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Internationaler Hände-Waschtag

„Desinfektionsgel kann nicht das Mittel der Wahl sein“

Bild: Maridav/shutterstock.com

Der 15. Oktober ist der Internationale Hände-Waschtag. Ein passender Anlass, um darüber zu sprechen, wie wichtig Handhygiene ist und was man dabei alles falsch machen kann. Prof. Dr. med. Clemens Bulitta vom VDI-Fachausschuss „Management hygienisch relevanter Flächen in medizinischen Einrichtungen“ gibt Antworten.

VDI: Am 15. Oktober ist Internationaler Hände-Waschtag. Eine Erkältung oder ganz aktuell eine Infektion mit Covid-19 kann mit einem Händeschütteln beginnen. Herr Bulitta, wie lassen sich Keime in Schach halten?

Bulitta: Grundsätzlich steht die Händehygiene im Fokus, da die Hände als Übertragungsweg eine zentrale Rolle bei vielen Infektionskrankheiten spielen. Deswegen ist eine normale Handhygiene, sprich das Waschen mit Wasser und Seife, im Alltag das wichtigste Mittel. Vor allem in Zeiten von Krankheitswellen, sei es jetzt Covid-19 oder auch in der Erkältungs- und Grippezeit. Händewaschen ist ein einfaches Mittel Infektionsketten zu unterbrechen.

VDI: Hände waschen ist aber nicht gleich Hände waschen. Worauf kommt es an, um Viren und Co. wirklich zu entfernen?

Bulitta: Es kommt darauf an, die Hände wirklich mit Seife zu waschen und das auch ausreichend lange, also in etwa 30 Sekunden.

VDI: Wie sieht es denn aus, wenn man unterwegs ist und sich einfach mal Hygienegel auf die Hände gibt? Hilft das oder würden Sie sagen, dass taugt nichts?

Bulitta: So pauschal abtun kann man das nicht. Falls sich Erreger auf der Hand befinden, ist es ja entscheidend, dass man sich nicht ins Gesicht fasst, dort wo die Schleimhäute sind. So wird es höchstwahrscheinlich nicht zu einer Infektion kommen. Zusätzlich zum Händewaschen gehört das schon dazu. Die Desinfektionsmittel dabei zu haben, ist eine Zusatzmaßnahme. Wenn ich unterwegs bin und keinen Zugang zu einem Waschbecken habe, dann kann solch ein Gel nützlich sein. Es kann aber nicht das Mittel der Wahl sein. Es reicht auch, wenn man nach Hause kommt und sich dann direkt gründlich die Hände mit Seife wäscht.

VDI: Krankheitserreger werden nicht nur von Hand zu Hand weitergereicht, sondern auch über Computermaus, Telefonhörer und Türklinke. Wie können Oberflächen möglichst keimfrei bleiben?

Bulitta: Viren können, je nachdem wie sie aufgebaut sind, unterschiedlich lange auf Oberflächen überleben. Auf Oberflächen ist das bei Viren in der Regel ein Zeitraum von Stunden, maximal Tagen. Bei Bakterien kann das deutlich länger sein. Es heißt aber nicht, dass man deswegen anfangen muss, Gegenstände permanent zu desinfizieren. Auch wenn ein Nutzer eine Oberfläche mit der Hand berührt, entsteht noch keine Infektion. Das passiert erst, wenn der Erreger dorthin gelangt, wo es kritisch wird. Das heißt z.B. Bereiche im Gesicht und auf Schleimhäute. Eine routinemäßige Desinfektion von Klinken und Co. schießt da sicher übers Ziel hinaus. Im Kontext der Covid-19-Pandemie reicht es aus, Gegenstände mit normalen Haushaltsreinigern zu bearbeiten. Diese zerstören das Virus bereits. Abgesehen von medizinischem Umfeld wie Krankenhäusern, reicht das herkömmliche Putzmittel.

VDI: Wie verhält es sich denn mit der Virenmenge? Je mehr Viren sich auf einer Oberfläche befinden, umso höher die Ansteckungsgefahr?

Bulitta: Ja, hier kommt es auf jeden Fall auf die Virenmenge an, denn unterschiedliche Viren sind auch unterschiedlich infektiös. Die Menge und die Infektiosität des Erregers spielen eine Rolle. Wichtig ist wie gesagt, dass man sich nicht ins Gesicht fasst, vor allem nicht, wenn Wasser und Seife nicht erreichbar sind. Im Winter beginnt ja auch wieder die Welle der Noroviren, sprich der bekannten Durchfallerkrankung. Diese Viren sind hoch infektiös. Da reichen schon wenige, um Menschen anzustecken. Bei vielen Erkältungsviren ist da das Risiko schon geringer.

VDI: Der Fachbereich Medizintechnik der VDI-Gesellschaft Technologies of Life Sciences hat 2020 einen neuen Statusreport veröffentlicht, der den aktuellen Stand der antimikrobiellen Oberflächentechnologien zur Infektionsprävention zeigt. Können Sie hier ein paar Kernthesen und Ergebnisse nennen?

Bulitta: Es geht im Wesentlichen darum, dass sich Oberflächen mit verschiedenen Ansätzen mit einer antimikrobiell wirksamen Substanz ausstatten lassen. Dies bietet das Potenzial einer generellen antimikrobiellen Wirkung. Damit könnte eine Anreicherung von Erregern auf Flächen verhindert werden. Hierfür gibt es zahlreiche Konzepte und Wirkstoffe, die im Labor nachgewiesen haben, dass sie das gut leisten können. Bislang fehlt uns aber noch der Nachweis in der Praxis. In dem VDI-Statusreport haben wir systematisch alle Technologien, die derzeit erforscht werden, zusammengestellt. Die verschiedenen Testverfahren, um diese Technologien zu bewerten, kommen auch vor. So wird schön deutlich, wo noch weiterer Forschungsbedarf besteht.

VDI: Das Robert Koch-Institut hat auch Hygienerichtlinien veröffentlicht. Stimmt der VDI damit überein?

Bulitta: Wir haben ja keine Hygienerichtlinien mit dem Statusreport veröffentlicht, das ist ja auch gar nicht unsere Aufgabe, sondern die der Behörden. Wir haben ergänzende Technologien systematisch zusammengestellt. Bei uns sind aber unter anderem auch Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts in der Arbeitsgruppe, um den Anforderungen dieser Institution zu entsprechen. Unser Report ist also damit kompatibel und kritisch geprüft von Hygienefachleuten.

VDI: Inwieweit muss die Politik hier noch mehr tätig werden? 

Bulitta: Ich denke, die Aufgabe der Politik ist es in erster Linie, Mittel für Forschungsarbeiten bereitzustellen. Es gibt eine Vielzahl an innovativen Technologien, die einen Beitrag zur Prävention von Infektionen leisten können. Aber dazu ist es auch wichtig, den Nachweis zu erbringen und das erfordert Forschungsarbeit. Anwendungsorientierte Forschung erhält hier oftmals zu wenig finanzielle Mittel.

Der Statusreport „Antimikrobielle Oberflächen zur Infektionsprävention – Werk- und Wirkstoffe, Prüfverfahren sowie rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen“ steht kostenfrei unter www.vdi.de/publikationen zum Download bereit.

Das Interview führte Sarah Janczura.

Über Clemens Bulitta
Prof. Dr. med. Clemens Bulitta vom Institut für Medizintechnik an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden ist Vorsitzender des VDI-Fachausschusses „Management hygienisch relevanter Flächen in medizinischen Einrichtungen“.

Fachlicher Ansprechpartner: 
Dr. Andreas Herrmann
VDI-Gesellschaft Technologies of Life Sciences
E-Mail-Adresse: herrmann@vdi.de

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