Energieträger Wasserstoff
VDI-Zukunftsdialog Wasserstoff
Handlungsfelder für den Wasserstoffhochlauf in Deutschland
Der Weg zur klimaneutralen Energienutzung führt an Wasserstoff nicht vorbei. Doch der Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ist weiterhin fragil. Welche Herausforderungen es gibt, das beschreibt der VDI-Zukunftsdialog „Wasserstoff“ in fünf Handlungsfeldern, zu denen die Expertinnen und Experten aus Industrie, Wissenschaft und Zivilgesellschaft nun systematisch Handlungsempfehlungen entwickeln.
Ziele und Vorgehen des VDI-Zukunftsdialogs Wasserstoff
Der Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft braucht eine systemische Sicht. Dies wird deutlich durch die starken Wechselwirkungen zwischen den Handlungsfeldern und Herausforderungen. Der VDI-Zukunftsdialog nimmt daher die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette in den Blick. Denn der Erfolg eines schnellen Hochlaufs der deutschen Wasserstoffwirtschaft hängt entscheidend von der Entwicklung eines ganzheitlichen und sektorübergreifenden Ansatzes ab.
Der VDI-Zukunftsdialog Wasserstoff arbeitet in den identifizierten Handlungsfeldern nun an konkreten Handlungsempfehlungen für Politik und Industrie. Diese sollen dazu beitragen, geeignete Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland zu schaffen. Damit möchten die Beteiligten einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Energieversorgung in Deutschland leisten und die Wasserstoffwirtschaft als Schlüsseltechnologie und Werkzeug für die Energiewende und den Klimaschutz voranbringen.
Der Wasserstoffhochlauf hat mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen. Die Mittel sind knapp, es gibt viel Unsicherheit, der Point of no return Richtung Wasserstoff ist noch nicht überall erreicht. Wir brauchen einen starken, guten Dialog, um ein gemeinschaftliches Zielbild und einen verlässlichen Plan zu entwickeln.
Die Herausforderungen in fünf Handlungsfeldern
Die unzureichende Finanzierung ist für viele Akteure eine große Herausforderung, weshalb Wasserstoffprojekte für viele Investoren unattraktiv sind. Dies liegt an einer ungünstigen Kombination aus hohen Investitionssummen, langen Amortisationszeiten – also der Zeitspanne, in der sich die Kosten der Investition rentieren – und hohen Risiken.
Erschwert wird dies durch Unsicherheiten hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit von Wasserstoffprojekten. Dies liegt unter anderem an den hohen Kosten, die aufgrund von Unsicherheiten und fehlenden Abnehmern bzw. unsicheren Abnahmemengen entstehen.
Seitens der Regulatorik fehlen verlässliche, langfristige Rahmenbedingungen mit einem Zeithorizont deutlich über das Jahr 2030 hinaus. Viele Unternehmen verschieben deshalb finale Investitionsentscheidungen.
Auch knappe Rohstoffe (z. B. seltene Erden, PGM, Iridium) und Einschränkungen bei der Nutzbarkeit bestimmter Technologien (z.B. PFAS) sind eine Herausforderung und machen eine verstärkte Forschung nach Alternativen bzw. verstärkte Kooperation mit anderen Ländern notwendig, um den Hochlauf im großen Maßstab zu ermöglichen.
Darüber hinaus kann auch eine fehlende Akzeptanz, häufig aufgrund von Wissenslücken und Fehlinformationen, den Hochlauf erschweren. Dies kann zu einem Fehlen grüner Leitmärkte führen, was wiederrum nachteilig für potenzielle Anwender von grünem Wasserstoff und damit für die gesamte Wertschöpfungskette ist.
Der VDI-Zukunftsdialog Wasserstoff ist Teil der VDI-Initiative Zukunft Deutschland 2050.
Normungsroadmap Wasserstofftechnologien
Für die Transformation zu einer defossilisierten Wirtschaft ist Wasserstoff als Energieträger, -speicher und Element der Sektorenkopplung ein zentraler Baustein. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Verbundprojekt “Normungsroadmap Wasserstofftechnologien” unterstützt den Wasserstoff-Markthochlauf aktiv und trägt dazu bei, eine entsprechende Qualitätsinfrastruktur für Wasserstofftechnologien aufzubauen.
Normen und Standards bilden zusammen mit den rechtlichen Rahmenbedingungen das Grundgerüst für den Wasserstoff-Markthochlauf und die dazugehörige Qualitätsinfrastruktur.
Sie definieren Terminologie, Schnittstellen, Sicherheits-, System- und Qualitätsanforderungen, sowie Prüfungs- und Zertifizierungsgrundlagen und schaffen somit ein einheitliches Verständnis über Fachgebietsgrenzen hinweg und ermöglichen die Skalierung dieser Technologie. Technische Regelsetzung unterstützt zudem rechtssicheres Handeln und bildet die Grundlage für belastbare wirtschaftliche Investitionen.
Im Rahmen des im Januar gestarteten Verbundprojekts wird zusammen mit Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und der Zivilgesellschaft ein strategischer Fahrplan erarbeitet für eine schnelle und gezielte Erweiterung und Anpassung des technischen Regelwerks im Bereich der Wasserstofftechnologien.
Bausteine des Projekts
Das Projekt wird einen Überblick über den Status Quo der Normung und Standardisierung im Bereich Wasserstofftechnologien geben, Anforderungen und Herausforderungen für die gesamte Wertschöpfungskette identifizieren und daraus ableitend Handlungsbedarfe für zukünftige Normen und Standards formulieren. Auf der Basis dieser Vorschläge werden konkrete Normungs- und Standardisierungsprojekte angestoßen und umgesetzt.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist die aktive Vernetzung mit der Vielzahl der im Bereich der Wasserstofftechnologien laufenden Aktivitäten, Initiativen und Projekten rund um das Thema Normung. Dies ist ein wichtiger Punkt, um auf bestehenden Arbeiten aufzubauen, Doppelarbeit zu vermeiden und ein weitreichendes Normungsnetzwerk auch auf europäischer und internationaler Ebene zu bilden.
Aufgrund der Vielzahl der betroffenen Sektoren, Gremien und einzubindenden Stakeholder bietet eine Normungsroadmap ein bewährtes Instrument zur Aufstellung der notwendigen Maßnahmen. Sie bindet zum Thema Wasserstofftechnologie alle relevanten Stakeholder ein und entwirft einen abgestimmten Fahrplan zu notwenigen Normungs- und Standardisierungsaktivitäten und anderen Handlungsbedarfen.
An der Roadmap mitarbeiten
Sie sind herzlich eingeladen, an der Normungsroadmap Wasserstofftechnologien mitzuarbeiten. Sie können sich in verschiedenen themenspezifischen Arbeitsgruppen beteiligen. Alle weiteren Informationen zum Aufbau und Ablauf finden Sie auf unserer Erarbeitungsplattform DIN.ONE
Über das Projekt
Das Verbundprojekt „Normungsroadmap Wasserstofftechnologien“ ist eine gemeinsame Initiative des Deutschen Instituts für Normung e. V. (DIN), der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE (DKE), des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW), des Vereins für die Normung und Weiterentwicklung des Bahnwesens e. V. (NWB), des Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA), des VDI e.V. sowie des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA).
Über Wasserstoff
Wasserstoff wird als vielversprechender Energieträger der Zukunft angesehen, da er eine hohe Energiedichte aufweist, bei der Verbrennung keine Treibhausgase emittiert und vielfältig einsetzbar ist.
In seiner Herstellung offenbart Wasserstoff Tücken: Damit das Gas keinen CO2-Rucksack trägt, braucht es „grünen“ Wasserstoff. Verfahrenstechnisch muss demzufolge die Wasserelektrolyse mit Ökostrom das heute in der chemischen Industrie gängige erdgasbasierte Verfahren der Dampfreformation ersetzen. Denn hierbei werden relativ große Mengen CO2 freigesetzt. Dann wird aus dem bisherigen „grauen“ Wasserstoff „grüner“.
Hinzu kommt eine weitere Variante: „blauer“ Wasserstoff. Dies ist „grauer“ Wasserstoff, dessen CO2-stoffhaltige Gasströme abgeschieden und dann gespeichert werden. Carbon Capture & Storage, kurz CCS, nennt man diese Verfahren, die in Deutschland hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz sehr umstritten sind, in anderen Ländern hingegen als Teil von Dekarbonisierungsstrategien akzeptiert werden.
Die Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen ist noch mit technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen verbunden. Eine Möglichkeit, grünen Wasserstoff herzustellen, ist die Elektrolyse von Wasser. Dabei wird elektrischer Strom verwendet, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Es gibt verschiedene Elektrolyseverfahren, die sich in ihrer Funktionsweise, ihrem Wirkungsgrad, ihren Kosten und ihren Anwendungsbereichen unterscheiden.
Die gängigen Elektrolyseverfahren sind:
Die AEL spaltet, wie auch die anderen Wasserelektrolysearten Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff. Dabei wird eine alkalische Lösung, die durch die enthaltenen OH- Ionen den elektrischen Strom leitet, als Elektrolyt verwendet. Ein gasundurchlässiges Diaphragma ermöglicht eine Ladungsaustausch durch die Ionen, ohne dass sich die beiden entstehenden Gase mischen können. Sauerstoff entsteht an der Anode und der Wasserstoff an der Kathode, welche durch das Diaphragma räumlich voneinander getrennt sind. Typischerweise werden Elektroden in sogenannten „Stacks“ angeordnet, die mehrere Elektrodenpaare zu einer größeren Einheit kombinieren.
Die AEL ist die am längsten etablierte Art der Elektrolyse und daher technisch vergleichsweise ausgereift. Sie zeichnet sich außerdem durch ihre hohe Langzeitstabilität und vergleichsweise geringen Investitionskosten aus. Allerdings sind die Drücke, mit denen der Wasserstoff gewonnen werden kann, eher gering (1-30 bar), die Empfindlichkeit für CO2 ist hoch und die Kaltstartzeit beträgt etwa 50 Minuten.
Eine deutlich kürzere Kaltstartzeit von etwa 15 Minuten hat die PEMEL, die durch die festen Polymerelektrolyten eine weniger komplexe Peripherie aufweist. Außerdem ermöglicht es diese Technologie sehr reinen Wasserstoff herzustellen und höherer Drücke zu erreichen, als die AEL. Hier ist die Membran semipermeable für Protonen, sie lässt also selektiv von H+ Ionen passieren.
Der größte Nachteil sind die benötigten katalytisch aktiven Bestandteile der Elektroden. Diese bestehen aus Platin und Iridium, welche sehr selten und damit teuer sind. Dadurch ergeben sich deutlich höhere Investitionskosten.
Die AEMEL ist eine deutlich jüngere Technologie, die Versucht die Vorteile der beiden vorhergenannten Elektrolysearten zu verknüpfen und zeichnet sich durch einen kompakten Aufbau, sowie durch edelmetallfreie Katalysatoren aus. Herausforderungen in der Technologie gibt es noch bezüglich der Ionenleitfähigkeit und der Langzeitstabilität. Außerdem ist diese sensibler gegenüber Drückschwankungen.
Bei de Hochtemperatur-Elektrolyse (HTEL) wird anstelle des flüssigen Wassers Wasserdampf verwendet und wird bei Temperaturen zwischen 500 und 1000 °C durchgeführt. Dadurch kann ein Teil der nötigen Energie über Wärme in das System eingebracht werden und ermöglicht einen erhöhten elektrischen Wirkungsgrad. Meist werden für diese Technologie Festoxid-Elektrolyte (engl. Solid Oxide Electolyte; SOEL) verwendet, die sauerstoffionenleitend sind. Die HTEL kommt aufgrund der erhöhten Temperatur und der daraus resultierenden verbesserten Reaktionskinetik meist ohne Edelmetalle für die Katalyse der Elektrodenreaktionen aus.