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Ungeahnter Luxus

Besser als sein Ruf: das Trinkwasser

Bild: Mark Fisher / Shutterstock.com

In deutschen Haushalten gibt es etwas, das für viele Menschen purer Luxus ist: Trinkwasser mit streng überwachter Qualität zu einem niedrigen Preis. Denn geschätzt eine Milliarde Menschen weltweit haben gar keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Und was machen wir mit diesem Luxus? Wir gehen in den Supermarkt und kaufen Mineralwasser.

Ein Kubikmeter Trinkwasser, also 1.000 Liter, kostet in Deutschland typischerweise unter zwei Euro. Die Qualität wird streng überwacht; und das Wasser wird in jede Wohnung direkt per Leitung geliefert. Für denselben Preis bekommt man im Supermarkt je nach Marke und Standort einen halben bis einige wenige Liter Mineral- oder Tafelwasser. Mineralwasser muss man dann aus dem Supermarkt nach Hause schleppen, bevorraten und kühl aufbewahren. Zudem soll jeder Konsument die Pfandflaschen zurückbringen oder über den Verpackungsmüll entsorgen.

Laut Statista erzeugen wir Deutschen pro Kopf im Schnitt einen jährlichen Umsatz von knapp 200 Euro für Mineralwasser. Dem stehen Kosten von 100 Euro für Trinkwasser gegenüber. Von den 150 Litern, die wir pro Tag verbrauchen, trinken wir allerdings nur sehr wenig. Hingegen gelangt der überwiegende Teil für Körperpflege, Toilettenspülung, Reinigung von Geschirr, Wäsche und Wohnung durch die Leitung.

Mineralwassernutzer zahlen offenbar gerne den hohen Preis und nehmen den logistischen Aufwand in Kauf, weil sie glauben, dass Mineralwasser irgendwie „besser“ sei als Kraneberger oder Rohrperle, wie Trinkwasser auch genannt wird. Doch ist dieser Glaube gerechtfertigt?

Trinkwasser wird nach der Trinkwasserverordnung überwacht. Das Wasserversorgungsunternehmen muss seine gesundheitliche Unbedenklichkeit bis zum Übergabepunkt in die Hausinstallation, meist am Wasserzähler, sicherstellen. Hinsichtlich der Hausinstallation fordert die Trinkwasserverordnung die Einhaltung vieler allgemein anerkannter Regeln der Technik, darunter auch der VDI 6023, des umfassenden Kompendiums der Trinkwasserhygiene. Verantwortlich dafür sind der Eigentümer der Trinkwasser-Installation und der Nutzer.

Warum soll Mineralwasser „besser“ sein als Trinkwasser aus dem Hahn?

Die Qualität von Trinkwasser kann sich natürlich nach dem Hausanschluss verschlechtern, beispielsweise durch das Herauslösen von Stoffen aus Rohren und Armaturen und durch Verkeimung. Ist die Trinkwasserinstallation regelgerecht gebaut, passiert das allerdings nur, wenn das Wasser zu lange in den Leitungen steht. Sorgt man hingegen dafür, dass es häufig genug ausgetauscht wird, ist seine Qualität gesichert. Davon wusste schon Oma. Sie trank morgens nicht gleich den ersten Schluck aus dem Hahn, sondern ließ erstmal ein bisschen ablaufen. Demzufolge gilt: Wasser muss fließen.

Und Mineralwasser? Das fließt gar nicht, sondern verbringt eine lange Zeit in den Flaschen stehend, üblicherweise nicht gekühlt. Bei Plastikflaschen können sich in dieser im Vergleich mit Trinkwasser immer langen Zeit Stoffe aus dem Kunststoff lösen. Zudem können Gase durch die Flaschenwände diffundieren. Und im Wasser enthaltene Keime können sich vermehren, besonders bei warmer Umgebungstemperatur.

Schaut man sich mal die Wasseranalysen an, die auf den Flaschen zu lesen sind, stellt man fest, dass sich manches Mineralwasser – anders als Trinkwasser – von vornherein gar nicht für die Zubereitung von Babynahrung oder eine natriumarme Diät eignet. Für das Trinkwasser hingegen legt die Trinkwasserverordnung sowohl mikrobiologische als auch chemische Parameter fest, die der Wasserversorger einhalten muss. Die Verordnung soll so sicherstellen, dass das Trinkwasser (auch für Babys) gesundheitlich unbedenklich ist.

Bis jetzt haben wir von Schlepperei und Qualität gesprochen, aber noch nicht von dem absolut miesen ökologischen Fußabdruck von Mineralwasser. Mineralwasser wird in Regionen gefördert, die meist mit Bildern idyllischer, sauberer Natur beworben werden. Dabei befindet sich mancher Mineralbrunnen in einem dicht besiedelten Gebiet, gerne auch mal nahe einer Großstadt.

Mineralwasser „verbraucht“ Energie, Ressourcen und auch Trinkwasser

Zum Transport des geförderten Wassers werden Einweg-Verpackungen hergestellt oder Mehrweg-Glasflaschen gereinigt. Für beides werden Energie, Ressourcen und auch Trinkwasser verbraucht – weil es preiswert zu haben ist (siehe oben). Über den Daumen werden je Liter Mineralwasser in Mehrweg-Glasflaschen mehr als 20 Liter Trinkwasser zur Reinigung der Flaschen verbraucht. Der detaillierte Vergleich der Ökobilanzen der verschiedenen Verpackungsformen wie Glasflasche, Einwegkarton, Kunststoff-Mehr- und -Einwegflaschen ist recht komplex und tatsächlich unnötig.

Keine Frage, Trinkwasser gewinnt eh; und es liegt voll im Trend zum Unverpackt-Kaufen. Außerdem muss der Konsument das verpackte Wasser aus der Fabrik, die auch mal in einem Nachbarland stehen kann, in den Supermarkt karren, Mehrwegflaschen müssen hin und her transportiert und gereinigt oder recycelt werden oder Müll muss entsorgt werden. Tatsächlich gibt es inzwischen erste Supermärkte, die dem Nachhaltigkeitsgedanken entsprechend Wasser in Flaschen aus dem Sortiment genommen haben. Stattdessen ist es Kunden möglich, sich ihre eigene Wasserflasche mit Trinkwasser nachzufüllen.

Wasser im Restaurant ist ein anderes Thema: Wenn man in Italien oder Frankreich ins Restaurant geht, bekommt man häufig unaufgefordert einfach eine Karaffe Kraneberger auf den Tisch gestellt. In Deutschland wird man dagegen häufig schief angeguckt, wenn man Leitungswasser verlangt. Weshalb dem so ist? Nun, für das Glas Kraneberger kann das Restaurant nichts berechnen. Aber das Glas Mineralwasser wird dem Gast selbstverständlich mit zwei Euro in Rechnung gestellt.

Also: Was tun? Wir lassen morgens das nächtliche Stagnationswasser ablaufen, denn damit können wir Blumen gießen oder uns die Hände waschen – eh keine schlechte Idee. Woran jedoch lässt sich erkennen, dass das Stagnationswasser raus ist? Einfach das Wasser 30 Sekunden bis eine Minute laufen lassen oder die Hand drunter halten und laufen lassen, bis kaltes oder zumindest kühles Wasser herausläuft. So werden einige wenige Liter Wasser „verschwendet“, was in den meisten Fällen nicht mehr als dem Gegenwert von einem Cent entspricht. Dann hat man hochwertiges Wasser und spart immer noch 17 Liter gegenüber dem Beispiel Glasflasche oben – und den ganzen restlichen erwähnten Aufwand.

Also noch einmal ganz in Ruhe überlegen: Warum kaufen wir Mineralwasser, wenn es unter dem Strich ökologisch mies abschneidet, teurer ist und sogar noch hin und her geschleppt werden muss? Und all das, obwohl sein qualitativer Mehrwert bestenfalls eine Glaubenssache ist?

Autoren: Thomas Wollstein, Frank Magdans

Fachlicher Ansprechpartner
Dipl.-Phys. Thomas Wollstein 
VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik
E-Mail-Adresse: wollstein@vdi.de

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