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Digitalisierung ist alternativlos

Das neue Normal: Produktentwicklung im Homeoffice

Bild: TierneyMJ / Shutterstock.com

Es ist nichts Neues, dass die COVID-19-Pandemie die Welt in ihren Grundfesten erschüttert hat (und weiterhin erschüttert). Abgesehen von den entsetzlichen Verlusten an Menschenleben haben Millionen von Menschen auf der ganzen Welt ihre Arbeit verloren, Unternehmen wurden geschlossen und globale Lieferketten wurden gefährdet. Damit wurde vielen von uns die Lebensgrundlage geraubt. 

Und während einige von uns jetzt vorsichtig ins Büro zurückkehren, haben wir dennoch einen grundlegenden Wandel in der Art und Weise erlebt, wie wir über fast jeden Aspekt der Arbeit denken - von der effektiven Kommunikation mit unseren Kollegen bis hin zu der Frage, wie wir unsere Strategien im Umgang mit einer Post-COVID-19-Welt verändern. Ohne einfachen Zugang zu ihren Fabriken und Labors überdenken die Hersteller sogar, wie sie ihre Produkte entwickeln. Das hat einige dramatische und aufregende Veränderungen angestoßen und wird als Katalysator für Innovationen dienen.

Das neue Normal: Produkte von zu Hause aus entwickeln

Das vielleicht erstaunlichste Ergebnis der Tatsache, dass Produktentwickler, Marketingfachleute, Buchhalter und Personalverantwortliche gezwungen sind, im Home-Office zu arbeiten, ist, dass sich die meisten Unternehmen so schnell angepasst haben. Während man über die Rolle des modernen Büros streiten kann, sobald die Krise abgeklungen ist, ist der Einfluss der Digitalisierung auf unser Arbeitsleben unbestritten. E-Mail und Instant Messenger haben die meisten Papiernotizen längst verbannt. Teams, WebEx, Zoom & Co haben unseren Bedarf an physischen Meetings reduziert. Und die Cloud hat einen einfachen Zugang zu Hochleistungsrechnern geschaffen, der die Notwendigkeit von Rechnerclustern vor Ort überflüssig macht.

Das gilt sogar für Hersteller. Nehmen Sie zum Beispiel die Produktentwicklung. Die Digitalisierung hat den Produktentwicklungsprozess modernisiert und beschleunigt. Nur wenige Produkte werden heute noch von Hand am Zeichentisch skizziert. Stattdessen findet der Entwicklungszyklus – von der Idee über das Design und die Analyse bis hin zur Fertigung und zum Betrieb – virtuell statt. In den frühen Phasen des modernen Entwicklungslebenszyklus ist das Produkt selbst sogar vollständig digital. Mithilfe von Technologien wie CAD und Simulation können Ingenieurinnen und Ingenieure ihr Produkt tausendfach bauen, testen und Feedback von den Auftraggebern einholen – und das in einer sicheren und kostengünstigen digitalen Umgebung. Stellen Sie sich dies wie einen digitalen Sandkasten vor.

Auch die Konnektivität spielt bei der digitalen Transformation eines jeden Unternehmens eine wichtige Rolle. In der Vergangenheit waren Fabrik-Tools wie Supervisory Control and Data Analytics (SCADA) und speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) völlig losgelöst von Unternehmenssoftware wie ERP, Supply Chain- und Product Lifecycle Management. In einer Ära der digitalen Transformation sind diese Systeme nun eng miteinander verwoben. Eine Eingabe in einem CRM-System hat eine unmittelbare Auswirkung auf die Fabrikhalle. Die digitale Transformation ermöglicht es Herstellern, das vernetzte Unternehmen zum Leben zu erwecken und jeden in ihrer Organisation zu befähigen, mehr zu erreichen.
 

Das Verschmelzen der physischen und digitalen Welt

Dieser Wandel ist schon seit einigen Jahren im Gange, dank der Agilität und der Kosteneinsparungen, die diese Technologien bieten können. Aber die COVID-19-Pandemie hat das Tempo dieses monumentalen Wandels beschleunigt. Die physische Welt und die digitale Welt verschmelzen. Oder anders ausgedrückt: Die Grenzen zwischen Informationstechnologie und Betriebstechnologie verschwimmen bis zu dem Punkt, an dem es keinen bedeutenden Unterschied mehr zwischen ihnen gibt.

Dieser Wandel führt zu enormen Vorteilen für die Hersteller. Das Bedienpersonal kann beispielsweise virtuelle Umgebungen für ein besseres Training nutzen, da jedes Szenario simuliert werden kann. Das richtige Vorgehen in schwierigen Situationen kann so ohne reale Konsequenzen und ohne Produktionsstopps erlernt werden. Während der Produktion können Daten aus intelligenten Systemen kontinuierlich zur Bewertung und Verbesserung der Produktion verwendet werden. Verbesserte Einblicke und die Technologie des digitalen Zwillings können den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Fertigung helfen, Probleme schnell zu erkennen und schneller zu beheben.

Die Datenspur der einzelnen Produkte wird als digitaler Faden bezeichnet. Dieser kann in leicht verständliche Erkenntnisse umgewandelt werden, um Ingenieurinnen und Ingenieuren sowie das Bedienpersonal darüber zu informieren, wie eine Anlage arbeitet oder arbeiten wird. Prädiktive Einblicke helfen den Menschen vor Ort, Stillstandsprobleme aufzudecken und zu beheben, bevor sie auftreten.

Der Simulationsimperativ

Während Technologien wie der digitale Zwilling und technische Simulationen vor einem oder zwei Jahrzehnten noch optional waren, sind sie in der heutigen Umgebung eine Notwendigkeit. Nehmen Sie zum Beispiel die Simulation. Während die technische Simulationsindustrie schon seit mehr als 50 Jahren existiert, haben sich Unternehmen erst im letzten Jahrzehnt dieser Technologie zugewandt, um scheinbar unlösbare Probleme zu lösen. Beispiel: Um alle Szenarien, mit denen ein autonomes Auto konfrontiert werden könnte, physisch zu testen, wären etwa 13 Milliarden Kilometer Straßentests zur Validierung erforderlich – eine Aufgabe, die zu unseren Lebzeiten einfach nicht zu bewältigen ist. Aber die Simulation – das virtuelle Testen jedes Szenarios – kann die Zeit, die benötigt wird, um diese Autos auf die Straße zu bringen, dramatisch reduzieren. Es sind nicht nur Produkte, die modelliert und simuliert werden können. Die digitale Transformation befähigt Hersteller, eine ganze Fabrik zu modellieren und zu simulieren.

Simulation hilft Unternehmen, ihre Umsätze zu steigern und erhebliche Kosteneinsparungen zu erzielen. Mit Simulation können Unternehmen Innovationen schnell realisieren, Designideen leicht validieren und die Zykluszeiten verbessern. So können Sie bessere Produkte auf den Markt bringen – und das in einem schnelleren Tempo. Da es sich um ein physisches Produkt in der digitalen Welt handelt, kann die Simulation überall durchgeführt werden. Ingenieurinnen und Ingenieure sind nicht auf ein physisches Labor angewiesen, wenn sie Zugriff auf die Simulation in der Cloud haben. Sie können die gleichen Ergebnisse erzielen – das Verhalten ihres Produkts in der realen Welt verstehen – ohne ihr Zuhause zu verlassen, falls nötig. In der heutigen COVID-19-Umgebung, in der weder die Fachleute der Entwicklungsabteilungen noch deren Produktverantwortliche Zugang zu ihren Fabriken und Testlaboren haben, wird digitales Engineering mit Simulation zu einem Muss.

Die Digitalisierung wird nicht kommen: Sie ist da.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die COVID-19 mit sich bringt, sind in jeder Branche auf der ganzen Welt zu spüren. Aber diese Pandemie bringt auch die Chance für Unternehmen mit sich, ihre Produktentwicklungsprozesse neu zu überdenken. 

Kluge Unternehmen verstehen die Notwendigkeit, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu handeln. Die Unternehmen, die während eines wirtschaftlichen Abschwungs investieren, sind besser aufgestellt, wenn sich die Wirtschaft erholt. Heutige Investitionen in die Digitalisierung werden sich langfristig auszahlen – sowohl im Hinblick auf bahnbrechende Produktentwicklungen als auch auf den wirtschaftlichen Aufschwung, der sich aus dem Vorsprung vor der Konkurrenz ergeben wird. 

Im Zeitalter der digitalen Transformation wird die Simulationssoftware-Branche global stark wachsen. Neue Technologien wie 5G, IoT, Elektrifizierung des Individualverkehrs und autonomes Fahren erfordern Simulation, um ein Produkt schneller auf den Markt zu bringen.

Im Maschinenbau wird das Verhalten von Bauteilen in ihrer Umgebung simuliert. Der Einfluss von Materialparametern auf die Produkteigenschaften in der Anwendung wird mit Hilfe der Simulation umfassend analysiert. Welchen Einfluss haben Fertigungs- und Materialtoleranzen auf die Leistung eines optischen Systems (Richtlinienreihe VDI/VDE 5596) Hält ein mit additiver Fertigung/3-D-Druck (Richtinienreihe VDI 3405) hergestelltes Teil den mechanischen Belastungen im Betrieb stand? Und welche Art von mechanischer Beanspruchung tritt unter typischen Betriebsbedingungen auf? Die Simulation wird die Antworten liefern, bevor Prototypen in kostspieligen Iterationszyklen produziert werden. 

In der Tat ist Simulation nicht mehr eine Option, sondern eine Notwendigkeit. Die Anwendung der Simulation wird nicht nur in Großkonzernen erfolgen, sondern auch in KMUs, die deren Potenzial erkannt haben.

Autor: Günther Hasna, Ansys

Ihr Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Erik Marquardt
VDI/VDE Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik
E-Mail-Adresse: marquardt@vdi.de 

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