Direkt zum Inhalt
Hitzeschutz für unsere Gebäude

Gebäude: Dämmung ist der wichtigste Schritt zur Energieeinsparung

Bild: Vova Shevchuk/Shutterstock.com

Im Zuge des Klimawandels bekommen wir es im Sommer mit längeren und heißeren Hitzeperioden zu tun. Bei extremer Hitze wird ein Aufenthalt drinnen empfohlen. Doch da ist es häufig nur eine Frage der Zeit, bis auch die Wohnung aufgeheizt ist. Im Winter hingegen kühlen schlecht isolierte Wohnungen schnell aus und verursachen extremen Energieverbrauch und hohe Heizkosten.

Gute Dämm- und Isolierstoffe sind also zum einen eine effektive Maßnahme zur Anpassung an den Klimawandel. Zum anderen unterstützen sie gleichzeitig im Klimaschutz, um Energie einzusparen und CO2-Emissionen zu reduzieren. Doch welche Dämmstoffe eignen sich am besten und wie ist ihre Klimabilanz in der Herstellung?

Dämmung ist die Allzweckwaffe im Kampf gegen Energieverschwendung und CO2-Erzeugung. Die wenigsten Menschen wissen, wie viel Energie mit der Herstellung von Dämmstoffen (Glaswolle, Styrol etc.) verbraucht wird. Umso wichtiger ist die energieeffiziente Herstellung von Dämmstoffen. VDI-Experte Dr. Klaus Ries, BASF SE Ludwigshafen, erklärt uns die Zusammenhänge. 

VDI: Warum nimmt die Sanierungswelle keine Fahrt auf?

Klaus Ries: In Deutschland haben wir 19 Millionen Wohngebäude, rund 84 Prozent davon sind Ein- und Zweifamilienhäuser. Ein Großteil dieser Gebäude wurde vor der ersten Wärmeschutzverordnung, die 1979 in Kraft getreten ist, erbaut und erfüllen nicht einmal minimale energetische Anforderungen. Hier müssen wir zuerst ansetzen. Leider wurde deren Eigentümer den vergangenen Monaten stark verunsichert: durch eine Bundesbauministerin, die sich mehrmals gegen die Sinnhaftigkeit von Dämmung ausgesprochen hat, durch die reißerische Berichterstattung über den „Zwangseinbau“ der Wärmepumpe in Bestandsgebäude und durch eine undurchsichtige Förderlandschaft. Und das alles geschah in einem schwierigen Umfeld aus hohen Energiekosten, stetig steigenden Baukosten und allgemein hoher Inflation. Kein Wunder, dass Hausbesitzer lieber erst einmal abwarten. Wir haben momentan eine Renovierungsrate von knapp einem Prozent – Tendenz fallend – , bräuchten aber das Zwei- oder Dreifache, wenn wir in Deutschland wirklich bis 2045 einen klimaneutralen Gebäudebestand erreichen möchten.

Energetische Sanierung vor neuer Heizung

Frage: Was können Hausbesitzer tun?

Klaus Ries: Auch wenn jedes Bestandsgebäude individuell betrachtet werden muss, so sollte aus wirtschaftlichen und Klimaschutz-Gründen für jedes Gebäude das „Efficiency First Prinzip“ gelten. Denn die beste Kilowattstunde ist die, die gar nicht erst erzeugt wird. Zunächst sollte deshalb die Gebäudehülle energetisch saniert, dann eine neue, dem Wärmebedarf angepasste Heizung eingebaut und zum Schluss der verbliebene Energiebedarf über erneuerbare Energien erzeugt werden. Ein umgekehrtes Vorgehen, angetrieben beispielsweise durch die einseitige finanzielle Förderung von Wärmepumpen, wird in vielen Fällen zu hohen Betriebskosten für Hausbesitzer führen. Die Wärmepumpe war für viele Monate omnipräsent in den Medien. Allerdings wissen viele Hausbesitzer bis heute nicht, dass sich ihr Einbau in ein bestehendes Gebäude nur lohnt, wenn das Haus ausreichend gedämmt ist. Dies ist bei vielen Häusern jedoch noch nicht der Fall: Nach Berechnungen einer Studie des Forschungsinstituts für Wärmeschutz e.V. München (FIW) im Auftrag des VDPM - Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. müsste etwa jedes zweite Gebäude zunächst gedämmt werden, damit die Wärmepumpe effizient betrieben werden kann. Ist dies nicht der Fall, werden viele Hausbesitzer von den hohen Stromkosten überrascht werden, die durch den Betrieb einer ineffizienten Wärmepumpe entstehen. Die Wärmedämmung und der damit verbundene geringere Heizwärmebedarf ist somit der beste Schutz vor explodierenden Energiepreisen. Das gilt auch für den Stromverbrauch von Klimageräten, deren Bedeutung als Energieverbraucher infolge des Klimawandels immer stärker wird.

Kurzum, die Bedeutung der Gebäudehüllemuss wieder stärker in den Fokus rücken. Das bedeutet zumindest, dass Wärmeschutz und Anlagentechnik immer zusammen gedacht werden müssen und somit auch in ähnlichem Maße gefördert werden sollten. 

VDI: Welche Materialien gibt es und wie gut eignen sie sich zur Erreichung eines klimaneutralen Gebäudebestands?

Klaus Ries: Die Materialien und Technologien, die wir für einen klimaneutralen Gebäudebestand benötigen, sind bereits heute verfügbar. Beim Hebel Gebäudehülle haben Gebäudebesitzer die Wahl zwischen Dämmstoffen auf Basis mineralischer Rohstoffe, wie zum Beispiel Steinfaser, nachwachsender Rohstoffe, wie zum Beispiel Holzweichfaser, oder synthetischer Rohstoffe, wie zum Beispiel expandiertes Polystyrol, das auch unter der Abkürzung EPS bekannt ist. Alle Dämmstoffe sind in Deutschland zugelassen und erfüllen jegliche Sicherheitsanforderungen. Für welchen Dämmstoff auch immer man sich entscheidet, die CO2-Emissionen, die während der Nutzphase eingespart werden, sind ein Vielfaches der Emissionen, die zur Herstellung der Dämmstoffe freigesetzt werden. Für EPS beispielsweise hat das Forschungsinstitut für Wärmeschutz e.V. München (FIW) die Amortisationszeiten für die grauen Emissionen ermittelt: Aus ökologischer Sicht rechnet sich die EPS-Dämmung bei fossilen Energieträgern innerhalb von 0,5 bis 1,5 Jahren, Wenn Sie bedenken, dass Gebäude 40 Jahre und länger genutzt werden, kommt da einiges an gesparten CO2-Emissionen zusammen.

Die verschiedenen Dämmstoffe unterschieden sich allerdings deutlich in der Performance - beispielsweise in ihrer Dämmleistung pro Quadratmeter - und im Preis. EPS bietet hier im Vergleich mit anderen Dämmstoffen das beste Preis-Leistungsverhältnis. Langfristig, das heißt, wenn der Anteil erneuerbarer Energie im Gebäudebereich sehr hoch ist, wird auch der CO2-Fußabruck der Baustoffe und damit auch der Dämmstoffe stärker in den Fokus rücken. Hier sehen wir EPS-Dämmstoffe von BASF gut positioniert, um unseren Kunden nachhaltige Produkte mit niedrigem oder keinem CO2-Fußabdruck anbieten zu können. Wir haben in den letzten Jahren ein breites Portfolio an nachhaltigen Produkten aufgebaut, das wir stetig weiterentwickeln.

VDI: Können Sie etwas näher auf EPS-Dämmstoffe und die Entwicklung eines nachhaltigeren Sortiments eingehen?

Klaus Ries: Expandiertes Polystyrol wurde durch BASF entwickelt und wurde erstmalig 1954 unter dem Namen Styropor vermarket. Weiße Platten aus Styropor® werden seit rund 50 Jahren auch zur Wärmedämmung im Gebäudesektor eingesetzt. Der EPS-Dämmstoff ist sehr leicht und gut verarbeitbar und besteht zu 98 Prozent aus Luft und nur zu 2 Prozent Polystyrol, inklusive Flammschutzmittel. In den letzten Jahren hat sich im Baubereich, insbesondere für die Fassadendämmung, immer stärker das graue EPS – ebenfalls eine Erfindung von BASF – durchgesetzt. Es wird unter dem Namen Neopor® vermarket. Dem EPS-Rohstoff wird bei der Herstellung Grafit zugesetzt. Hierdurch erreichen die geschäumten Platten bei gleicher Dämmstoffdicke eine um bis zu 25 Prozent bessere Dämmleistung als Platten aus weißem EPS. 

CO2-Fußabdruck von Baustoffen muss massiv gesenkt werden

Auch diese auf fossilen Rohstoffen basierenden Produkte zeichnen sich durch ein hervorragendes Nachhaltigkeitsprofilaus, wenn man die bereits erwähnten Emissionen berücksichtigt, die im Laufe der Nutzungsphase eingespart werden: Das Forum für sicheres Dämmen mit EPS hat für einen Bungalow mit 100 m2 Wohnfläche berechnet, dass sich diese bei einer Nutzungsdauer von 40 Jahren auf die 36-fache Menge der Herstellungsenergie für die Dämmstoffe beziehungsweise 124 Tonnen CO2 belaufen. In Wirklichkeit können EPS-Dämmstoffe mit gleich hoher Dämmleistung auch viel länger benutzt werden – genauso lange wie das Haus. Diese immense CO2-Einsparung während der Nutzungsdauer des Gebäudes wird in den Diskussionen häufig vergessen. 

Die chemische Industrie befindet sich mitten im größten Transformationsprozess seit der industriellen Revolution: Innerhalb weniger Jahrzehnte muss der Umstieg auf recycelte oder nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energie gelingen, damit eine klimaneutrale Produktion erreicht werden kann. Seit einigen Jahren bietet BASF daher eine Vielzahl an Produkten, darunter Neopor® und Styropor®, auch als massenbilanzierte Produkte mit verringertem CO2-Fußabdruck an. Für diese Produkte werden fossile Rohstoffe, die zur Herstellung des Dämmrohstoffs nötig sind, zu Beginn des Produktionsverbunds zum Beispiel durch erneuerbare ersetzt. Mithilfe des zertifizierten Biomassenbilanz-Ansatzes (BMB) werden in einem konsistenten und transparenten Verfahren eingesparte Ressourcen und Emissionen den Verkaufsprodukten zugeordnet. Diese Produktionsweise ist der kosteneffizienteste Weg, um fossile Ressourcen zu ersetzen. Im Vergleich zu konventionell produziertem Neopor® reduziert sich der CO2-Fußabdruck von Neopor® BMB um 100 Prozent. Gleichzeitig bleiben alle wichtigen Produkteigenschaften des Rohstoffs für den EPS-Dämmstoff zu 100 Prozent erhalten. Der Massenbilanzansatz ist notwendig, um den Transformationsprozess in der Bauindustrie voranzutreiben und den CO2-Fußabdruck von Baustoffen massiv zu senken. Es wäre utopisch zu glauben, dass wir künftig nur noch mit Holz, Lehm und nachwachsenden Rohstoffen bauen können – und ob das nachhaltig ist, ist stark anzuzweifeln, wenn man etwa an den Zustand der deutschen Wälder denkt.

VDI: Und wie steht es um die Nachhaltigkeit von EPS im Vergleich zu anderen Dämmstoffen?

Klaus Ries: Zur Bewertung der Umweltwirkungen von Baustoffen werden typischerweise Umwelt-Produktdeklarationen (englische Bezeichnung Environmental Product Declarations, abgekürzt EPD) genutzt. Die in den EPD enthaltenen Ökobilanzdaten bilden die Grundlage für die Bewertung von Gebäuden. Hierfür werden in einer Lebenszyklus-Analyse die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes, die Bauphase, die Nutzungsphase sowie der Rückbau und die Entsorgung berücksichtigt. Vergleicht man die Treibhausgasemissionen der verschiedenen Dämmstoffe auf Basis der jeweiligen EPDs über den gesamten Lebenszyklus hinweg, dann verfügen Dämmstoffe aus Neopor® BMB über geringere Emissionen als zum Beispiel Dämmstoffplatten aus Holzweichfaser oder Mineralfaserdämmstoffe. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch die Institute ifeu gGmbH und natureplus e.V. Sie haben in einer Studie gängige Dämmmaterialien untersucht und unter Einbeziehung des gesamten Lebenszyklus bewertet. Das Ergebnis zeigt: In den Bauteilen und Anwendungen, in denen nur Dämmstoffplatten eingesetzt werden können, wie zum Beispiel an der Fassade oder auf dem Flachdach, schneidet EPS am vorteilhaftesten ab, noch vor Holzweichfaserdämmstoffen.

Momentan wird das Bauen mit Holz in den Medien und von Politikern stark begünstigt. Es scheint, Holz und andere Dämmstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe seien das Allheilmittel für den Bausektor, um den CO2-Fußabdruck von Gebäuden zu senken. Die begrenzte Verfügbarkeit und fragwürde Herkunft des Holzes wird dabei gerne außer Acht gelassen. Holzweichfaserdämmstoffe gelten in der breiten Öffentlichkeit per se als nachhaltig. Jedoch kaum jemand weiß, dass die Produkte ebenfalls Flammschutzmittel und chemische Zusätze, wie zum Beispiel Bindemittel, enthalten. 

VDI: Wie steht es um die Recyclingfähigkeit von EPS?

Klaus Ries: EPS wird seit vielen Jahren erfolgreich recycelt. Das ist bereits gelebte Praxis. Dafür werden die Abschnitte, die während der Montage auf der Baustelle anfallen, gesammelt und dem Produktionsprozess wieder zugeführt. Auch EPS mit dem heutigen Flammschutzmittel, das bereits in Gebäuden verbaut ist, kann recycelt werden. Allerdings gibt es diesen Abfallstrom aufgrund der langen Lebensdauer von Gebäuden heute noch nicht. Aber auch dafür sind bereits Rückbautechnologien verfügbar. 

Im Rahmen der europäischen Initiative PSLoop wurde gezeigt, dass auch altes EPS mit dem früheren Flammschutzmitte HBCD, recycelt werden kann. Das HBCD wird dabei separiert und zerstört. Das recycelte Polystyrol-Granulat kann für die Produktion neuer EPS-Dämmstoffe genutzt werden.

Das Interview führten Ljuba Woppowa und Johanna Vondran.

Ansprechpartnerinnen im VDI:
Dr. Ljuba Woppowa
VDI-Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen
E-Mail: Woppowa@vdi.de 

Dr. Johanna Vondran
VDI-Topthema Klimaanpassung
E-Mail: klimaanpassung@vdi.de 

Artikel teilen