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Plastikmüll im Meer

Was schwimmt denn da?

Laut Angaben der Umweltschutzorganisation WWF besteht drei Viertel des Mülls im Meer aus Plastik. Infolge dieser Misere sterben in den Ozeanen jedes Jahr zehntausende Tiere. Um dem Problem beizukommen, arbeiten Ingenieur*innen an technischen Lösungen. Ein gutes Beispiel ist das Start-up The Ocean Cleanup.

Die Erdoberfläche besteht zu 70 Prozent aus Wasser. Doch Jahr für Jahr gelangen mindestens fünf Millionen Tonnen Plastik in die Meere – ein zunehmendes Problem für Umwelt und Meeresbewohner. Bis zur vollständigen Zersetzung von Plastik können schließlich mehrere hundert Jahre vergehen. Umso dringender sind technische Lösungen gefordert. Das hat sich auch Boyan Slat gedacht: Er hat im Alter von 18 Jahren The Ocean Cleanup gegründet.

Nomen est omen: Im ersten Schritt haben der niederländische Erfinder und sein Team ein Schiff konzipiert, das inzwischen seit zwei Jahren beständig Plastik einsammelt, das auf unseren Weltmeeren herumschwimmt. Das System von The Ocean Cleanup wurde aus der Bucht von San Francisco unter der Golden Gate Bridge ins offene Meer gezogen. Das Ziel: eine Fahrt zum Great Pacific Garbage Patch, dem größten Müllteppich der Welt.

Das 600 Meter lange Röhrensystem wurde dabei von einem Frachtschiff gezogen. Unter den Rohren hing ein drei Meter tiefer Vorhang, der das Mikroplastik auffängt. Nach den ersten Probeläufen hat das niederländische Unternehmen das ursprüngliche System „Wilson“ verbessert. Das optimierte System läuft nun unter dem Namen „001/B“. Das Konstrukt und die Funktionsweise sind identisch. Hinzugekommen ist allerdings eine Art Fallschirm mit Anker.

Auffangnetze stellen keine Gefahr für Fische dar

Die Auffangnetze unter den Rohren am Schiff bilden ein U. Dieses soll möglichst langsam und gleichmäßig durch das Wasser gleiten. Der Fallschirm sorgt indes dafür, dass sich die Geschwindigkeit einhalten lässt. Bei den ersten Tests funktionierte das bewegliche U noch nicht einwandfrei. Vor allem bei schlechtem Wetter war das Konstrukt zu schnell. Die Folge: Der eingesammelte Müll wurde wieder zurück ins Meer getrieben.

Der Vorhang ermöglicht es, bis in eine Tiefe von drei Metern Plastik einzufangen. Fische können darunter ganz einfach wegtauchen. Somit besteht keine Gefahr für die Meeresbewohner. Sensoren und Kameras überwachen die Sammelaktion und leiten Informationen an die Unternehmenszentrale in Delft weiter, zum Beispiel wenn die Anlage zu leeren ist. Die Technologie ist energiesparend, denn es wird nur Energie von den Schiffen verbraucht, die den Sammler entsorgen. Ansonsten sorgen Wellen und Wind für den Antrieb.

Nach Aussagen von The Ocean Cleanup kann die Konstruktion in einem Monat fünf Tonnen Plastiktüten, Flaschen, Becher und anderen Müll einsammeln. Angesichts der Mengen, die in den Ozeanen schwimmen, ist das wahrlich nicht viel. Denn es sind bereits 250 Millionen Tonnen Abfall. Und bis zu 30 Millionen Tonnen kommen jedes Jahr hinzu, so die Prognose des Umweltbundesamts. 80 Prozent des Plastikmülls kommt, so Greenpeace, vom Land. Der Müll gelangt über Flüsse, durch Hochwasserstände oder den Wind in die Weltmeere.

Wie ein Forscherteam unter Leitung des Helmholtz-Instituts für Umweltforschung vor einem Jahr festgestellt hat, gelangen 90 Prozent der Kunststoffeinträge in den Weltmeeren durch zehn große Flusssysteme (in China, Indien, Nigeria, Brasilien, Indonesien, Myanmar und den Philippinen) dorthin, so Dr. Achim Eggert vom Fachbereich Kunststofftechnik im Verein Deutscher Ingenieure. Der VDI setzt sich daher gemeinsam mit Ministerien, Verbänden und Umweltorganisationen dafür ein, diese Eintragswege in die Weltmeere schnellstens zu schließen.

Plastikmüll verursacht wirtschaftliche Schäden

Neben der Umwelt leidet auch die Wirtschaft unter dem Plastikmüll in den Meeren. So manch romantischer Strandbadeort muss erst einmal allmorgendlich vom Plastik befreit werden, damit Badegäste überhaupt im Meer ins Wasser können. Vor allem im asiatisch-pazifischen Raum entstehen pro Jahr Kosten von mehr als 620 Millionen Dollar. Auch vor der französischen Küste ereignen sich immer wieder Vorfälle. Verfangen sich Netz und anderer Plastikmüll in den Schrauben der Schiffe, gefährdet das die Ansaugstutzen. Diese wirtschaftlichen Kosten tragen jedoch nicht die Verursacher.

Nach Ansicht von Dr. Eggert kommen noch andere Aspekte dazu: „Solange die Weltbevölkerung gebrauchte Produkte nach deren Lebenszyklus nicht wieder in die Produktionskreisläufe einbringt, wird sich an dem Entsorgungsverhalten der Menschen nichts ändern. Wir müssen zukünftig gebrauchte Produkte und vor allen Dingen auch gebrauchte Kunststoffprodukte als Wertstoffe betrachten und diese in einer Kreislaufwirtschaft wieder dem Produktionsprozess zur Verfügung stellen. Ein solches Umdenken erfordert umgehend eine geänderte Philosophie zum Einsatz von Primär- und Sekundärrohstoffen in unseren Produktionsprozessen. Und wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir dazu unsere technologischen Errungenschaften einer modernen Kunststoffabfall- und Kreislaufwirtschaft schnellstmöglich in andere Länder transferieren müssen.“ Demnach sind Industrie, Verbände und Politik gefordert.

Weitere Lösungsansätze im Kampf gegen den Plastikmüll

In der Regel gelangt der Müll über Land ins Wasser. Dies geschieht vor allem in Ländern Südostasiens, in denen die Sammlung von Abfällen nicht einwandfrei funktioniert. Generell gilt: Der wichtigste Schritt zur Prävention ist es, Plastikverpackungen zu vermeiden. So gelangen diese erst gar nicht in die Umwelt. Als zweiter Schritt müsste die Abfallwirtschaft in den betreffenden Ländern besser funktionieren. Doch oftmals fehlen die Mittel zum Recycling. In Deutschland ist es so geregelt, dass Firmen, die verpackte Güter vertreiben, eine Lizenzabgabe auf Verpackungen leisten. In vielen anderen Ländern ist das noch lange nicht Standard. Nationale Gesetze sind ebenfalls notwendig, um eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen.

Von plastikfreien Meeren träumen viele Menschen, unter anderem auch die Architektin Marcella Hansch. Dafür hat sie eine Anlage zur Säuberung von Flüssen und Meeren konzipiert und im Jahr 2016 den gemeinnützigen Verein „Pacific Garbage Screening“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit einem Team von Ingenieuren, Architekten und Meeresliebhabern verfolgt sie seitdem diese Vision. Das Interview mit Marcella Hansch zu ihrem Projekt lesen Sie hier. Laut ihr hilft es schon, wenn jeder einzelne bei niedriger Temperatur wäscht, Filter oder Waschbeutel nutzt und keine Weichspüler einsetzt, um das Abwasser reiner zu halten.

Am Ende steht der Mensch

Kunststoff könne sich je nach Beschaffenheit mehrere Jahrhunderte halten, ohne sich vollständig abzubauen. Das erklärt Kim Detloff, Nabu-Experte für Plastikmüll in den Meeren. Gewisse Teile zersetzen sich unter Sonnenstrahlung und Reibung im Meerwasser zu dünnen Fäden, die an Plankton erinnern, und deshalb von Fischen und Vögeln gefressen werden. Dabei geben sie Bisphenol A und Phthalate ab, die krebserregend und hormonell wirken können. Am Ende dieser Nahrungskette steht der Mensch. Tatsächlich konnten Biologen diese Inhaltsstoffe im menschlichen Blut und als Ablagerungen in den Organen nachweisen. Umso dringender sind Lösungen gefordert, die den Anteil an Plastikmüll in den Meeren reduzieren.

Autoren: Greta Meyer, Frank Magdans

Ansprechpartner im VDI:
Dr. Achim Eggert
Fachbereich Kunststofftechnik
E-Mail-Adresse: eggert@vdi.de

 

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