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Update Car to Car: Wie gut können (autonome) Autos kommunizieren?

Bild: Suwin/Shutterstock.com

Das Auto geht ins Internet, das Internet geht ins Auto. Auf diese Kurzformel lässt sich die „connectivity“ künftiger Fahrzeuge bringen. Dabei rücken mehrere Kommunikationswege, -ziele und -aufgaben in den Blick – eine Übersicht zu Status quo und Herausforderungen.

Aktuell konkurrieren und koexistieren mehrere Kommunikationswege: die Kommunikation über Mobilfunk – wobei nach LTE schon der 5G-Standard näher rückt, oder die Kommunikation über WLAN- beziehungsweise IP-Standards.

Dr.-Ing. Adrian Zlocki von der fka, dem Forschungsinstitut am Aachener Institut für Kraftfahrzeuge, erwartet, dass „künftig jedes Auto seine eigene SIM-Karte erhält. Damit eröffnen sich für den Mobilfunk neue Geschäftsfelder.“ Allerdings, so Zlocki, müssten Standards und Daten, die übertragen werden, konkret definiert werden und insbesondere die Belange von Datenschutz und Datensicherheit sorgfältig beachtet werden.

Als weitere Kommunikationskomponente kommt die GPS- oder GNSS-Navigation hinzu, meist in enger Verzahnung mit digitalen Karten, die „onboard“ verfügbar sind. Die Navigation kann Zieladressen betreffen, die aus privaten oder dienstlichen Gründen angesteuert werden, aber auch touristische Informationen, Elektroladestationen und vieles andere mehr.

Die Ziele und Aufgaben der Datenkommunikation fallen so unterschiedlich aus wie die Interessen der Beteiligten:

  • an Zustandsdaten des Fahrzeugs sind beispielsweise die Hersteller interessiert, aber auch die Versicherung und Verkehrsleitzentralen.
  • Entertainment- und Infotainment-Angebote stellen IT- und Mobilfunkanbieter gern bereit – als Erweiterung ihres Produkt-Portfolios. Ebenso neue Marktteilnehmer, die beispielsweise über eine App Geräte-übergreifende Leistungen anbieten wollen und einen Marktzugang erst noch finden müssen.
  • nahezu alle Informationen, mit denen die Sensoren eines Fahrzeugs das eigene Fahrverhalten analysieren und beeinflussen, sind potenziell auch für andere Fahrzeuge und Verkehrsteilnehmer von Interesse. Die Spur wechseln, auf die Fahrbahn einfädeln oder im Notfall bremsen sind allesamt Interaktionen, von denen andere Fahrzeuge und Verkehrsteilnehmer unmittelbar betroffen sind.

Wie ist der aktuelle Stand der Technik?

Mittels Sensoren ermittelt und steuert das Fahrzeug seinen eigenen Zustand. Zum Beispiel beim Bremsen mit ABS oder bei der Antischlupf-Regelung beim Anfahren, zum Beispiel, um die Spur zu halten oder eine Notbremsung einzuleiten. Ein vernetztes Fahrzeug ermittelt seinen Standort über GPS-Satelliten, um zu navigieren oder Umgebungsinformationen abzurufen. Das vernetzte Fahrzeug teilt seinen Standort über WLAN oder Mobilfunk mit und kann sowohl mit der gesamten Verkehrsinfrastruktur als auch mit einzelnen Fahrzeugen kommunizieren. Es erfasst Daten über den eigenen Zustand mittels eingebauter Sensortechnik. Diese Sensoren können beispielsweise die Wartung und den Verschleiß von Bauteilen erfassen, die an die Werkstatt übermittelt werden.

Sensordaten können zudem den Straßenzustand erfassen, beispielsweise Glatteis oder Aquaplaning. Auch Staus, Hindernisse, Baustellen oder Ampeln und weitere Bestandteile der Verkehrsinfrastruktur werden von entsprechend ausgestatteten Fahrzeugen erfasst und können anderen zur Verfügung gestellt werden. Die Beispiele verdeutlichen: Die Kommunikation von Auto zu Auto (Car to car oder Vehicle to vehicle, kurz C2C bzw. V2V) und Auto zu Infrastruktur (Car to infrastructure oder Vehicle to infrastructure, kurz C2I bzw. V2I) oder auch allgemeiner Car to everything (C2X) gehören untrennbar zusammen.

Automatisiertes, also durch technische Assistenzsysteme unterstütztes Fahren und autonomes Fahren, bei dem der Fahrer zum Passagier wird, gehen Hand in Hand mit allen C2X-Entwicklungen. Vernetztes Fahren fasst den Begriff etwas weiter, da er auch die aktive Kommunikation der „Infrastruktur“ mit dem Fahrzeug einschließt. An zentraler Stelle können das Wetterdaten sein oder Empfehlungen an den Fahrer, die den Verkehrsfluss regeln. Diese Annahmen basieren darauf, dass die Sensoren des einzelnen Fahrzeugs – Kameras, Scanner, Radar und Lidar – mit der entsprechenden Rechenkapazität und Software binnen kürzester Zeit ein konsistentes Gesamtbild erzeugen. Auch Verkehrsinformationen und digitale Karten an Bord müssen darin eingebunden sein.

Gleichzeitig müssen die externen Informationen – zum Beispiel „Vorsicht, das Stauende befindet sich in einer Kurve“ – über Baustellen, Ampeln und Verkehrszeichen damit zur Deckung gebracht werden. Sollen die übermittelten Informationen auch für andere Fahrzeuge (Verkehrsteilnehmer) von Nutzen sein, dürfen die Latenzen nicht lang sein. Leistungsfähige Software und leistungsfähiger Mobilfunk oder C2C-Nahbereichskommunikation bilden ein Tandem. Für diese direkte, kooperative Kommunikation hat Europa den DSRC-Standard formuliert (DSRC steht für „dedicated short range communication“). In Japan, Amerika und Europa gelten abweichende Standards.

Die Spezifikationen für WLAN und DSRC sind nach Ansicht von Zlocki tragfähig und „auch ohne Cloud gut abzubilden“. Auch die Herausforderungen durch den 5G-Mobilfunk sieht er „sicher gelöst“. Im April 2019 hat das Convex-Konsortium (Cellular Vehicle to Everything, kurz C-V2X) im Dreiländereck zwischen Frankreich, Luxemburg und Deutschland erstmals das grenzenlose, vernetzte Fahren mit 5G-Technologie praktisch demonstriert. Je nach Problemstellung eignet sich die eine C2C-Technik besser als die andere. Ein Extrembeispiel ist die Kollisionswarnung vor einem Überholvorgang. Sie kann nur auf dem Wege einer Direktfunkverbindung realisiert werden.

Status quo C2C

In der Darstellung des Verbands der Automobilindustrie (VDA) heißt es: „Unter dem automatisierten Fahren versteht man das selbständige, zielgerichtete Fahren eines Fahrzeugs im realen Verkehr mit bordeigenen Sensoren, nachgeschalteter Software und im Fahrzeug gespeichertem Kartenmaterial für die Erfassung der Fahrzeugumgebung. Je nach Anwendungsfall (...) lassen sich die automatisierten Fahrfunktionen mit Hilfe der Vernetzung mittel- und langfristig deutlich erweitern. Unter Vernetzung versteht man die Kommunikation zwischen Fahrzeugen untereinander sowie mit der Infrastruktur, etwa mit Ampelanlagen oder Verkehrsleitsystemen. (…) Die C2X-Kommunikation ermöglicht es dem Fahrzeug, in Sekundenbruchteilen Verkehrsinformationen (...) zu sammeln (...) und (...) zu verarbeiten. (...) Diese stellt somit eine ideale Ergänzung zum automatisierten Fahren dar.“

Zlocki präzisiert dies mit einer wichtigen Ergänzung: „Umgekehrt müssen logischerweise alle Fahrzeugfunktionen auch ohne C2C- oder C2X- Kommunikation zur Verfügung stehen. Einerseits stehen Sensoren und Informationen aus der Vernetzung in einem unmittelbaren Funktionszusammenhang, andererseits muss das Fahren, selbst das automatisierte, auch ohne Informationen aus dem Netz uneingeschränkt möglich sein.“ Somit muss jederzeit eine Rückfallebene gegeben sein. Im Übrigen, auch das nicht ohne Bedeutung, produzieren die sich überlagernde Informationen der verschiedenen Sensoren, beispielsweise von Rückfahrkamera und Abstandswarner (ACC, Adaptive Cruise Control) eine durchaus erwünschte Redundanz – ein Sensor stützt den anderen. „Die Technik ist schon da, speziell die Sensoren. Die großen Probleme und Herausforderungen, die uns derzeit beschäftigen, sind die Standards, die Sicherheit und der Datenschutz“, so die Einschätzung von Zlocki. Die Informationen, die über C2C oder C2X transportiert werden, sind in unterschiedlicher Weise sicherheitsrelevant oder schutzbedürftig. „Allgemein lautet die erste Frage, die über die unmittelbare technische Funktionalität hinausgeht: Auf welcher Ebene der Fahrtätigkeit braucht man was? Für Daten, die ein Fahrzeug übermittelt, muss jeweils diskutiert und definiert werden, was notwendig und sinnvoll ist“, so Zlocki.

Beispiel: Notrufsystem „eCall“

Die EU macht das automatische Notrufsystem „eCall“ seit einem Jahr zur Voraussetzung einer Typengenehmigung. Das System verdeutlicht, wie Kommunikationswege verbunden werden können und gleichzeitig einer Vereinbarung bedürfen, welche Daten übertragen werden können.

Der eCall wird automatisch ausgelöst, wenn im Fahrzeug bei einem Aufprall die Airbags ausgelöst werden. eCall ermöglich auch einen Sprachanruf zur nächsten Rettungsleitstelle oder einen Alarm per SOS-Knopf. Weil bei schweren Unfällen jede Sekunde zählt, können Experten zufolge jedes Jahr 2.500 Unfalltote in Europa vermieden werden. eCall nutzt Mobilfunk und Satellitenortung. Das Auto hat eine im Steuergerät festverbaute SIM-Karte und eine Freisprecheinrichtung, mit der Autoinsassen Näheres melden können. Automatisch übermittelt werden sowohl die Fahrzeugposition und Fahrtrichtung sowie Daten, die das Fahrzeug identifizieren, darunter die 17-stellige Fahrzeugidentifizierungsnummer (FIN) und die Anzahl der (angeschnallten) Insassen. Wie eine Blackbox erfasst das Fahrzeug auch seine Position 10 und 20 Sekunden vor Auslösung des Notrufs. Daraus lassen sich weitere Rückschlüsse auf das Unfallgeschehen ziehen.

Der Datenschutz ist beim eCall konsequent umgesetzt. Außer den Leitstellen hat niemand Zugriff auf die übermittelten Daten. Erst wenn er bei einem Unfall ausgelöst wird, wird eine Verbindung zum Mobilfunknetz hergestellt.

Trends in der C2C-Kommunikation

Wie sieht die künftige Entwicklung in der C2C-Kommunikation aus? Die „Killer-Applikation“ mit dem entsprechenden Mehrwert gibt es nach Ansicht von Zlocki noch nicht. Es fehlen – jenseits von Info- und Entertainment – die Angebote der Drittanbieter.

Was sich mit Sicherheit rasch entwickeln wird, ist die Informationsübermittlung von Fahrzeug zu Fahrzeug über Sicherheitsaspekte, etwa: Ist die Strecke nass, sinken die Temperaturen unter den Gefrierpunkt? Ist ein Fahrzeug auf der Strecke liegengeblieben, staut sich der vorausfahrende Verkehr? Oder zeigt einfach eine Ampel rot? Gleiches gilt für weitere Kennzeichen, für Baustellen und Parkhäuser bzw. Parkleitsysteme. Diese Informationen sind sowohl für das automatisierte wie für das autonome Fahren verwendbar.

Aus technischer Sicht muss auch das automatisierte Einzelfahrzeug sein Umfeld autark erkennen. Für Verkehrsfluss und -sicherheit ist es sinnvoll, Zustandsdaten des Fahrzeugs und seines Umfelds an andere Fahrzeuge zu übermitteln und sich auch mit anderen Verkehrsteilnehmern (z.B. Fahrradfahrern) zu vernetzen. Das entschärft kritische Situationen schon im Vorfeld und schafft einen qualitativ neuen Standard der Verkehrssicherheit. Vernetzte Fahrzeuge können um die Ecke gucken, sehen verdeckte Schilder, kennen vorausliegende Gefahrensituationen.

C2C kann den Verkehrsfluss signifikant verbessern und erhöht somit die Kapazität von Straßenräumen. Fahrzeuge können vorausschauend fahren, was den Kraftstoffverbrauch senkt und die verkehrsbedingten Emissionen reduziert. Das gilt natürlich nur unter der Voraussetzung einer hohe Durchdringungsrate von Fahrerassistenzsystemen (FAS). Anwendungsbeispiele sind etwa das sogenannte „Platooning“, bei dem Nutzfahrzeuge automatisiert im Konvoi fahren oder sich dort einreihen. Komplizierter und technisch interessanter ist ein „Einfädelassistent“ – hier wird deutlich, dass eine Interaktion zwischen Fahrzeugen zwingend stattfinden muss. Nur so können die Fahrzeuge Lücken lassen oder eine Gasse bilden ohne dass ein Fahrer das tun muss.

Datenschutz, Ausblick

Durch die Lösung technischer Probleme bei der C2C-Kommunikation und beim automatisierten Fahren ergeben sich neue Probleme und Herausforderungen. Die technische Akzeptanz ist meist fraglos gegeben. „Ein Henne-Ei-Problem“, so Zlocki, „lässt sich nicht leugnen. Neue Assistenzsysteme verbreiten sich erst über das Premium-Segment in die Mittelklasse und – eine Fahrzeuggeneration später, oft ausgereifter oder funktional einfacher – in die Kompaktklasse.“ Doch Standardisierungsgremien und beispielsweise Versicherer müssen einen gesellschaftlichen Konsens finden, wie und welche Daten verarbeitet und übermittelt werden.

Der Gesetzgeber muss für jedes System und jeden Automatisierungsgrad die Frage der Haftung beantworten, fürs Funktionieren ebenso wie für den Ausfall. Zlocki kann sich eine Lösung „wie beim Flugmodus auf dem Handy“ als Lösung vorstellen, um die Privatsphäre eines Fahrers zu schützen. Er könnte die volle Funktionalität beim Navigieren gewährleisten, ohne beispielsweise Positionsdaten an Dritte weiterzugeben. Auch für weniger geschützte Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer böte sich als Lösung zum Beispiel eine App an, die in genau definiertem und begrenztem Umfang Positions- und Bewegungsdaten nach den Funkstandards an sich nähernde Fahrzeuge übermittelt.

Unabhängig davon gilt: Datenschutz und Datensicherheit haben – wie in allen anderen Bereichen auch – drei Dimensionen: den Schutz vor Missbrauch, vor Sabotage und den Schutz der Privatsphäre. Es ist eine der zentralen Herausforderungen, diesen drei Bereichen maximal gerecht zu werden.

Autor: Günter Eymann

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