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Ingenieur*innen im Denkmalschutz

Denkmalschutz und Klima

Bild: Bildagentur Zoonar GmbH/ Shutterstock.com

Für Ingenieurinnen und Ingenieure ist der Denkmalschutz ein wunderbar vielfältiges und interdisziplinäres Berufsfeld. Unter dem Primat des Klimawandels ergeben sich neue Herausforderungen, dadurch sind das Wissen und Können des Berufsstands gefragt wie nie zuvor.

Der Klimawandel und seine Folgen sind uns in diesem Jahr so drastisch vor Augen geführt worden wie selten zuvor. Nach den Hitzesommern der letzten Jahre nun 2021 die Flutkatastrophen in Deutschland. Es sind schwere Zeiten, auch für den Denkmalschutz: Am Oberlauf des Eifelflüsschens Ahr wurde gleich ein halbes Dutzend, teilweise unter Denkmalschutz stehender Gebäude geflutet. Auch in anderen Orten entlang der Ahr standen denkmalgeschützte Gebäude fast dachhoch im Wasser.

„Die Folgen des Klimawandels wie Stürme und mit Trockenheit verbundene Dürreperioden sowie Überschwemmungen stellen eine deutliche Gefahr auch für Baudenkmale und denkmalgeschützte Gärten dar“, weiß Saskia Schöfer. Die Diplomarchitektin arbeitet als wissenschaftliche Referentin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) im Bereich Denkmalpflege. „Die heißen Sommer 2018 und 2019 haben teilweise den Baugrund verändert, was zu Setzungen und Rissen in historischen Bauten führte. Die Tragfähigkeit historischer Fundamente ist auch durch Grundwasserabsenkungen gefährdet, welche kritisch hinterfragt werden müssen.“

Neue Lösungen für den Denkmalschutz im Klimawandel gefragt

Wie sich der Denkmalschutz im Zeichen des Klimawandels erfolgreich anpassen kann, zeigte sich bei der Flutkatastrophe Mitte Juli im Freilichtmuseum Kommern in der Eifel. Die Schäden an den historischen Häusern seien begrenzt geblieben, sagte Museumsleiter Josef Mangold im WDR. Dank eines Wassermanagements, das die Fluten an den Gebäuden vorbeiführt. Denn so manches historische Gebäude sei „sehr gefährdet, vor allem bei Schlagregen, der gegen die Fachwerkfassaden pladdert“, erklärt Mangold. „Der wäscht sehr viel aus, dadurch kommen die Schäden am Gerüst und das Wasser dringt in die Gebäude hinein.“

Bewährt hätten sich bei kleineren Hochwassern an Baudenkmalen zum Beispiel Vorrichtungen an Fenstern und Türen zur Aufnahme von Schutzverbretterungen, so Saskia Schöfer. Für die Schadensabwehr von Extremhochwassern seien aber sicherlich neue ganzheitliche Lösungen zu entwickeln. „Neben dem Regenschutz, der bei vielen traditionellen Bauweisen beispielsweise durch Dachüberstände, Verkleidung der Wetterseiten und hoch liegende Sockelbereiche gewährleistet wurde, gewinnt auf Grund der Klimaveränderungen auch in unseren Breiten der sommerliche Wärmeschutz immer mehr an Bedeutung und es müssen denkmalgerechte Lösungen erarbeitet werden.“

Arbeit im Denkmalschutz: enorm vielfältig, sehr individuell und interessant

Auf die kommende Generation von Ingenieurinnen und Ingenieuren in der Denkmalpflege kommen also viele neue Aufgaben zu. Dabei ist Schöfer zufolge, die im Bereich der praktischen Denkmalpflege beim LWL den Berufsalltag gut beurteilen kann, schon heute ein ganzheitlicher Umgang mit der Bausubstanz und gleichzeitig ein umfangreiches Detailwissen nötig.

„Neben dem Verständnis und der Wertschätzung der historischen Bauweisen ist die Arbeit im Team der Baubeteiligten besonders wichtig, denn nur so können vom allgemeinen Standard abweichende denkmalgerechte Lösungen erfolgreich entwickelt werden“, sagt sie. Das Ingenieurwesen bringt dabei eine große Vielfalt an Disziplinen ein, zum Beispiel Architektur, Tragwerkslehre, Bauphysik, Brandschutz oder technischen Gebäudeausrüstung. „Die Aufgaben sind enorm vielfältig, sehr individuell und interessant.“

In der Praxis gelte es dann, an den Denkmalschutz angepasste Lösungen zu finden. Ein Beispiel: das Zisterzienserinnenkloster St. Marienthal in Ostritz in der Oberlausitz. Klöster dieses Ordens liegen vom Prinzip ihrer Anlage her in Wassernähe. Der Gebäudekomplex in Ostritz steht in einem gewachsenen Flussbett und hat schon lange mit Schäden durch Grundhochwasser zu kämpfen. Im Rahmen eines Projekts der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) wurde anderthalb Jahre lang getestet, bis ein geeigneter Fußbodenaufbau gefunden wurde: Porenbeton. Als Baustoff könne er feuchtebelastete Böden vor weiteren Schäden schützen, so DBU-Referatsleiterin Constanze Fuhrmann. Eine Fußbodenheizung trockne darüber hinaus die oberen Schichten der Böden im Gebäude schneller als bisher. St. Marienthal, so die Hoffnung, können nun Blaupause für die Lösung vergleichbarer Probleme bei anderen historischen Bauten sein. 

Denkmal- kontra Klimaschutz: Was ist dran?

Manchmal entsteht der Eindruck, der Denkmalschutz verhindere ökonomisch oder ökologisch sinnvolle Maßnahmen. Beispiel: Der Landesrechnungshof Baden-Württemberg teilt mit, die grün-geführte Landesregierung solle es versäumt haben, bei Baumaßnahmen an einer Reihe von Landesgebäuden Solaranlagen zu installieren. Nun hat der Rechnungshof selbst an seinem Sitz in Karlsruhe keine Solaranlage, ist aber auch nicht Gebäudeinhaber, räumte Präsident Günther Benz ein. Um dann zu ergänzen: Das Gebäude sei aber auch denkmalgeschützt ...

Das Denkmalschutz Klimaschutz verhindere und zu teuer sei – aus Sicht von LWL-Expertin Saskia Schöfer ein „Vorurteil“, denn „wirtschaftlich zahlt sich eine solide Ausführung mit wertigen Materialien durch eine längere Haltbarkeit aus und möglicherweise erhöhte Investitionen können durch Steuererleichterungen und Förderprogramme aufgefangen werden“.

Besonders im Bereich der energetischen Ertüchtigung seien mit dem KfW-Programm „Energieeffizienz im Baudenkmal“ gute Voraussetzungen für die Förderung energetischer Maßnahmen im Baudenkmal geschaffen worden – ohne hiermit die Bausubstanz zu gefährden. „Ingenieurinnen und Ingenieure können zum Beispiel als Energieberater im Baudenkmal dazu beitragen, energetische und denkmalpflegerische Ziele zu verwirklichen“, so Schöfer.

Für den Klimaschutz vom Denkmalschutz lernen

Andersherum wird für Schöfer ein Schuh draus: „Die Erhaltung, Weiternutzung und Umnutzung von Denkmalen sind ökologisch und ressourcenschonend.“ Betrachte man den gesamten Nutzungszyklus eines Baudenkmals, dann seien Vorteile wie die Einsparungen im Bereich der Baustofferzeugung, die Vermeidung von Bauschutt und von Flächenverbrauch sichtbar. 

„Denkmalpflegerische Methoden wie Substanzerhaltung und substanzschonende Reparaturen mit häufig ökologischen Baustoffen entsprechen weitestgehend dem Nachhaltigkeitsgedanken“, betont die Diplom-Architektin. Im Bereich historischer Stadt- und Ortskerne böten Nahmobilität, Nahversorgung und ein identitätsstiftendes Wohnumfeld eine qualitätvolle Infrastruktur, die zudem gut geeignet sei für eine dezentrale Energieversorgung wie Blockheizkraftwerke und Fernwärme.

Der VDI hat gerade mit einem interdisziplinären Team von Fachleuten aus Denkmalpflege und vielen Bereichen der Bautechnik die bestehende Richtlinienreihe VDI 3817 „Baudenkmale und denkmalwerte Gebäude“ grundlegend überarbeitet und erweitert. Die Reihe umfasst die Themen „Denkmalpflegerische Grundsätze und Grundlagen“, „Baukonstruktion“, "Technische Gebäudeausrüstung“ und „Facility Management/Gebäudeunterhalt“. Die Richtlinien enthalten Handlungsanleitungen, Empfehlungen, Hinweise, Checklisten und Bewertungskriterien für die besonderen Anforderungen an die Planung von Baumaßnahmen im Baudenkmal.

Autor: Peter Uhlmann

Ihr Ansprechpartner im VDI:
Rouven Selge, M.Eng.
VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik
E-Mail-Adresse: selge@vdi.de 

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