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Die Bahn – emissionsarm, aber laut?

Warum Lärmminderung im Schienenverkehr wichtig ist

Bild: Stefano Ember/Shutterstock.com

Der Schienenverkehr kann nur dann stark zur Vermeidung von CO2-Emissionen beitragen, wenn er wächst und Verkehrsverlagerung eintritt. Sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr könnten jeweils bis 2030 etwa zwölf Millionen Tonnen CO2 eingespart werden – durch Verdoppelung der Verkehrsleistung. Dagegen spricht die Lärmerhöhung. Pure Verdoppelung der Zuganzahl würde drei Dezibel mehr Lärm bedeuten.

Da diese Verdoppelung nicht gleichmäßig erfolgen kann, würden die Lärmzunahmen an vielen Stellen noch größer. Zudem ist die Lärmsituation bereits heute auf vielen Linien sehr unbefriedigend. Aktuell erfolgt durch die Umrüstung der Güterwagen von Grauguss- auf Verbundbremssohlen eine spürbare Lärmminderung der Güterzüge. Die Verbundsohlen führen zu glatteren Radoberflächen, wohingegen Graugussbremsen die Laufflächen aufrauen. Wenn die Schienen auch glatt sind, kann es Lärmreduktionen bis zehn dB geben, was etwa einer Halbierung der empfundenen Lautstärke entspricht. 

Dennoch sind die auftretenden maximalen Dauerschallpegel mit 75 bis 80 dB(A) noch weit über dem zumutbaren Maß von 55 dB(A). So ist die Existenz von über 300 Bürgerinitiativen in Deutschland gegen Bahnlärm nicht verwunderlich. Die hierzulande übliche Methode der lokalen Lärmminderung durch Schallschutzwände wird gesetzlich durch die Schall 03(2014) bedingt, statt für Lärmminderung an Gleisen und Fahrzeugen an der Quelle zu sorgen. Die Schallschutzwände an Neubaustrecken zerschneiden nicht nur die Sichtachsen für die Anwohner, sondern verunmöglichen auch für die Reisenden den Blick aus dem Fenster.

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Welche Auswirkungen hat Lärm auf uns?

Die Akzeptanz von Lärmbelastung sinkt.

Hohes Tempo, großer Lärm

Seit 2019 sind 19 Bahnlärm-Monitoringstationen an Bestandsstrecken vorhanden, an denen weiterhin keinerlei gesetzlichen Immissionsgrenzwerte bestehen. Sie zeigen, dass an Stellen, an denen schnell gefahren werden kann, häufig Personenzüge lauter sind als Güterzüge – etwa in den Messstationen Telgte und Stadthagen, wo auch Züge mit 200 km/h vorbeifahren. 

Dieses unbefriedigende Lärmverhalten hat viele Gründe. Einer ist, dass im Bahnbereich verschiedentlich der allgemeine Stand der Technik nicht umgesetzt wird und manche Konstruktionen auch von den neuesten Fahrzeugen sehr veraltet sind. So sind die Stromabnehmer nicht nur sehr zerklüftet und mit scharfen Kanten versehen, was starke aerodynamische Geräusche verursacht. Auch zur Kompensation des zunehmenden Auftriebs durch die Geschwindigkeitserhöhungum das Fahrzeug werden bis postkartengroße Windleitbleche eingesetzt – mit großer Lärmerzeugung, anstatt diesem Problem regelungstechnisch zu begegnen. 

Beides führt zu Strömungslärm, der mit der sechsten Potenz der Fahrgeschwindigkeit zunimmt und die riesigen Lärmschutzwände bedingt. Der Schienenverkehr hat so noch ein sehr großes Potenzial zur Lärmminderung nicht nur am Fahrzeug, sondern auch bei der Gleiskonstruktion. Es ist mehr als wünschenswert, diese Potenziale zu heben, damit zum einen der Widerstand gegen Wachstum des Schienenverkehrs aufhört und zum anderen sich die Situation verbessert – und zwar nicht durch Maßnahmen am Ausbreitungsweg wie Lärmschutzwände oder gar Lärmschutztunnel, sondern durch starke Reduktion der Lärmentstehung.

 

Autoren: Prof. Dr.-Ing. Markus Hecht, Institut für Land- und Seeverkehr, M.Sc.Jonathan Tschepe, Institut für Strömungsmechanik und Technische Akustik, beide Technische Universität Berlin

Der Artikel ist im iQ-Journal (01/2022) des VDI Braunschweiger Bezirksverein e.V. erschienen.

Ansprechpartner im VDI
Dipl.-Ing. Simon Jäckel
VDI-Fachbereich Bahntechnik
E-Mail-Adresse: jaeckel@vdi.de
 

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