entweder der Beweis für beruflichen Einsatz und Erfolg oder das hysterische Gejammer von jemandem, der nicht belastbar ist. Diese Zeit liegt zum Glück hinter uns. Aber was ist ein Burnout und wie verbreitet ist er?

Markgraf: Burnout ist ein sehr persönliches Thema. Ich selbst habe viele Herausforderungen erlebt, die es in einem Unternehmen geben kann. Daher weiß ich aus eigener Erfahrung, wie sich Stress auf das Leben auswirken kann. Ich habe in meiner Vergangenheit als Arbeitnehmer teilweise keine Energie mehr für eins meiner Leidenschaften – das Reisen – aufbringen können. Die Reisen selbst waren zwar genial, aber auch diese konnten mich nicht davor bewahren, mich immer wieder selbst in Situationen von Burnout zu bringen.

Denn Burnout ist ein ganzheitliches und komplexes Thema. Burnout wurde sehr lange nicht ernst genommen. Dabei steigen der Druck und die Anforderungen im Job omnipräsent. Es gibt viele aktuelle Erhebungen, die belegen, dass sich mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer gestresst fühlen und von Burnout bedroht sind. Psychische Erkrankungen und Belastungen sind heute leider die häufigsten und langanhaltendsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit. 

Der Übergang von Stress zu Burnout ist fließend und eine klare Diagnose ist schwierig. Es gibt mehr als 130 Symptome, die dem Burnout in der Literatur zugeordnet werden und keines davon ist eindeutig. Es betrifft sowohl die körperliche als auch die mentale und emotionale Ebene. So können Schlaf-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen Symptome sein, genauso wie Verdauungsbeschwerden, Verspannungen, Kopf- oder Rückenschmerzen. Bei einem ist es das Gefühl der Überforderung, ständiges Grübeln und die Vermeidung sozialer Kontakte. Bei anderen trifft es die emotionale Ebene mit Ängsten, Gereiztheit oder einem Gefühl von Hoffnungslosigkeit.

Problem der ständigen Erreichbarkeit

Also, was ist ein Burnout? In erster Linie ein Prozess! Es ist nie der eine Punkt, an dem ich sagen kann: „Jetzt habe ich Burnout und nun bin ich raus.“ Sondern in dem Moment, an dem nichts mehr geht, liegt schon eine lange Strecke hinter mir. Darum müssen wir auch einzelne Symptome ernst nehmen. Wichtig ist mir an dieser Stelle: Burnout ist niemals persönliches Versagen. Es gibt vielfältige komplexe Gründe und das Zusammenspiel von äußeren Umständen, die ein Burnout begünstigen. 

Gibt es äußere Risikofaktoren im Job, auf die ich achten sollte? 

Im klassischen Arbeitsumfeld ist es sicher ein „zu viel“: zu viele Aufgaben, ein zu großes Arbeitsvolumen, ständiger Termindruck und ein unklarer Aufgabenbereich. Aber auch das Umfeld spielt eine entscheidende Rolle: der Umgangston, die Beziehung zum Chef, die Wertschätzung.

Ein weiteres Problem unserer Zeit ist die ständige Erreichbarkeit: Grenze ich mich ausreichend ab, trenne Homeoffice und Freizeit oder trage ich das (berufliche) Smartphone ständig und bis spät abends bei mir. Auch meine innere Einstellung spielt eine zentrale Rolle, denke ich „Arbeit ist hart, aber da muss ich durch“ oder macht mir Arbeit Spaß und ich sehe einen Mehrwert darin.

Webinar zur Burnout-Prophylaxe

Ole Markgraf hat im Februar ein spannendes Webinar zum Thema gegeben. Als Mitglied können Sie es hier anschauen! Wir bieten regelmäßig interessante Webinare zu Technik- und Karrierethemen an. 

Noch kein Mitglied und Interesse an einer Webinar-Teilnahme?  
Gerne laden wir Sie im Rahmen unseres Webinar-Angebots dazu ein, die VDI-Mitgliedschaft und alle damit verbundenen Angebote und Leistungen für 3 Monate kostenfrei zu testen. Werden Sie Mitglieder der großen VDI-Community und erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff zu allen Live-Webinaren und dem Webinar-Archiv.

Jetzt testen!

Wollen vs. Müssen

Darin zeigt sich der schmale Grat zwischen gutem Stress (Eustress) und schlechtem (Disstress).  Gut ist, wenn ich etwas erreichen will. Ich bin begeistert und motiviert, aber vielleicht etwas angespannt. Beispielsweise vor einer wichtigen Präsentation oder bei einem sportlichen Wettkampf. Hier machen uns Adrenalin und Cortisol leistungsfähiger. So kann ich unter Druck (mehr oder besser) abliefern. Danach folgt eine Erholungsphase. Ich spüre Zufriedenheit. Disstress ist oft ein Müssen statt Wollen. Dann ist das Ganze schnell keine Heraus- sondern eine Überforderung. Wir sind mental stark belastet. Es überwiegen negative Gedanken. Und das Cortisol im Körper macht uns krank.

Aber auch positiver Stress kann schnell negativ werden, bei fehlenden Erholungsphasen, wenn Aufgabe auf Aufgabe folgt.  Darum muss ich immer einen ehrlichen Blick auf mich selbst werfen und lernen Verantwortung für mich zu übernehmen. Dazu gehört auch zu hinterfragen, wie stehe ich zu meiner Arbeit und wie stehe ich zu mir selbst. Bin ich mit mir im Reinen. Sorge ich für mich? 

Anzeichen für ein drohendes Burnout gibt es mental, körperlich und emotional. Dabei müssen wir bei allen Symptomen aufmerksam sein, statt diese zu ignorieren und einfach weiterzumachen nach der Devise: „Jetzt stell dich nicht so an! Reiß dich zusammen und mach weiter.“ Denn diese Einstellung ist der direkte Weg ins Burnout.

Was sind Ihre Top Drei zur Burnout-Prophylaxe?

In meinem Ansatz schaue ich mit meinen KlientInnen immer ganzheitlich auf die folgenden drei Ebenen: körperliche Verfassung, mentaler Zustand und vorherrschende Emotionen. Eine einseitige Betrachtung ist erfahrungsgemäß nicht nachhaltig.

Um meine körperliche Verfassung sofort zu verbessern, helfen Atmung, funktionale Übungen und gesunder Schlaf. Dies ist so simpel und die Wirksamkeit ist wissenschaftlich belegt und erstaunlich. Hierdurch steigern wir kontinuierlich unsere Energie, die uns beim Burnout fehlt, um Veränderungen in Gang setzen zu können.

Mental ist es z.B. eine große Hilfe, meine eigenen Werte und Lebensziele zu kennen. Wir rennen oft Zielen hinterher, die nicht unsere eigenen sind. Aber was sind meine Werte und Ziele? Sind wir uns dieser bewusst, können wir leichter Entscheidungen treffen und an diesen festhalten. Dadurch stoßen wir die notwendige Veränderung an, ein Nein zu anderen fällt leichter, denn es ist ein Ja zu mir, zu meinen Werten und Zielen.

Auf der emotionalen Ebene geht es u.a. darum, mich selbst anzuerkennen und den Fokus auf die guten Dinge zu legen. Es geht um Selbstliebe und Dankbarkeit. Teils trifft dieses Thema erst einmal auf Ablehnung. Aber es ist, wie die anderen beiden Bereiche auch, ein fundamentaler Hebel, den ich nutzen kann. Wenn ich es mir selbst wert bin, auf mich zu achten, bewusst mit mir umzugehen und mich auf die guten Dinge zu fokussieren, verändert sich meine Lebensqualität rasant. Dankbarkeit ist wissenschaftlich nachgewiesen ein echter Glücksbooster. Dankbare Menschen fühlen sich besser, sind optimistischer, erfolgreicher, gesünder und haben stärkere emotionale Bindungen. 

Oft haben wir ein gutes Gespür dafür, was uns tatsächlich hilft und guttut. Wirkungsvolle Routinen helfen dem Hamsterrad aus Stress und Druck zu entkommen. Wenn wir positive Routinen in allen drei Bereichen umsetzen, stellt sich sehr schnell eine gewünschte Veränderung ein. Natürlich fällt das nicht leicht. Gerade wenn sowieso nichts mehr geht und wir erschöpft sind. Aber wenn wir den tiefsten Punkt erreicht haben, den Punkt, an dem wir endlich wirklich etwas verändern, dann müssen wir uns bloß für ein paar Wochen aufraffen und die richtigen Dinge tun. Der Effekt wird spürbar, unser Energielevel steigt und wir fühlen uns besser. Die Routinen greifen, werden für uns zum Standard und wir kehren nie wieder zurück. 

Interview: Gudrun Huneke

KURZVITA: Ole Markgraf, Jahrgang 1984, ist in Hamburg geboren, in Dortmund aufgewachsen und hat Wirtschaftsingenieurwesen in Hamburg studiert. Nach zahlreichen Stationen im Ausland sowie Anstellungen in großen Unternehmen wie Lufthansa Technik und Nordex, unterstützt und inspiriert Ole heute andere Menschen als High Performance und Empowerment Coach. Dies vor Ort in Hamburg oder online www.evo-us.de. Ole lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Hamburg. 

Artikel teilen