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Mobilität

Ist Wasserstoff als Benzinersatz für Pkw sinnvoll?

Bild: Audio und Werbung/Shutterstock.com

(Grüner) Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft und zentraler Baustein der Energiewende. Auch als Treibstoff ist er gefragt. Doch ist der Wasserstoffantrieb für jeden Fahrzeugtyp geeignet und wirtschaftlich? Dr. Ralf Marquard, Sprecher des VDI-Expertengremiums Antriebe, erklärt, wo er Vor- und Nachteile sieht.

VDI: Wasserstoff soll beispielsweise bei Lkw oder Flugzeugen direkt im Verbrennungsmotor als Treibstoff genutzt werden. Wieso wird diese Lösung nicht für den Pkw angeboten?

Marquard: Grundsätzlich ist Wasserstoff auch für die Verbrennungsmotoren von Pkw geeignet. BMW hat das zum Beispiel bereits vor mehreren Jahren in der Öffentlichkeit dargestellt. Für den Einsatz in Pkw fehlt allerdings die notwendige Infrastruktur. Das Umrüsten von Tankstellen zur Verteilung von Wasserstoff ist mit sehr hohen Investitionen verbunden, sodass es heute noch keinen Business-Case für die Tankstellenbetreiber und die Pkw-Hersteller gibt.

VDI: Weshalb hat man sich im Pkw für den Umweg der Energieumwandlung in einer Brennstoffzelle entschieden? Hat das Reichweitengründe?

Marquard: Ja, aus meiner Sicht ist das so. Die Architektur von Pkw mit elektrischen Antrieben und Batteriespeicherung ist grundsätzlich gut vorbereitet für einen Einsatz von Brennstoffzellen und Wasserstofftank. Selbstverständlich benötigt der Pkw zahlreiche Modifikationen, um auf Brennstoffzelle und Wasserstoffspeicherung umgerüstet zu werden. Im Vergleich zur Batteriespeicherung kann ein Pkw mit Wasserstoff-Brennstoffzelle bei gleicher Masse und gleichem Volumen der jeweiligen Powertrain-Komponenten eine größere Distanz zurücklegen. Zudem ist das Auftanken von Wasserstoff in deutlich kürzerer Zeit möglich als das Laden einer Batterie.

VDI: Das Netz zum Nachtanken von Wasserstoff ist nach wie vor sehr weitmaschig. Wird sich daran in nächster Zeit etwas ändern bzw. wo liegt der Fokus des Infrastrukturausbaus?

Marquard: Ich kann mir vorstellen, dass zunächst eine sinnvolle Infrastruktur für die Versorgung von Langstrecken-Lkw in Europa errichtet wird, die nicht so engmaschig sein muss wie die für Pkw. Wahrscheinlich werden auch Wasserstofftankstellen auf Firmengeländen von Speditionen errichtet werden, die firmenübergreifend genutzt werden. Aus meiner Sicht werden Langstrecken-Lkw in Europa -neben der Nutzung von Wasserstoff-Verbrennungsmotoren in stationären Anwendungen- die ersten Mobilitätsanwender für Wasserstoff sein.

VDI: Wasserstoff wird also eher für den Lkw interessant sein? Oder sehen Sie auch zukünftig mehr Brennstoffzellen-Pkw auf den Straßen?

Marquard: Ja, ich sehe es so, dass der Wasserstoffantrieb speziell für Lkw besonders interessant und zielführend ist, weil hier besonders die Reichweite und eine geringe Masse für den Powertrain und die Peripherie eine Grundanforderung darstellt. Daher sind Batteriespeicher für Langstrecken-Lkw grundsätzlich nicht vorteilhaft. Für Pkw, insbesondere wenn sie im urbanen Umfeld eingesetzt werden, ist diese Anforderung nicht derartig stringent. Je nach Ausbau einer Infrastruktur für Wasserstofftankstellen kann die Wasserstofftechnologie für Pkw, die große Reichweiten erzielen sollen, eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Wasserstoff wird dann für entsprechend modifizierte Verbrennungsmotoren oder für Pkw mit Brennstoffzellen und Elektroantrieb einsetzbar sein. Es wird sich immer eine bestimme Balance zwischen der Anzahl von Fahrzeugen mit einer bestimmten Antriebstechnologie und der dazu notwendigen Infrastruktur einstellen, was man heute bereits bei Elektro-Pkw mit Batteriespeicherung beobachten kann.

Interview und Ansprechpartner:
Dipl.-Ing. Simon Jäckel
VDI-Topthema Mobilität - Antriebstechnik
E-Mail: jaeckel@vdi.de

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