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Bachelor versus Diplom

Bologna-Prozess: Immer noch ein Reizthema?

Bild: Studio Romantic/Shutterstock.com

Aktuell bieten nur 14 von 247 gelisteten Hochschulen ein Diplom für den Abschluss als Ingenieurin oder Ingenieur an. Demnach hat die überwiegende Mehrzahl der Ingenieur*innen den Bachelor als berufsqualifizierenden Abschluss.

Zu Beginn des Bologna-Prozesses gefiel vielen die Aussicht, dass der Diplom-Ingenieur (Dipl.-Ing.) wegfällt, überhaupt nicht. Es wurden Horrorszenarien kreiert, dass deutsche Ingenieur*innen die ausgezeichnete Wertschätzung im In- und Ausland verlieren. Der deutsche "Dipl.-Ing." sei ja nicht mit einem ausländischen Master oder Bachelor vergleichbar. Das Ausbildungsniveau werde zudem sinken und der Nachwuchs  keine funktionierenden Maschinen und stabile Gebäude oder Brücken bauen können.

Nach über zwei Jahrzehnten Erfahrung mit Bachelor und Master im Ingenieurwesen kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass Absolvent*innen deutscher Hochschulen mit Bachelor und Master immer noch geschätzte, hoch ausgebildete und motivierter Ingenieurinnen und Ingenieure sind. Sie erfinden innovative Maschinen, konstruieren stabile Bauwerke und sind ein wichtiger Bestandteil bei der Findung technologischer Lösungen, um den Klimawandel doch noch in für die Menschheit akzeptablen Grenzen zu halten.

Vorurteile gegenüber "neuen" Abschlüssen müssen überwunden werden

Also woher kommt es, dass der "Dipl.-Ing." immer noch in Teilen der Bevölkerung und des Hochschulwesens romantisch verklärt wird und Bachelor- und Masterabsolventinnen und -absolventen als nicht gleichwertig angesehen werden? Hier gibt es viele Erklärungsmöglichkeiten, auf die hier nicht näher eingegangen wird. Viel wichtiger ist es, die bestehenden Vorurteile und die Voreingenommenheit anzusprechen und zu überwinden. Denn in der Praxis zeigt sich, dass die „neuen“ Abschlüsse in der Industrie sehr gut ankommen und es keine grundsätzlichen Probleme im Vergleich zum „traditionellem“ Abschluss gibt. 

VDI bietet Kommunikationsplattform für intensiven Austausch

Die Hochschulen sind und waren immer bestrebt, den ingenieurwissenschaftlichen Nachwuchs bestmöglich auf die Herausforderungen der Arbeitswelt vorzubereiten. Dafür sind Professorinnen und Professoren ständig auf der Suche nach Verbesserungspotenzialen in der Lehre und suchen die Vernetzung mit anderen Hochschulen, Studierenden oder der Industrie. Ein Bespiel für diesen intensiven Austausch ist der beim VDI verortete Fachbeirat Ingenieurausbildung, in dem eine solch wichtige Kommunikationsplattform seit vielen Jahren erfolgreich besteht.

Deutsche Ingenieurinnen und Ingenieure sind weltweit geschätzt

Die Gegenüberstellung des Diploms auf der einen Seite und des Bachelor- bzw. Masterabschlusses auf der anderen Seite ergibt auch praktisch keinen Sinn. Denn die Angleichung der Abschlüsse erfolgte im europäischen Bildungsraum; trotzdem sind deutsche Ingenieurinnen und Ingenieure weltweit geschätzt. Und nach so vielen Jahren (von mittlerweile einem Generationenwechsel) erinnern sich nur noch die Älteren an das Diplom, insbesondere im Ausland.

VDI empfiehlt Vermerk auf Abschlusszeugnis

Aber einen Nachteil haben Bachelor und Master: Nicht jeder, der sich Ingenieur oder Ingenieurin nennen darf, ist als solche*r erkennbar, da die Bezeichnung des Titels weit gefasst ist. Beim "Dipl.-Ing." ist das sofort ersichtlich oder beim Bachelor of Engineering. Beim Bachelor of Arts, der beispielsweise manchmal bei Ingenieurstudiengängen vergeben wird, ist dies schon schwieriger. Daher empfiehlt der VDI, dass Hochschulen auf ihren Abschlusszeugnissen vermerken, dass mit dem Abschluss die Voraussetzungen erfüllt sind, die geschützte Berufsbezeichnung Ingenieur bzw. Ingenieurin tragen zu dürfen.

Diplomabschluss ist inzwischen eine Nische

Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass der Abschluss mit Diplom mittlerweile eine Nische besetzt und Bachelor- und Masterabsolvent*innen auf dem Arbeitsmarkt sehr begehrt sind. Egal, welcher Abschluss auch vorliegt, das Ausbildungsniveau ist und bleibt hoch. Der VDI ist dabei die Plattform, um relevanten Stakeholdern die Möglichkeit zu geben, dies auch in Zukunft zu gewährleisten.

 

Autor und Ansprechpartner:
Dr. Saša Jacob
Referent Ingenieurausbildung
E-Mail: jacob@vdi.de 

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