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Qualifikationsmix und Schwarmorganisation

Anforderungen an den Mobilitätsingenieur 2030

Bild: Gorodenkoff/Shutterstock.com

Der Wandel in der Mobilität nimmt Fahrt auf. Das hohe Tempo erfordert eine neue Sicht auf die ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen. Wie müssen sie sich weiterentwickeln und welche Fähigkeiten braucht es in der Zukunft?

Diese Fähigkeiten werden es den Ingenieurinnen und Ingenieuren von morgen weiterhin ermöglichen, erfolgreiche Produktinnovationen zu entwickeln. Konnektivität, autonomes Fahren, Antrieb und Sicherheit sind nun für die nächste Phase der Entwicklung der Branche ebenso wichtig wie die Traditionsdisziplinen Maschinenbau und Elektrotechnik. Die Art und Weise sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen Industrie und Hochschulen zusammenarbeiten, sind entscheidend für die Schaffung und Erhaltung von fähigen Fachleuten.

Die FISITA-Initiative „Mobility Engineer 2030“ zielt darauf ab, diejenigen Fähigkeiten zu identifizieren, die Mobilitätsingenieure im Jahr 2030 benötigen werden. Die Interessenslage ist klar:

  • Die Industrie hat einen direkten Bedarf, ständig neue und gut ausgebildete Ingenieurinnen und Ingenieure zu rekrutieren und einen hohen Grad an Innovation sicherzustellen.
  • Die akademische Welt entwickelt Talente, versorgt den Arbeitsmarkt und bietet bedeutende Forschungskapazitäten und Unterstützung.

Da die beiden Interessen eng miteinander verknüpft sind, um zufriedenstellende Lösungen zu finden, ist es wünschenswert, dass die Beteiligten in einen stetigen und bestenfalls über eine formalisierte neutrale Plattform moderierten Dialog treten.

Veränderungen am Beispiel der Automobilbranche

Aktuell ergeben sich folgende Handlungsfelder für die Automobilbranche:

  1. Elektrische Traktion: Ökosystem inklusive nicht-automobiler Infrastruktur. Dazu gehören erneuerbare Energien und intelligente Netze.
  2. Autonomes Fahren:  Automatisierung mit hohem Sicherheitsniveau. Dies beinhaltet künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Methoden, um das erforderliche Sicherheitsniveau zu gewährleisten.
  3. Vernetzte Autos: Ökosystem, Standardisierung von Protokollen, Bandbreite, Cybersecurity, etc.
  4. Mobilität auf Abruf: neue Dienstleistungen (zum Teil in Partnerschaft mit der öffentlichen Hand), Car-Sharing oder Eigentum, neue Geschäftsmodelle

Technische und interdisziplinäre Qualifikationsanforderungen

Traditionellen Fähigkeiten in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik (MINT) werden ein wichtiger Teil des Qualifikationsmix bleiben. Fundierte Kenntnisse in den Bereichen Maschinenbau, Mechatronik und Werkstoffe werden auch zukünftig notwendig sein. Im Kontext der elektrifizierten, vernetzten, autonomen und geteilten Mobilität wird jedoch das Qualifikationsprofil von „Universal“-Ingenieur*innen  mit einem tieferen Verständnis für andere Ingenieurdisziplinen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Generell erwarten die Unternehmen eine Verschiebung des Anforderungsprofils an einen reinen Maschinenbauingenieur hin zu einer Mischung aus Maschinenbau- und Elektronik- oder Maschinenbau- und Softwareingenieur*in. Branchenexpert*innen sehen Simulation, virtuelles Testen, virtuelles Prototyping und virtuelle Realität als Bereiche mit disruptivem Potenzial im automobilen Entwicklungsprozess. Eine schnelle Zunahme der modellbasierten Entwicklung, Hand in Hand mit der Fähigkeit, Simulationsergebnisse in die Realität zu übertragen, wird als wesentlich für die schnelle Entwicklung fortschrittlicher Produkte angesehen.

Dabei muss nicht zwingend die Einzelperson jede Fähigkeit mitbringen, sondern insbesondere das Team muss interdisziplinär zusammengesetzt werden, um alle Fähigkeiten zu bündeln, die für die Handlungsfelder der Zukunft benötigt werden. Ein heterogenes Miteinander von Expertinnen und Experten, die kommunizieren können, wird erwartet.

Anforderungen an Projekt-, Prozessmanagement und Soft Skills

In Zukunft werden Ingenieurinnen und Ingenieure daher in noch agileren und größtenteils funktionsübergreifenden Umgebungen arbeiten als heute. Das bedeutet, dass Unternehmen zunehmend Wert auf Offenheit für und Neugierde auf neue Wege der Zusammenarbeit in neuen Organisationsstrukturen und neuen teambasierten Arbeitsmodellen legen werden. Das Arbeiten in sogenannten „Schwarmorganisationen“ wird wahrscheinlich Teil der täglichen Routine werden, ein neuer Stil der Arbeitsdisziplin, der als eine wichtige und fortschrittliche Managementfähigkeit angesehen wird.

Umfassendes, interdisziplinäres Know-how und Flexibilität werden als wesentliche Bestandteile der Fähigkeiten der zukünftigen Ingenieurin bzw. des zukünftigen Ingenieurs angesehen, die in der Lage sind, sich neues Wissen anzueignen, neue Technologien schnell zu verstehen und nicht standardisierte Lösungen zu entwickeln.

Da sich unsere Mobilität weiterentwickelt und mehr Geräte der Unterhaltungselektronik – z.B. im Auto – integriert werden, müssen Ingenieureinnen und Ingenieure nun auch andere „nicht-technische“ Fähigkeiten mitbringen, wie z. B. Kenntnisse über Markt- und Gesellschaftstrends, über Benutzererfahrung und menschliche Faktoren. Da sich die Technologie immer schneller weiterentwickelt, betonen Unternehmen die Notwendigkeit von visionärem Denken und einer Out-of-the-box-Einstellung, um schnell innovative und kreative Lösungen zu finden.

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung des FISITA White Paper „Mobility Engineer 2030“. Die Vollversion in englischer Sprache kann auf der Internetseite von FISITA bezogen werden.

Autor: Simon Jäckel

Fachliche Ansprechpartner:
Dipl.-Ing. Simon Jäckel
VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik (FVT)
E-Mail: jaeckel@vdi.de

Dr. Saša Jacob
Verein Deutscher Ingenieure e.V.
Referent Ingenieurausbildung 
E-Mail: jacob@vdi.de

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