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Technik mit Herz und Verstand

Foto: Thomas Nowaczyk

Zur Feier seines 150-jährigen Bestehens begrüßte der Ruhrbezirksverein im VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. am 8. Oktober 2022 rund 200 Gäste im Erich Brost-Pavillon auf dem Welterbe Zollverein.

„Mach mit TECHNIK!“, lautet das Motto des VDI Ruhrbezirksvereins zu seinem 150. Geburtstag. Hierzu sagte der Vorsitzende Prof. Dr. Tobias Haertel bei der Begrüßung der Jubiläumsgäste, „dass Technik verantwortungsbewusst zum Nutzen der Gesellschaft gestaltet werden soll.“ Was dazu beitrage, erörterten an diesem Abend Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft in zwei spannenden Gesprächsrunden. Sie diskutierten über die Themen Innovation und Wandel, die Rolle der Technik bei zukünftigen ökonomischen, ökologischen und sozialen Entwicklungen sowie Aufgaben, die Ingenieur*innen dabei übernehmen können. Die Diskussionen moderierte Jürgen Zurheide, der bekannte Journalist vom WDR und Deutschlandfunk.

Begeisterung für technische Berufe früher wecken

Bei der ersten Gesprächsrunde lag der Schwerpunkt im Bereich Bildung. Darüber diskutierten Prof. Dr. Barbara Albert, Rektorin der Universität Duisburg-Essen (UDE), Prof. Dr.-Ing. Susanne Staude, Präsidentin der Hochschule Ruhr West (HRW), Prof. Dr. Werner Klaffke, Geschäftsführender Vorstand im Haus der Technik, und Prof. Dr.-Ing. Norbert Jardin, Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbands.

Das Ruhrgebiet ist mit seiner Hochschullandschaft heute eine attraktive Wissenschaftsregion, sagte Barbara Albert. Aber die Studierendenzahlen in den sogenannten MINT-Fächern – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – sind mit Blick auf den künftigen Bedarf der Unternehmen zu niedrig, in einigen Studiengängen sogar stark rückläufig. Auch wachse der Frauenanteil nur wenig. „Bei den Ingenieurwissenschaften geht es uns da zu langsam“, so die UDE-Rektorin. Das zu ändern, sei eine gemeinsame Aufgabe von Schulen, Hochschulen und Unternehmen. Deshalb vernetzt sich die UDE mit anderen Hochschulen und der Wirtschaft. Die HRW arbeitet eng mit kleinen und mittelständischen Unternehmen hier in der Region zusammen, sagte Susanne Staude. Alle HRW-Studierenden haben Projekte, wo sie an realen Aufgaben von Unternehmen schon während des Studiums mitarbeiten, auch interdisziplinär. Durch diese anwenderorientierte Ausbildung bekommen die Nachwuchskräfte schon früh den Kontakt zu den Unternehmen.

Werner Klaffke richtete den Blick auf die Weiterbildung der Menschen, die schon längere Zeit im Beruf stehen. Aufgrund der Demografie gibt es immer weniger Schulabsolventen. Deshalb muss das lebenslange Lernen professionalisiert werden, damit das Wissen und vor allem die Fähigkeiten auf dem neuesten Stand bleiben. „Wenn wir das nicht tun, verlieren wir auf lange Sicht gegen die bevölkerungsreichen Länder“, sagte er. Ebenso müssen der interdisziplinäre Austausch und das Denken in Systemen besser werden. Das erfordert, einander zuzuhören, andere Hintergründe zu verstehen und gemeinsam die besten Lösungen für Probleme herauszuarbeiten.

Der Ruhrverband steht vor großen Herausforderungen durch die zunehmende Trockenheit als Folge des Klimawandels, berichtete Norbert Jardin. Um die Wasserversorgung für knapp fünf Millionen Einwohner des Ruhrgebiets zu gewährleisten, braucht das Unternehmen gut ausgebildete Mitarbeiter*innen in allen Qualifikationsstufen. Dafür geeignete technische Fachkräfte zu finden, werde immer schwieriger. Deshalb müsse die Zahl der Absolventen steigen. „Das können die Hochschulen aber nicht allein lösen“, so Jardin. Da ist auch die Wirtschaft gefordert und muss zum Beispiel bereits an Schulen bei den jungen Menschen für technische Aufgaben in Unternehmen werben.

Die Begeisterung für technische Berufe müsse früher geweckt werden, waren sich die Teilnehmenden einig. Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Schulen und Lehrkräften sowie Hochschulen muss deutlich ausgebaut werden.

Mehr Offenheit für neue Lösungen

Um die Bedingungen und Voraussetzungen für erfolgreichen Wandel ging es in der zweiten Gesprächsrunde. Hierüber diskutierten Ralph Appel, Direktor des VDI e.V., Prof. Dr. Hans-Peter Noll, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zollverein, Dr. Astrid Petersen, Personalvorständin der TÜV NORD AG, und Dr.-Ing. Peter Weiß, Leiter des Asset Managements bei der STEAG GmbH.

Die Gesellschaft erlebt Wandel an vielen Stellen. Den Menschen macht das zunächst Angst, weil sie etwas verlieren, aber nicht wissen, was sie bekommen. Wandel braucht daher gute Beispiele wie das Ruhrgebiet, um den Menschen Mut zu machen, zuversichtlich nach vorn zu schauen und Freude am Gelingen zu haben, sagte Hans-Peter Noll. Es geht darum, für die Region zu begeistern, für attraktive Arbeitsplätze, hohe Lebensqualität und ansprechende Kultur. Zudem ist ein positiver Umgang mit Fehlern nötig. Für Astrid Petersen sind Leidenschaft und Neugier wichtige Erfolgsfaktoren. Auch die Fähigkeit, einmal ein Scheitern zu akzeptieren und daraus zu lernen, gehört zu einer guten Innovationskultur. Ganz wichtig sei mehr Technikoffenheit, denn Technik kann man lernen. Es sollten nicht nur die Risiken gesehen werden, sondern vor allem die Chancen.

„Wir müssen den Menschen besser erklären, was Technik alles Gutes tun kann“, so VDI-Direktor Ralph Appel. Dazu müsse auch die Ingenieursausbildung verändert werden, etwa durch Förderung der Kommunikationsfähigkeiten. Der VDI sucht künftig mehr den Diskurs über Zukunftsfragen mit der Politik, der Wissenschaft und Gesellschaft. Auch Peter Weiß wünschte sich mehr Offenheit und Interesse für neue Lösungen, außerdem Mut und Toleranz. „In 20 Jahren wird es Lösungen geben, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Und diese Lösungen werden Ingenieure mit erarbeiten“, sagte er. Technologien dürften nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Außerdem forderte er mehr emotionales Engagement für Technik und deren Chancen auf der Grundlage von Sachwissen.

Ehrung für 70 Jahre Partnerschaft

Vor dem geselligen Teil der Jubiläumsfeier ehrte Ralph Appel die PROBAT AG aus Emmerich für die Fördermitgliedschaft im VDI Ruhrbezirksvereins. Der Weltmarkt- und Technologieführer im Maschinen- und Anlagenbau für die Kaffeeindustrie unterstützt die Arbeit des VDI Ruhrbezirksvereins bereits seit 70 Jahren – ein Beispiel für die gute Zusammenarbeit mit der Wirtschaft.

Text: Robert Helmin

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