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Klimawandel

Klimazwillinge als Instrument der Klimaanpassung

Bild: Elke Cardeneo

Der Klimawandel verschiebt deutsche Städte klimatisch Richtung Süd-Westen. Prognosen gehen davon aus, dass in den nächsten 30 Jahren bis zu 500 Kilometer möglich sind. Für die Entwicklung wirkungsvoller Gegenmaßnahmen spielen sogenannte Klimazwillinge eine wichtige Rolle.

Schon heute haben sich die Klimate aller Regionen in Deutschland Richtung Süden verschoben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie aus dem Jahr 2021, an der unter anderem das Umweltbundesamt mitgewirkt hat.

Dazu wurden klimatische Kenngrößen analysiert, wie mittlere Lufttemperaturen, saisonale Niederschläge und Windverhältnisse aus den Jahren 1986 bis 2015 von 41 deutschen Orten: Großstädte aber auch kleinere Gemeinden - verteilt über alle Bundesländer und alle Landschaftsformen - von Hamburg bis Oberstdorf. Anschließend wurden diese Kenngrößen mit den Regionen in Europa verglichen, in denen zwischen 1960 und 1991 im Schnitt ähnliche Werte vorherrschten. Der genannte Zeitraum gilt als Referenzperiode der Weltmeteorologie-Organisation (WMO). 

Es zeigte sich, dass die Regionen allesamt 100 bis 600 Kilometer weiter südwestlich lagen - bis nach Frankreich hinein. Ohne wirkungsvolle Klimaschutzmaßnahmen ist Prognosen zu Folge damit zu rechnen, dass die mittlere Lufttemperatur bis zur Mitte dieses Jahrhunderts weiter steigt, die mittlere Niederschlagsmenge hingegen weitgehend unverändert bleibt. Eine klimatische Verschiebung deutscher Orte nach Zentral-Frankreich, oder sogar darüber hinaus, beschleunigt sich. 

Mag es für Viele verlockend klingen, hierzulande in den kommenden Jahrzehnten mehr und mehr mediterrane Wetterverhältnisse zu haben, ist diese Entwicklung ausgesprochen herausfordernd für die Ökosysteme und Infrastrukturen der betroffenen Regionen. Aktuelles Beispiel ist der Oktober 2023: bis zu 28 Grad in den ersten Tagen des Monats. Das ermöglicht hierzulande Aktivitäten, die sonst um diese Jahreszeit nur noch in der Mittelmeerregion möglich sind. Für den Freizeitbereich auf den ersten Blick erfreulich. Was die mittel- bis langfristigen Auswirkungen auf die Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und damit die menschliche Existenz anbelangt, ist derzeit noch nicht in Gänze absehbar. 

Bis zu 20 Kilometer pro Jahr

Um die Auswirkungen des Klimawandels möglichst realistisch und umfassend antizipieren zu können, bieten sich Städteanalogien an: Inwieweit ähnelt das künftige Klima einer deutschen Stadt dem derzeitigen Klima einer anderen deutschen oder europäischen Stadt? Dazu schauen Wissenschaftler auf die Entwicklungen diverser klimatischer Parameter und treffen entsprechende Vorhersagen. Städtepaare, die Analogien bei klimatischen Kenngrößen, wie beispielsweise Lufttemperatur, Niederschlag und Wind aufweisen, werden als Klimazwillinge bezeichnet. Allerdings werden hier nur mittlere Klimaveränderungen berücksichtigt, die sich häufenden Extremwetterereignisse bleiben unberücksichtigt. Aktuell schreitet die klimatische Südverschiebung deutscher Städte hin zu ihrem Klimazwilling mit bis zu 20 Kilometern pro Jahr voran!

Klimazwillinge zusammenbringen

Prominente Beispiele für Klimazwillinge sind Düsseldorf/Toulouse und Toulouse/Tunis. Klimaprojektionen besagen, dass sich bis Ende des Jahrhunderts die zukünftigen Temperaturen in Düsseldorf denen im heutigen Toulouse und die zukünftigen Temperaturen in Toulouse denen im heutigen Tunis annähern. Unter der Überschrift „Klimazwillinge in Aktion“ organisieren die drei Klimazwillingsstädte von 2022 bis 2024 Austauschwochen, in denen mit jungen Erwachsenen am Thema Klimaanpassung gearbeitet wird. Vorträge und intensive Workshops gehört hier genauso dazu, wie Exkursionen und gemeinsame Pflanzaktionen von klimaresilienten Bäumen und Sträuchern. Dieser Austausch wird vom Deutsch-Französischen Jugendwerk gefördert.

Düsseldorf ist durch Elke Cardeneo vom Amt für Umwelt und Verbraucherschutz vertreten. Sie beschäftigt sich mit kommunalem Klimamanagement und erarbeitet Maßnahmen zur Klimaanpassung. Dabei greift sie auf Erfahrungen zurück, die bereits in der Klimazwillingsstadt Toulouse gemacht wurden. „Da uns mit Toulouse nicht nur eine Städtefreundschaft sondern auch das Klima verbindet, kooperieren wir in verschiedenen Klimaanpassungsprojekten – das bringt zahlreiche neue Impulse für Düsseldorf“, erläutert Cardeneo. So unterstütze die Stadt Düsseldorf seit 2019 als Projektpartner im EU-Klimaanpassungsprojekt LIFE Green Heart den Erfahrungsaustausch zwischen Toulouse und Düsseldorf: bei der Klimaanpassung, der Kreislaufwirtschaft und durch Öffentlichkeitsarbeit. 

Ein weiteres Projekt, das vom Bundesumweltministerium (BMUV) gefördert wird, verbindet die Hitzeaktionsplanung der Städte Düsseldorf und Karlsruhe mit Unterstützung des Deutschen Instituts für Urbanistik. In der Laufzeit zwischen 2022 und 2025 wendet Plan°C die Handlungsempfehlungen des BMUV für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen an und bezieht sich auf die konkrete Situation in diesen beiden besonders hitzebelasteten Städten. „Wir wollen unter anderem durch Informations-, Kommunikations- und Unterstützungsangebote zu hitzebedingten Gesundheitsgefahren, die Bereitstellung kühler Räume, Trinkwasserangebote sowie den Einsatz und Aufbau von Hitzewarnsystemen einen Beitrag zum Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger leisten“, so Cardeneo. Der Klimazwilling Toulouse als Kooperationspartner von Plan°C bringe seine praktischen Erfahrungen mit Hitzeaktionsplänen ein, die später auch anderen Kommunen zugänglich gemacht würden.

Was in Düsseldorf schon konkret getan wird, durfte eine Gruppe von VDI-Mitarbeitenden beim gemeinsamen Klimaspaziergang im Rahmen der bundesweit ersten Woche der Klimaanpassung im September 2022 erfahren.

Autorin: Alice Quack

Fachliche Ansprechpartnerin:
Dipl.-Geogr. Catharina Fröhling
Fokusthema „Herausforderung – Anpassung an den Klimawandel“
E-Mail: klimaanpassung@vdi.de

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