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Phosphor in Norwegen

„Fund ist eine gute Nachricht für die Welternährung“

Bild: Andrei Dubadzel/ Shutterstock.com

Das Bergbauunternehmen Norge Mining hat in Norwegen über 70 Milliarden Tonnen Phosphatvorkommen in einer Lagerstätte gefunden. Der Fund an sich überrascht nicht – aber seine Dimension. Warum Phosphat vor unserer Haustür ein Gamechanger sein kann. VDI-Experte Prof. Urs Peuker ordnet die Dimension des Phosphatvorkommens ein.

Prof. Urs Peuker ist Lehrstuhlinhaber an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Im Interview verrät er, wie der Abbau von Phosphat funktioniert und warum der Rohstoff vor allem unserer Ernährung zugutekommt.

Wie ist der Fund in Norwegen zu bewerten?

Es ist schon länger bekannt, dass es dort eine entsprechende Lagerstätte gibt. Was neu zu sein scheint, ist die nun festgestellte Dimension.Die größten Lagerstätten, die bisher bearbeitet werden, sind um einen Faktor von 20 bis 30 kleiner. Die Dimension des Funds ist also durchaus bemerkenswert. Die 70 Milliarden Tonnen gefundenes Phosphatvorkommen in Norwegen stehen 140 Millionen Tonnen Jahresproduktion weltweit entgegen. Das klingt schon nach einem Gamechanger.

Wie sieht der Prozess des Phosphatabbaus aus?

Hier besteht ein recht etabliertes Verfahren. Die Lagerstätte liegt mindestens circa 300-400 Meter im Boden. Dort wird man keinen Tagebau mehr machen. Phosphorerz wird also im Untertagebau gewonnen. Also klassisch im Schacht runter. Wobei in Norwegen bereits alles automatisiert abläuft. Das sind begehrte Jobs in Skandinavien. Die Mitarbeitenden sitzen an ihren Joy Sticks übertage und navigieren den Bagger untertage.

Untertage wird wohl nach einer Ständerbauweise vorgegangen. Das gelingt dort sauber und automatisiert. Die Aufbereitung an der Lagerstätte sieht so aus, dass die Sedimentgesteine, also das Phosphorerz mit dem Hauptmineral Apatit kleingemahlen werden. Ausschließend erfolgt eine Flotation, um den Gehalt an Apatit zu erhöhen. Apatit ist das am häufigsten auftretende Phosphat in Gesteinen (Mischmineral). Das Wasser für die Flotation muss richtig konditioniert werden und das ist herausfordernd, da sich Teile des Erzes lösen. Es entsteht damit eine hohe Konzentration an Ionen im Prozesswasser, die die Wirkung der erforderlichen Flotationschemikalien beeinträchtigen kann, weshalb spezielle Rezepturen genutzt werden. Da gibt es aber auch deutsche Chemieunternehmen, die hier entsprechende maßgeschneiderte Flotationschemikalien liefern würden. Der Aufwand für die Aufbereitung ist insgesamt überschaubar. Dann geht es in die Phosphorsäureproduktion.

Wo findet Phosphor am meisten Anwendung?

90 % werden für Dünger verwendet. Wir haben zum Beispiel einen Mangel bei Kunstdünger. Das liegt an der politischen Situation. Aus Russland fehlt derzeit die Bereitstellung. Daher ist die Dimension dieses norwegischen Fundes eine gute Nachricht für die Ernährung der Weltbevölkerung.

Die strategische Reichweite von Phosphor hatte man schon im Blick. Man muss dazu sagen, dass die USA mittlerweile auf Platz 3 der größten Phosphor-Lieferanten abgerutscht ist, Marokko und China haben die Plätze eins und zwei. Durch den Fund in Norwegen können wir uns also freuen, ein paar Jahrzehnte – als grobe Schätzung – für die Welternährung aus Europa selbst gewonnen zu haben.

Wird der Fund an Phosphor die Entwicklung von Zukunftstechnologien vorantreiben?

In den aktuellen Projektionen gehen nur etwa 5 % der weltweiten Jahresproduktion an Phosphor in Technologien der Elektromobilität, Batteriespeicher und Co.. Auf dem Weltmarkt wird das also keine signifikante Entspannung bringen. Allerdings haben wir diesen Rohstoff nun vor der Tür. Wir haben auch bei Nickel bspw. Finnland für den Einsatz bei Hochtechnologien als heimische, europäische Rohstoffquelle.

Das Recycling von Phosphor ist ja so eine Sache…

Ja, wenn ich 90 % des Rohstoffes auf die Felder bringe, stellt sich die Frage des Recyclings. Es gibt aber schon viele Aktivitäten, um zu schauen, wo sich der Phosphor sammelt. Eine große Recyclingquelle ist der Klärschlamm. Hier hat die Gesetzgebung bereits mit der Klärschlammverordnung reagiert, um Recycling aus Klärschlamm voranzubringen. Das ist auf jeden Fall der Hauptweg, um Phosphor im Rohstoffkreislauf zu halten.

Matthias Schnell zur Phosphorrückgewinnung

Nach wie vor befinden sich zahlreiche Rückgewinnungsverfahren in der Erprobung und Entwicklung. Großtechnisch umgesetzt und etabliert sind bisher nur Verfahren, die Phosphor direkt auf den Kläranlagen zurückgewinnen. Diese machen mengenmäßig aber nur einen sehr geringen Anteil aus. Bis 2029 (Beginn der Pflicht zur P-Rückgewinnung aus Klärschlamm) ist die Errichtung weiterer Kapazitäten zur P-Rückgewinnung aus Klärschlamm und Klärschlammasche geplant. Nach aktuellem Planungsstand könnten damit ca. 40 % des unter die Rückgewinnungspflicht fallenden Klärschlamms behandelt werden. Dementsprechend fehlen in der Planung bislang ca. 60 % der Kapazitäten zur Erreichung der Ziele bis 2029. Es sind entsprechend zunehmende Anstrengungen in den nächsten Jahren erforderlich. Das sollte auch unabhängig von neuen Phosphatvorkommen verfolgt werden, um diese Ressourcen bestmöglich zu schonen.

Matthias Schnell, M.Sc. ist Arbeitsgruppenleiter Biomasse an der RWTH Aachen

Autorin: Sarah Janczura

Fachliche Ansprechpartnerin:
Dr. rer.nat. Ljuba Woppowa
VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen
Telefon: +49 211 6214-314
E-Mail-Adresse: woppowa@vdi.de

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