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Klimaschutz

Europäisches Emissionshandelssystem wird ausgeweitet

Bild: Dmytro Mikriukov/ Shutterstock.com

In den zurückliegenden Handelsperioden hat das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS 1) unter Beweis gestellt, wie wichtig sein Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen aus der Energiewirtschaft und den energieintensiven Industrien ist. Das EU-ETS 1 ist ein wesentlicher Baustein für die notwendige Transformation der Industrie hin zur angestrebten Klimaneutralität. Ab dem Jahr 2027 wird dieses europäische Handelssystem in Form des EU-ETS 2 zusätzlich auf den Gebäude- und den Verkehrssektor ausgeweitet, um die ambitionierten Klimaschutzziele erreichen zu können. 

Mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) verfügt Deutschland bereits seit 2021 über ein nationales Emissionshandelssystem (nEHS) für den Gebäude- und Verkehrssektor. Nun gilt es regierungsseitig, das nEHS in der Übergangszeit zwischen 2024 und 2026 möglichst reibungslos in das EU-ETS 2 zu überführen.

Vor diesem Hintergrund nutzten Fachleute und Interessierte aus Industrie und Behörden sowie zuständige Beratungs- und Prüfstellen am 12. Oktober 2023 in Düsseldorf die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch auf dem „VDI-Expertenforum Emissionshandel“.

Folgende, aktuelle Themen standen im Mittelpunkt der diesjährigen, 26. Ausgabe des VDI-Expertenforums:

  • Regulatorische Änderungen

Dr. Uwe Neuser, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), ging in erster Linie auf die regulatorischen Änderungen des europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS 1) ein: Beispielsweise die Steigerung des Ambitionsniveau auf 62 Prozent gegenüber 2005, die Einbeziehung von Abfallverbrennungsanlagen und des internationalen Seeverkehrs, die Fortführung des Benchmark-Ansatz für kostenlose Zuteilung. Neuser informierte weiterhin über den Auslauf der kostenlosen Zuteilung im Luftverkehr bis 2026 sowie den Einstieg in den Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism - CBAM).

Neu seien die Fördermöglichkeiten für Dekarbonisierungsmaßnahmen, die die Maßnahmen zum Carbon-Leakage (CL)-Schutz ergänzen. Perspektivisch sollten laut Neuser die Maßnahmen für den CL-Schutz durch den CBAM ersetzt werden.

  • Änderungen bei der Umsetzung

Was die betroffenen Unternehmen bei der Umsetzung der regulatorischen Änderungen des EU-ETS 1 sowie beim Übergang vom nEHS zum EU-ETS 2 neu zu beachten hätten, zeigten die beiden Vertreter der Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt), Lars Langefeld und Andreas Wendl-Damerius. Sie versicherten, dass die DEHSt alles Mögliche versuche, um Doppelarbeit beim Übergang vom nEHS zum EU-ETS 2 zu vermeiden, stellten aber anderseits klar, dass sich dies leider nicht komplett vermeiden ließe. Es kämen zusätzliche Aufgaben auf die Unternehmen zu, die es fristgerecht zu erledigen gelte, um finanzielle Verluste zu vermeiden. Deshalb sei den Betroffenen ausdrücklich empfohlen, sich frühzeitig um die Zuständigkeiten im Unternehmen zu kümmern, bei Bedarf Hilfe durch Beraterfirmen einholen und sich rechtzeitig eine unabhängige Prüfstelle zur Verifizierung zu sichern

  • Grüne Leitmärkte und Industrietransformation

Zu einer wirkungsvollen und nachhaltigen Transformation der deutschen Industrie in Richtung Klimaneutralität bedarf es aus Sicht von Stela Ivanova, BMWK, eines geeigneten Maßnahmenmixes aus marktwirtschaftlichen Instrumenten: Insbesondere seien hier die CO2-Bepreisung im europäischen Emissionshandel zu nennen, der Grenzausgleichsmechanismus, zielgerichtete Förderinstrumente zur Dekarbonisierung und ein verlässlicher politischer Rahmen. Der Bundesregierung sei die Gestaltung der entsprechenden Rahmenbedingungen für die Transformation zu einer klimafreundlichen und zugleich wettbewerbsfähigen Industrie ein zentrales Anliegen. Hierzu gehöre insbesondere die Einführung von sogenannten „grünen Leitmärkten“ für Grundstoffe. Deren Etablierung könne durch die Bevorzugung CO2-armer Grundstoffe in der öffentlichen Beschaffung, durch Einführung von Mindeststandards und Quoten sowie durch Vorgaben von Grenzwerten für Güter, Projekte sowie Gebäude gefördert werden.

  • Die energieintensive Industrie auf dem Weg zur Klimaneutralität

Vertreter von vier verschiedenen, energieintensiven Prozessindustrien stellten die aus Ihrer Sicht besten Strategien zur Dekarbonisierung vor:

Die Stahlindustrie, die den größten Anteil klimarelevanter Emissionen der deutschen Prozessindustrie verursacht, stehe laut Dr. Martin Theuringer, Wirtschaftsvereinigung Stahl, unter einem enormen internationalen Wettbewerbsdruck, der die nachhaltige Transformation der Deutschen Stahlindustrie erschwere. Gleichzeitig biete die Vermarktung von „grünem Stahl“ aber auch Wettbewerbschancen. In seinem Vortrag betonte Theuringer, dass die finanzielle Unterstützung der Umbaumaßnahmen durch den Staat und die Bereitstellung ausreichender Wasserstoffkapazitäten entscheidend für die Transformation der Stahlproduktion seien.

Für die Dekarbonisierung der chemischen Grundstoffindustrie sei beabsichtigt, so Dr. Jörg Rothermel vom VCI, zukünftig neben dem vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien auf alternative Rohstoffe zu setzen. Er nannte hierbeispielsweise recycelte Kunststoffe, Biomasse und aus Verbrennungsprozessen abgeschiedenes CO2, bezeichnet als Carbon Capture and Utilization (CCU).

Ähnlich in der Kalkindustrie: Philip Nuyken, Bundesverband Kalk, erläuterte, dass dort künftig für die erforderliche Energiebereitstellung auf klimaneutrale Brennstoffe, wie beispielweise Biomasse, zurückgegriffen werden solle. Carbon Capture and Storage (CCS) sowie die Carbonatisierung seien weitere mögliche Schritte, die CO2‑Emissionen zu reduzieren.

Die Papierindustrie sieht ihre größten Herausforderungen, aber gleichzeitig auch Transformationsmöglichkeiten darin, den Strom- und Wasserbedarf zu senken sowie die Recyclingquote zu erhöhen.

Mit dem europäischen Emissionshandelssystem zur Klimaneutralität

Roland Geres, FutureCamp Holding GmbH, München und Leiter des Expertenforums, betonte zusammenfassend, wie wichtig das europäische Emissionshandelssystem und die Maßnahmen zur Dekarbonisierung seien, um die deutschen energieintensiven Industrien klimaneutral zu machen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Eine erfolgreiche Transformation hänge allerdings nicht nur von der Ausgestaltung der regulatorischen Randbedingungen, sondern auch von der finanziellen Unterstützung durch den Staat ab. Hier sei einmal mehr die Bundesregierung gefragt, der Industrie einen verlässlichen Rahmen zu schaffen.

Fachlicher Ansprechpartner:
Dipl.-Ing. Peter Plegnière
VDI/DIN Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) – Normenausschuss
Telefon: +49 211 6214-552
E-Mail: plegniere@vdi.de 

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