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Agriculture Technology 2030

Mobile Daten treiben Automation in der Landwirtschaft voran

Bild: MONOPOLY919/Shutterstock.com

Die strategische Forschungsagenda „Agriculture Technology 2030 – Part 1“  zeigt, wie sich die Landwirtschaft in den kommenden Jahren durch zunehmende Vernetzung und Automatisierung verändern kann. Neben verbesserten Prozessen in der Landwirtschaft selbst, reicht das bis hin zu höherer Transparenz für Händler und Verbraucher.

Bereits heute ist der Trend zu verstärkter Automatisierung in der Landtechnik zu erkennen. Im VDI-Fachbereich Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik (VDI-MEG) geht man davon aus, dass die Automatisierung der Branche vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Pflanzenproduktion bis 2030 weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Mit seiner Forschungsagenda „Agriculture Technology 2030 – Part 1: Sustainable Plant Production“, wollen die Autoren eine Diskussionsgrundlage für das anstehend EU-Rahmenprogramm für Forschung- und Innovation „Horizont Europe“ liefern. Neben alternativen Energiekonzepten liegt der Fokus dabei vor allem auf Aspekten der digitalen Transformation, Automatisierung und Robotik sowie der Autonomie neuer Maschinen und Systeme. 

Landwirtschaft: Trends aus der smarten Produktion werden übertragen

„Automatisierung hat das Ziel höchster Präzision“, sagt Peter Pickel, Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Technologies of Life Sciences (VDI-TLS). Im Idealfall würde dabei in der Landwirtschaft jedes Lebewesen als Individium behandelt und exakt mit dem benötigten Bedarf an Nährstoffen und Wasser versorgt. Gleiches gelte für den Schutz von Tieren und Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge. Während das in der Tierhaltung laut Pickel ebenso wie bei Pflanzen in Sonder- und Reihenkulturen bereits teilweise realisierte ist, ist es im Ackerbau schwieriger. „Am Ende aber wird Automatisierung die Minimierung des Betriebsmitteleinsatzes bei maximalem Ertrag und geringsten Umweltfolgen bewirken“, so der Experte. 

Dazu werden Trends aus der smarten Produktion und Industrie 4.0 auch auf die Landwirtschaft übertragen. Das bedeutet eine zunehmende Automatisierung, insbesondere durch den verstärkten Einsatz von Robotern und autonomen Systemen sowie die Vernetzung von Sensordaten sowie weiteren Informationsquellen per Cloud-Technologie.

Herausforderungen der Sensorik

Doch schon bei der Sensorik wird deutlich, dass sich Ansätze aus dem Fabrikumfeld oder der Automobilindustrie nicht 1:1 auf die mobilen Arbeitsmaschinen übertragen lassen. Pickel stellt dazu fest: „Das ist ein großes Problem, denn straßentauglich heißt nicht unbedingt feldtauglich.“ Dazu kommt, dass viele Sensoren, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, in Automobilen gar nicht zu finden sind. „Ich denke dabei etwa an die Nahinfrarot-Spektrometrie, die sich zunehmend zu einer Schlüsseltechnologie in der Präzisionslandwirtschaft entwickelt“, sagt Pickel. Die Nahinfrarot-Spektroskopie  (NIRS) hilft z.B. Qualitätsmerkmale in Ernteprodukten, Silagen zu bestimmen, aber auch Inhaltsstoffe in flüssigen Wirtschaftsdüngern zu identifizieren. Konkret geht es um Daten über Trockensubstanz, Rohprotein, Rohfaser, Rohfett und Stärke sowie den Ölanteil im Raps aber auch Pathogenbefall  an Futtermitteln. Für viele weitere Parameter wird der NIR-Spektroskopie darüber hinaus ein hohes Potential zur schnellen, kostengünstigen und hinreichend präzisen Analytik beigemessen. Die Sensortechnik beruht auf der Messung der Wellenlängen von nahinfrarotem Licht sowie deren Reflektion und Durchdringung des Prüfgutes.

Weil die Sensoren auch im harten Außeneinsatz robust und zuverlässig arbeiten müssen, werden sie laut der Forschungsagenda bisher mit steigenden Aufwand für spezifische Anwendungen entwickelt und  in einigen wenigen spezialisierten Maschinen eingesetzt. Das führt zu steigenden Sensorkosten. Die Automatisierungslösungen erfordern zudem zusätzliche Sensoren für die Prozessidentifikation, die Ertragserfassung und die Umwelterkennung. Laut der Roadmap ist für eine präzise Automatisierung der Landwirtschaft im Sinne von Precision Farming (PF) und Smart Farming daher ein stärkerer Fokus auf die Entwicklung wirtschaftlicher Sensorlösungen nötig.

Denn im Gegensatz zu den Prognosen der VDI-MEG in ihrer „Vision 2020“ haben sich bisher nur wenige präzise landwirtschaftliche Konzepte auf dem Markt etabliert. Beispiele dafür sind größere Traktoren und Erntemaschinen, die in entwickelten Ländern per Satellitennavigation gelenkt werden, sowie sektionale Steuerungssysteme, die sich in größeren Betrieben und bei variablen Technologien ohne Internetverbindung immer mehr durchsetzen. „Einige wenige Landwirte verwenden Online-Systeme für die Düngung, die auf Spektralsensoren basieren. Andere Konzepte haben die Marktreife noch nicht erreicht“, bilanziert die aktuelle Roadmap. Allerdings handle es sich um spezifische Lösungen mit unterschiedlichen Schnittstellen und Datenformaten.

5G kann Wende bringen

Ändern könnte sich das nach Ansicht der Autoren durch die mobile Kommunikation über den Mobilfunkstandard 5G-Technologie sowie die Vernetzung von Daten über Cloudtechnologien. Das geht weit über die Vernetzung mit dem klassischerweise in der Landtechnik genutzten Bussystem ISOBUS hinaus. „5G ist der Schlüssel. 5G steht, anders als der ISOBUS, nicht nur für Traktor-Geräte-Kombination, sondern für die Vernetzung aller Maschinen, Sensoren, Fahrzeug und der Infrastruktur“, verdeutlicht Pickel. 5G sei damit der „Enabler schlechthin“ für eine smarte Landtechnik.

Damit wird gleichzeitig der Weg für den Einsatz weiterer Konzepte aus dem IT-Umfeld frei gemacht, wie beispielsweise die Künstliche Intelligenz und die kryptografische Buchführung über Blockchain-Technologie. „Erste Anwendungen von all dem sind erkennbar. Sicher wird hier ein enormes Wachstum bis Ende des kommenden Jahrzehnts zu verzeichnen sein“, sagt der TLS-Vorsitzende. Die Frage ist für ihn allerdings, wie schnell wird sich Europa im Vergleich zu anderen Regionen der Welt entwickeln wird und ob Europa künftig wettbewerbsfähig sein wird. „Sicher ist, dass wir 5G überall benötigen, wo wir Landwirtschaft voranbringen wollen. Und sicher ist auch, dass wir jetzt schon über 6G reden“, stellt Pickel fest. Er fügt hinzu: „Das wird dann die 30er Jahre beeinflussen!“

Mit der Digitalisierung werden neben den etablierten Landtechnikgrößen auch neue Markteilnehmer hinzukommen. „Startups können neue Dienstleistungen, vielleicht auch neue Maschinenkonzepte entwickeln und in den Markt bringen. Für eine durchgängige Vernetzung, Transparenz, Rückverfolgbarkeit usw. müssen alle mitmachen“, unterstreicht der Fachmann. Er meint damit Landwirte, Behörden, Nahrungsmittelindustrie und  Landmaschinenhersteller, aber auch Chemieindustrie, Saatguthersteller, IT-Spezialisten, Dienstleister, Verbände und viele andere. Er glaubt, dass Verbände und verbandähnliche Organisationen dabei in den kommenden zehn Jahren eine ganz große Rolle spielen werden.

Aber auch auf dem Acker gibt es durch die Vernetzung und neue elektrische Antriebskonzepte sowie kleine autonome Lösungen in den nächsten Jahren noch einiges Entwicklungspotenzial. Bisher ist die Entwicklung aber auch für die Experten in der VDI-MEG schwer abzuschätzen. „Viele Fachleute hoffen auf Schwärme kleiner autonomer Maschinen“, berichtet Pickel. Klein bedeutet in dem Fall vor allem bodenschonend. Denn Bodenverdichtung durch große und schwere Maschinen auf dem Acker verschlechtert die Wasseraufnahme und damit das Pflanzenwachstum. „Ob solche kleinen Maschinen dann auch ökonomisch sinnvoll sind, ist umstritten“, sagt der TLS-Vorsitzende. Auch was „klein“ bedeutet, sei bisher nicht vollständig definiert. 

Autonome Zukunft der Maschinen

Sicher ist sich Pickel allerdings darin, dass zukünftige Maschinen selbst autonom fahren werden und dabei im Schwarm gesteuert werden. Er stellt fest: „Hier gibt es Konzepte mit sich frei bewegenden Maschinen oder Maschinen im Platooning-Verband. Traktoren könnten übrigens schon seit fast 15 Jahren autonom nach Autonomie Level 3 des ‚Automotive Standards‘ SAE J3016 fahren.“ Die Technologie sei also zum großen Teil schon da. „Nur aus sicherheitstechnischen Gründen darf auf einen Maschinenführer nicht verzichtet werden“, merkt er an.

Über Peter Pickel:
Prof. Dr.-Ing. Peter Pickel ist Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Technologies of Life Sciences (VDI-TLS), ehemaliger Voritzender des VDI-Fachbereichs Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik (MEG) und Sprecher der Subplattform Agricultural Engineering and Technologies (AET) der Europäischen Technologieplattform Manufuture.

Autorin: Sarah Janczura

Ansprechpartner
Dr. Andreas Herrmann
Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik (VDI-MEG)
E-Mail-Adresse: meg@vdi.de

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