Erfolg der Smart Meter hängt an der Akzeptanz bei den Verbrauchern
Die Technik für intelligente Stromnetze in Deutschland ist da. Doch zukunftsfähige Geschäftsmodelle und zeitabhängige Stromtarife lassen auf sich warten. Daran ist nicht nur die erste Generation der Smart Meter schuld, auch in der Politik müssen noch Hausaufgaben gemacht werden.
Die Technik für das Smart Metering in den Stromnetzen ist da (siehe Artikel „Nicht das Gerät muss intelligent sein, sondern das System“). Nun muss sie sich bei den Haushaltskunden endlich im Markt beweisen. Aber immer noch fehlen zeitabhängige Stromtarife auch für den privaten Haushalt, die man dem Volk seit Jahren verspricht. Was ist daran nur so schwierig?
Ein einfacher Grund ist, dass die Smart Meter der ersten Generation gar nicht so intelligent seien, wie man vielleicht denken würde, meint so Heinrich Lang vom Institut für Energiedienstleistungen (Ifed) und Mitglied im Fachausschuss Informationstechnik in der Energietechnik im VDI: „Da die Geräte der ersten Generation sowohl von der Abbildung der Tarife als auch von ihrer Schaltfähigkeit nur das können, was bisher im Markt von konventionellen Geräten abgebildet werden konnte – nur eben BSI-konform – erbringen sie für die Kunden und Anbieter noch keinen echten Fortschritt. Dies ist erst mit der zweiten Generation zu erwarten.“
Jene zweite Generation, auf die muss man wiederum noch etwas warten. Eine wesentliche Veränderung sei für 2022 zu erwarten. Dann nämlich können Kunden Unternehmen beauftragen, um den eigenen Energieverbrauch zu überwachen. „Damit muss dann die Intelligenz nicht mehr beim Prosumer als Hardware verbaut werden und kann immer weiter entwickelt werden“, sagt Lang. Prosumer, das sind die Verbraucher (Consumer), die auch selbst Strom erzeugen und bereitstellen (Producer), sei es durch eine eigene Stromerzeugung oder auch einen Stromspeicher.
Mit diesen Smart-Meter-Systemen der zweiten Generation könnten dann wirklich „intelligente“ Fähigkeiten – vom Alarmsystem bis zur Tarifberatung – in den Energiemarkt einziehen, so Lang. Er glaubt: „Wenn dann die Geräte der zweiten Generation verfügbar sind, wird dies zu einem echten Digitalisierungsschub im Energiebereich führen.“ Bis dahin hätten die Kunden mit der ersten Generation ein Gerät, das sie zwar zahlten, das aber keinen Mehrwert für sie bringe.
Intelligente Dienste auf die lange Bank geschoben
Was man in einem Stromverteilnetz alles an digital basierten Diensten umsetzen kann, das wurde in groß angelegten Studien wie dem E-Energy-Projekt schon vor fast zehn Jahren ermittelt. Die Politik muss aber jetzt ordnend in den Energiemarkt eingreifen, die Rollenaufteilung regeln und Standards festlegen, mit denen alle Energiemarktteilnehmer ihre unterschiedlichen Produkte weiter entwickeln können. „Jedoch darf es nur einen technischen Ansatz geben, der von allen Seiten – ob Anbieter, Kunde oder Dienstleister – vorausgesetzt werden kann“, betont Lang.
Dieser Schritt werde vom Arbeitskreis Standardisierung im Bundeswirtschaftsministerium erst jetzt gemacht, beklagen Lang und sein Fachausschusskollege Jürgen Blümer, Projektleiter für die Digitalisierung der Energiewende beim Messtechnik- und IT-Dienstleister Heinz Lackmann GmbH & Co. KG. unisono. Das hätte aber schon längst passieren können. So wurde auch hier Zeit verloren. Und es ist nicht sicher, ob das Ergebnis des Prozesses wirklich das Smart Metering in Deutschland nach vorne bringen wird. „Es wird sehr spannend, ob der daraus entstehende Kompromiss zur Verschlimmbesserung des eingeschlagenen Weges oder zur Vereinfachung führen wird“, so Lang.
Diese Klärung wäre aber wichtig, verdeutlicht Blümer: „Sollte es nicht zu der von Herrn Lang angeführten Vereinfachung kommen, würden wichtige Anwendungsfälle tatsächlich über Jahre nicht bereitstehen zur Nutzung über eine iMSys-Kommunikationsplattform.“ Sprich: Es könnte passieren, dass die Energiewirtschaft neue digitale Dienste nicht anbieten kann, obwohl ein Smart Meter im Haushalt steht.
Nichtsdestotrotz steht und fällt nach Ansicht von Blümer der Erfolg des Smart Metering in Deutschland mit der positiven Aufnahme durch die Gesellschaft: „Die leichte, sichere und barrierefreie Nutzung des intelligenten Messsystems durch den Endkunden ist wesentlich für die Akzeptanz des Gesamtsystems und Letzteres ist Voraussetzung für den Erfolg des Projektes. Dies, so Jürgen Blümer, hebe auch der Bundesrat in seinem Beschluss vom 3. 7. 2020 hervor: „Die weitere Verbreitung intelligenter Messsysteme kann nur erfolgen, wenn deren Akzeptanz bei den Endverbrauchern gefördert wird. Der Großteil der deutschen Haushalte profitiert aus derzeitiger Sicht nur begrenzt vom Smart-Meter-Rollout“, heißt es dort.
Genau hier kommt wieder ins Spiel, dass die digitalen Dienste durch die Energiewirtschaft schnell ausgerollt werden müssten. Laut Blümer gilt es, die Aspekte des Verbraucherschutzes und die Nutzung des Systems durch den Verbraucher stärker in den Fokus zu nehmen. „Dazu müssen die dazugehörigen Anwendungsfälle mit hoher Priorität bearbeitet werden. Der Verbraucher ist keine Randfigur, sondern muss in den Fokus technischer Betrachtungen gerückt werden, damit technische Lösungen auf Akzeptanz stoßen.“
Es hakt noch im System
Für den VDI ist einer der wichtigen Knackpunkte beim Smart Metering die Interoperabilität im System – und ein aktuelles Problem, wie Lang bestätigt: „Das Zusammenspiel aller Komponenten vom Zähler über das Gateway bis zu den Softwaresystemen funktioniert derzeit nicht, da es derzeit aus dem Markt nicht den Druck gibt.“ Gäbe es Druck aus dem Markt, dann würden diejenigen vom Markt abgeschnitten, die sich nicht anpassten. Nur fehlt der Druck. „Dies könnte man mit Ordnungsrecht angehen, doch wird das nichts nützen“, glaubt der Experte, „Erst wenn der oben genannte Digitalisierungsschub bei den Kunden angekommen ist und ein einzelner Geräteanbieter eine Hemmschwelle darstellt, wird sich das Problem der Interoperabilität schnell beseitigen.“
Für den IT-Spezialisten Blümer ist „Interoperabilität ein Kernelement, das sich von den EU-Direktiven aus Brüssel bis in die Technischen Richtlinien aus Bonn durchzieht“. Doch benötige man mehr Unterstützung durch die Behörden. „Die Branche ist willig, die Interoperabilität zu erarbeiten. Aber dann muss das von allen Beteiligten auch gemeinsam gelebt werden.“
Feintuning bei Regulierung erforderlich
Ein weiterer Hemmschuh für das Smart Metering steckt im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Es ist bisher so gestrickt, dass sich manches einfach nicht lohnt. Einer der Knackpunkte sind die Netznutzungsentgelte, mit denen die Netzbetreiber ihr Geld verdienen. So legt § 14a EnWG bisher schon den grundlegenden Mechanismus fest, dass die Betreiber von steuerbaren – also flexiblen – Verbrauchseinrichtungen im Verteilnetz einen Anspruch auf eine Senkung der Netzentgelte haben, falls sie einer flexiblen Steuerung durch den Netzbetreiber zustimmen.
Doch praktisch greife der § 14a EnWG nicht, weil die „notwendige Verordnung zur näheren Ausgestaltung der Netzentgeltreduktion und der möglichen Steuerungseingriffe“ bislang nicht erlassen worden sei, bemängelt das Bundesumweltministerium (BMU). Gleichwohl werde die gesetzlich geregelte Möglichkeit bereits genutzt, insbesondere für Nachtspeicherheizungen.
Also steht eine Novelle des § 14a EnWG an, damit er in die neue Smart-Meter-Welt passt. Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hat einen Stakeholderprozess eingeleitet, der aber noch nicht abgeschlossen ist. „Die erfolgreiche, schnelle und sichere Integration von neuen flexiblen Verbrauchseinrichtungen wie Ladesäulen für E-Fahrzeuge und Wärmespeicher benötigt eine Novellierung des § 14a EnWG“, so der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) auf Anfrage. Erst dies schaffe die notwendigen Voraussetzungen, damit die Niederspannungsnetze der Aufgabe, die Energie- und Wärmewende zu ermöglichen, gerecht werden können. Mit einer Neuregelung könne es gelingen, die hohe Versorgungszuverlässigkeit aufrechtzuerhalten und gleichzeitig einen optimierten Netzausbaupfad zu gewährleisten.
Ende Juni tagte die AG Intelligente Netze und Zähler, bei der die Reform des § 14a auf der Agenda steht. Das im Energiesektor tätige Aachener Beratungsunternehmen hat über die letzten zwei Jahre ein Konzept der Spitzenglättung ausgearbeitet. Laut BDEW stellt dieses Konzept „einen konstruktiven Ansatz für die Einführung einer netzdienlichen Steuerung von Flexibilität in der Niederspannung dar“. Im Endeffekt werde es aber auf die genauen Ausgestaltungsdetails wie „die zu bestimmenden Zeiträume für die Einführung mit Übergangsregelungen sowie die Anschlussfähigkeit an marktübliche Lösungen ankommen“. Es geht eben nicht nur um die Technik, sondern auch ums Geld. Solange keine lohnenden Geschäftsmodelle für Mehrwertdienste in diesem Umfeld möglich sind, weil die Rahmenbedingungen dies nicht erlauben, werden solche Dienste schlicht und einfach nicht realisiert werden.
Autorin: Greta Meyer
Fachlicher Ansprechpartner:
Christian Borm, M. Sc.
Koordinator des Fokusthemas 1,5 Grad
E-Mail: borm@vdi.de