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Exkursion zum Ersatzneubau der Rheinbrücke in Duisburg-Neuenkamp

Bild: Dr. Heinrich Hahn

Besichtigung des Neubaus Deutschlands größter freitragender Schrägseilbrücke in Duisburg.

Kaum eine Exkursion des Arbeitskreis „Fahrzeug- und Verkehrstechnik“ des VDI Ruhrbezirksvereins war so nachgefragt wie die Besichtigung des Ersatzneubaus der Rheinbrücke in Duisburg-Neuenkamp am 10. Mai 2023. Aus Sicherheitsgründen musste die Zahl der Teilnehmer leider auf 20 beschränkt werden. Umso mehr blieb aber Zeit für Fragen und eine umfassende Führung. Der Guide war kein geringerer als der zuständige Projektleiter der DEGES, die quasi als Tochter des Bundes für Planung und Realisierung zuständig ist. Im Baubüro erläuterte Diplom-Ingenieur Knut Ewald zunächst unter anderem die Notwendigkeit des Neubaus, die Planungsabläufe, die technischen Herausforderungen und die finanziellen Aspekte des Vorhabens.

Die 1970 erbaute Bestandsbrücke hat inzwischen die Grenzen ihrer Belastbarkeit erreicht und stand auch dem vierspurigen Ausbau der A40 im Wege. Ursprünglich für 30.000 Fahrzeuge ausgelegt, rollen täglich mehr als 100.000 Fahrzeuge über die Brücke. Die Lkw sind deutlich schwerer geworden und es war auch ein Fehler,  die ehemalige Standstreifenspur für diese frei zu geben.

Die neue achtstreifige Rheinbrücke wird höher, länger und breiter als die bisherige: 75 Meter hoch, 802 Meter lang und 68 Meter breit. Mit einem Abstand von 380 Metern zwischen den Pylonen auf beiden Rheinseiten wird das neue Bauwerk Deutschlands am weitesten gespannte Schrägseilbrücke sein. Der Rad- und Fußgängerweg wird durch eine 6,5 Meter hohe Lärmschutzwand vom Autobahnverkehr abgeschirmt. Die neue Rheinbrücke wird aus zwei redundanten Brückenteilen bestehen. Für jede Fahrtrichtung wird also eine neue Brücke errichtet. Damit hat man im Falle einer Vollsperrung eines Teiles immer noch je drei Fahrspuren zur Verfügung. Während bei der alten Brücke noch zwei Pylone die Tragseile halten, werden es jetzt insgesamt acht sein. Zunächst entsteht das Südbauwerk bis zu 14 Meter weiter südlich seiner endgültigen Position. Bis zur Fertigstellung wird der Verkehr je dreispurig noch über die Bestandsbrücke geführt. Dann wird die alte Brücke abgerissen und an derselben Stelle das Nordbauwerk errichtet, nach dessen Fertigstellung wird dann das Südbauwerk an den nördlichen Teil herangeschoben. Wichtig war bei der ganzen Planung die Aufrechterhaltung des laufenden Verkehrs.

Nach Einweisung in die Sicherheitsbestimmungen und nach Ausgabe von Sicherheitswesten und Helmen begann die Führung unter der neuen Brücke im Bereich der Widerlager. Über eine steile Hilfstreppe gelangten die Besucher auf die inzwischen fast fertiggestellte Südbrücke, deren Lückenschluss bereits im März erfolgt war. Oben angelangt konnte man auf der Fahrbahndecke die Schweißnähte der einzelnen Brückenelemente sehen. Die vorgefertigten und auf der Baustelle zusammengeschweißten 33 Meter langen Stahlelemente wurden von beiden Seiten des Rheins im Taktschiebeverfahren längs eingeschoben und nach Baufortschritt an die Pylone eingehängt. Da dieses über dem Rhein im sogenannten Freivorbau erfolgte, gab es keine Beeinträchtigung der Schifffahrt. Um ein Qualitätsfiasko wie in Leverkusen zu vermeiden, bezog man den Stahl aus Deutschland und Österreich und ließ daraus in Tschechien, Ungarn und Deutschland noch in der Größe auf den Straßen transportierbare Bauteile herstellen. Dieses hohe Maß an Vorfertigungsgrad war auch für den ambitiösen Zeitplan entscheidend. Ferner gab es Prämien, wenn man schneller war. Und was ganz wichtig war, dass man die Bevölkerung frühzeitig mit eingebunden hatte. So gab es keine Klagen gegen das Bauwerk, das mit den Zufahrten insgesamt eine Länge von 4,5 Kilometer aufweist. Ende 2026 will man endgültig fertig sein und ist dann mit acht Jahren reiner Bauzeit ausgekommen, nachdem man 2017 die Entwurfsplanung abgeschlossen und das Planfeststellungsverfahren begonnen hatte.

Gegenüber auf der etwas tiefer liegende Bestandsbrücke konnten sich ferner die Besucher ein Bild von den maroden, immer wieder nachgeschweißten Stützen der äußeren Fahrbahn machen. Die Gruppe ging dann weiter unter den riesigen Pylonen hindurch über den Rhein bis zum Ostufer. Dort am anderen Ende waren die Arbeiten zur Fahrbahnanbindung der Brücke voll im Gange. Man merkte allerdings, dass der Anschluss richtig erst nach der Verschiebung passen wird. Spannend waren auch die Erläuterungen von Herrn Ewald zur Rolle der Tragseile, zu deren Montage, zur Herstellung der Vorspannung, zum Korrosionsschutz, sowie zur Wartung und im Falle von Problemen zum relativ einfachen Austausch einzelner Spannstahlbündel.

Ein schöne und hochinteressante Besichtigung ging dem Ende zu, aber nicht ohne dass Herr Ewald auf die einzigartige Aussicht nach beiden Seiten der Brücke aufmerksam machte: Im Süden die Brücke der Solidarität von 1951 und die Hochfelder Eisenbahnbrücke von 1927 und im Norden die Friedrich-Ebert-Brücke von 1954 und die Hans-Knipper-Brücke von 1912.

Die Teilnehmer bedankten sich zum Schluss für die ausgezeichnete Führung und die meisten benutzten die Bestandsbrücke wieder für die Rückfahrt. 

Noch ein Hinweis: Auf YouTube gibt es von der DEGES hervorragendes Video-Material zum Brückenbau.

Text: Dr. Heinrich Hahn

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