Herausforderung Klimaanpassung im Verkehr: Schiff und Schiene
Während wir das voll klimatisierte Auto an heißen Tagen als angenehmen Rückzugsort empfinden, glüht unter uns die Straße vor Hitze. Durch den Klimawandel werden Hitze- und Trockenperioden länger, häufiger und intensiver. Dabei wird es nicht nur auf der Autobahn heiß, auch im Schienenverkehr ist Hitzeschutz gefragt. Der Schiffsverkehr wird durch niedrige Pegel beeinträchtigt oder kommt zum Erliegen. Benjamin Kossmann, Institut für Schiffstechnik, Meerestechnik und Transportsysteme und Carina Herrmann, Deutsches Zentrum für Schienenverkehrsforschung beim Eisenbahn-Bundesamt, berichten.
Neben der grünen, blauen und sozialen Infrastruktur bildet die graue Infrastruktur einen wichtigen Bereich ab, um notwendige bzw. benötigte Maßnahmen und Strategien zur Anpassung an den Klimawandel umzusetzen. Sie umfasst dabei vor allem das Bau- und Verkehrswesen und stellt damit eine essenzielle Verbindung in die Industrie dar. Mit Blick auf den Klimaschutz ist das Verlegen der Transportwege auf die Straße dabei keine Option. Doch wie wappnen wir uns vor Hitze und Dürre im Schiffs- und Schienenverkehr?
Böschungsbrände und Sturmwurf entlang der Schieneninfrastruktur
Hitze und Dürre haben Auswirkungen auf die Schieneninfrastruktur und hierbei insbesondere auf die gleisbegleitende Vegetation. Trockenstress bei Bäumen, durch den die Bäume anfälliger für Krankheiten und Schädlinge werden, kann eine Folge von Dürre sein. Dadurch wird auch ihre Anfälligkeit für Sturmwurf erhöht. Außerdem können Hitze und vor allem Dürre die Entstehung von Böschungsbränden begünstigen.
Um dem vorzubeugen, muss ein an beide Gefährdungen angepasstes Vegetationsmanagement betrieben werden. In der Richtlinie 882 „Landschaftspflege und Vegetationskontrolle“ der DB Netz AG wird das Vegetationsmanagement für die deutsche Schieneninfrastruktur ausführlich beschrieben. Für Sturmwurf sind in der Richtlinie mehrere Konzepte zur Vermeidung von Baumstürzen aufgeführt. Die Gefährdung durch Böschungsbrände wird jedoch noch nicht adäquat berücksichtigt. Die Handlungsempfehlungen zur Vermeidung von Böschungsbränden müssen daher so gestaltet werden, dass sie eine große Schnittmenge zum Vegetationsmanagement gegen Sturmwurfgefahr aufweisen. Hier ist die Betrachtung der Rückschnittzone besonders wichtig. Die Rückschnittzone grenzt direkt an den Gleisbereich und stellt einen Bereich intensiver Vegetationsbearbeitung dar. Die Ausdehnung der Rückschnittzone ist variabel (mindestens 6 Meter von der Gleismitte des außenliegenden Gleises). In der Rückschnittzone soll verhindert werden, dass die Vegetation eine Höhe bzw. Ausdehnung erreicht, die eine Gefahr für den sicheren Eisenbahnbetrieb darstellt. Die Stabilisierungszone schließt sich unmittelbar an die Rückschnittzone an. Sie stellt häufig einen von Gehölzen geprägten Bereich dar. Ziel in der Stabilisierungszone ist es, Gefahren für den sicheren und ungehinderten Eisenbahnbetrieb auszuschließen. Diese können in Form von Baumstürzen, Astbrüchen oder sich unter Wind- oder Schneelast neigenden Bäumen auftreten. Daher werden standfeste, gesunde Vegetationsbestände über einen möglichst langen Zeitraum erhalten bzw. herausgepflegt.
Böschungsbrände treten insbesondere in der Nähe zu den Gleisen und daher in der von größerer Vegetation freizuhaltenden Rückschnittzone auf. Aufgrund des erheblichen Pflegeaufwands ist besonders die Akkumulation von trockener Biomasse nach der Pflege zu vermeiden. Neben der Rückschnittzone wird auch die Betrachtung der Stabilisierungszone empfohlen, da Böschungsbrände auch außerhalb der Rückschnittzone entstehen oder sich ausgehend von dieser ausbreiten können. Ausführliche Informationen bezüglich Handlungsempfehlungen sind im Forschungsbericht „Sensitivitätsanalyse Vegetation entlang der Bundesverkehrswege bezüglich Sturmwurfgefahren und Böschungsbränden“ des DZSF nachzulesen.
Umrüstung von Schiffsflotten bei Niedrigwasser
Fuhr man in den letzten Jahren an einem heißen Tag im Sommer an den Rhein, fiel oft eins auf: sehr wenig Wasser, was zu Tal fließt und viele frei liegende Buhnen und Schiffe, die erstaunlich wenig Tiefgang aufweisen. Gerade der Rhein ist einer der wichtigsten Transportkorridore von den Seehäfen ins Hinterland. Viele Massengüter wie Kohle und Erz, aber auch Chemikalien und Öle, gelangen per Schiff ins Hinterland. Was aber ist zu tun, wenn die Wasserstände bei Trockenheit drastisch fallen? Fluss oder Schiff anpassen? Ersteres ist schwer bis kaum umzusetzen. Neben den ökologischen Auswirkungen würden sich mehrere Baustellen am Strom ergeben, wogegen der Bau des BER oder der Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals dem einer Kleinbaustelle gleichen würde. Über Jahrzehnte wäre die Wasserstraße nur eingeschränkt oder gar nicht nutzbar.
Die Anpassung des Schiffs hingegen gelingt schon eher. Neubauten werden inzwischen auf Niedrigwasserfähigkeit ausgelegt. Hier lassen sich Niedrigwasserschiffe wie die Stolt Ludwigshafen der BASF nennen. Diese können bei kleinen Tiefgängen von 1,20 Metern operieren. Aufgrund der geringen Neubauraten würde eine Umstellung jedoch Jahrzehnte dauern. Hier kommt die Umrüstung, das sogenannte Retro-Fit ins Spiel. Was ist der Gedanke dahinter? Waren müssen kostengünstig transportiert werden. Ein großer Teil des Massengut- und Containerverkehrs entfällt auf die Binnenschifffahrt. Diese Güter müssen meist von den Seehäfen in Antwerpen, Rotterdam oder Hamburg ins Hinterland transportiert werden. Tritt Niedrigwasser auf, was zur Fahrunfähigkeit vieler Schiffe führt, kann nicht immer auf das durch Wasserstand geregelte Kanalnetz ausgewichen werden. Immerhin liegen viele Industriestandorte wie Duisburg oder Ludwigshafen an einem Fluss. Andere Verkehrsträger können einen Ausfall der Binnenschifffahrt kaum kompensieren. Schon gar nicht den Transport der beschriebenen Massengüter, wie Erze und Kohle oder Container. Immerhin transportiert ein großes Rheinschiff bis zu 450 TEU (Twenty-Foot Equivalent Unit = 20-Fuß-Standardcontainer) und ersetzt damit bis zu 225 LKW.
Weshalb Niedrigwasser ein Problem für die Schifffahrt ist und welche technischen Lösungen es gibt erklärt Benjamin Kossmann vom Institut für Schiffstechnik, Meerestechnik und Transportsysteme. Jetzt lesen
Im vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Forschungsvorhaben „Entwicklung von Binnenschiffen für extreme Niedrigwasserbedingungen“ (FlaBi) befasst sich das geförderte Projekt neben der Entwicklung von neuen Schiffs- und Propulsionskonzepten für Binnenschiffs-Neubauten auch mit nachträglichen Umrüstmaßnahmen für die fahrende Flotte.
#KlimaanpassungInGrau
Um den Industriestandort Deutschland für die Zukunft zu sichern, muss es uns gelingen, die bestehenden Herausforderungen basierend auf Hitze und Dürre zu bewältigen und unsere graue Infrastruktur an das Klima anzupassen. Die Expertinnen und Experten haben gezeigt, dass Lösungsansätze dazu bereits bestehen. Dabei darf der Klimaschutz nicht außer Acht gelassen werden, um eine nachhaltige und klimaangepasste Zukunft zu gestalten.
Fachliche Ansprechpartnerinnen:
Dipl.-Geogr. Catharina Fröhling │ Dr. Johanna Vondran
Projektkoordination „Herausforderung – Anpassung an den Klimawandel"
E-Mail: klimaanpassung@vdi.de