Direkt zum Inhalt
Mikroplastik-Verbot

Rote Karte für Mikroplastik

Bild: Vasily Pindyurin via Getty Images

Das Verbot von Mikroplastik ist durch die Europäische Kommission beschlossen worden und tritt am 17.10.23 in Kraft. In Deutschland stammt Mikroplastik überwiegend aus dem Granulat von Kunststoffrasenplätzen und durch den mechanischen Abrieb von Reifen, aber auch in Kosmetika und Glitter ist es enthalten.  

Was ist der Hintergrund?

400 Millionen Tonnen Plastik werden weltweit pro Jahr produziert. Vor 20 Jahren waren es noch 200 Millionen Tonnen. Der Anstieg ist nahezu linear. In Europa jedoch stagniert die Produktion seit etwa 15 Jahren und liegt aktuell deutlich unter 60 Millionen Tonnen. Hauptverursacher des Anstiegs in den vergangenen 20 Jahren sind insbesondere asiatische Länder und hier insbesondere China. In Deutschland zum Beispiel werden Kunststoffabfälle zwar vollständig stofflich recycelt oder thermisch verwertet und die Lagerung auf Halden ist nicht erlaubt. Doch gelangen auch in Deutschland Kunststoffe unkontrolliert in Form von Mikroplastik in die Umwelt, beispielsweise in Form von Granulat auf Kunststoffrasenplätzen, als Zusätze in Kosmetika, als Glitter und vieles mehr.

UN-Definition von Mikroplastik

Mikroplastik: feste, wasserunlösliche Kunststoffpartikel, die 5 mm und kleiner sind und sowie faserartige Partikel mit einer Länge von weniger als 15 mm. Das Mikroplastikverbot gilt (noch) nicht für flüssige Polymere, da diese nach dem europäischen Chemikalienrecht (REACH) bewertet werden.

Mikroplastik ist überall

Jedes Jahr gelangen auf unterschiedlichen Wegen mehrere Millionen Tonnen Mikroplastik weltweit in die Umwelt. Wie diese Mikropartikel auf Organismen wirken, ist teilweise noch unklar. Einige Organismen scheiden Mikroplastikpartikel wieder aus. Andere reagieren auf die dem Mikroplastik beigefügten Additive, die für die Stabilität und Langlebigkeit der Plastikprodukte zugefügt wurden. Wir wissen, dass diese Additive ins Blut gelangen oder in Organen gespeichert werden können. Unter Dauereinwirkung von Mikroplastik vermindern beispielsweise Flusskrebse ihr Wachstum und ihre Fortpflanzungsrate. Regenwürmer wachsen langsamer und sterben in größerer Zahl. Auch wir Menschen nehmen Mikroplastik über Nahrungsmittel wie Meeresfrüchte auf und atmen Mikroplastik ein, das in Stäuben vor allem in Städten in der Luft vorhanden ist. Die Folgen für die menschliche Gesundheit sind noch nicht geklärt. Es gibt jedoch Hinweise, dass die Plastikteilchen zu Entzündungen führen können. Europa ist sich jedenfalls einig darin, dass hier dringend gegengesteuert werden muss.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass auch bei einem vollständigen Verbot von Mikroplastik fortlaufend Mikroplastikteilchen aus Flaschen, Tüten und anderen größeren Produkten entstehen, die weltweit in die Umwelt gelangen und sich mit der Zeit zersetzen werden. Die Zersetzung geschieht vor allem durch UV-Strahlung, Bakterien, Temperaturschwankungen und Reibungsprozesse. Auch wenn der Zersetzungsprozess Hunderte oder Tausende Jahre dauert, wird irgendwann alles zu Mikroplastik.

Was sind die Quellen von Mikroplastik und ab wann werden sie verboten?

Die größte Quelle für die Freisetzung von zugesetztem Mikroplastik ist laut der EU-Kommission das Granulat auf Kunstrasenplätzen sowie anderen Sportanlagen - häufig aus recycelten Autoreifen. Die Granulate werden durch Schuhe und Regen oder Wind in die Umwelt verteilt und können von Tieren aufgenommen werden und so auch in die Nahrungskette gelangen. Doch wird den Betreibern von solchen Sportplätzen noch acht Jahre Zeit gegeben, das Verbot umzusetzen, weil es schwierig sei, auf Alternativen umzusteigen. Ersatzmaterialien können Sand, Kork und Material aus Olivenkernen oder von Kokosnüssen sein und sind bereits im Einsatz. Alle Probleme sind jedoch noch nicht beseitigt, denn Kork zum Beispiel saugt sich mit Wasser voll und kann schimmeln. Die Suche nach dem optimalen nachhaltigen Ersatz wird daher fortgesetzt.

Sofort – also ab dem 17. Oktober 2023 – gilt das Verbot für Kosmetika, die Mikrokügelchen enthalten. Das sofortige Verbot gilt aufgrund der bereits wirksamen freiwilligen Selbstverpflichtung der Hersteller, auf den Einsatz abrasiver Mikroplastikpartikel zu verzichten. Hier sind keine Ersatzmaterialien zu erfinden. In vier Jahren ist der Einsatz von ausspülbaren kosmetischen Produkten wie Shampoo und Duschgel verboten, in fünf Jahren greift das Verbot für Wasch- und Reinigungsmittel, in sechs Jahren für Cremes und Gele, die auf der Haut verbleiben und ab 2035 für Lippenstifte, Nagellacke und Make-Up.

Im Kreislauf denken


Ist Circular Economy für Kunststoffe machbar?

Wie die Industrie und auch wir im Kreislauf denken können

Reifenabrieb bleibt ein Problem

Ausnahmen für die Verbote gelten für Produkte, die enthaltenes Mikroplastik nicht freisetzen. Auch der Einsatz in industriellen Produktionsprozessen will die EU-Kommission weiterhin erlauben. Hier sind die Unternehmen jedoch verpflichtet sicherzustellen, dass die Partikel nicht in die Umwelt gelangen können.

Verhältnismäßig große Mengen von Mikroplastik gelangen von Produkten in die Umwelt, denen nicht bewusst Mikroplastik zugesetzt worden ist. Das meiste Mikroplastik entsteht beim mechanischen Abrieb von Reifen. Rund ein Drittel des Mikroplastiks in Deutschland gelangt auf diese Weise in die Umwelt. Das sind 1.230 Gramm Mikroplastik pro Kopf und Jahr. Zu diesem Ergebnis kam das Fraunhofer-Institut UMSICHT, das mehr als 70 Quellen von Mikroplastik identifiziert und untersucht hat. 300 Gramm Mikroplastik pro Person und Jahr fallen bei der Kompostierung und der Zerkleinerung von Abfällen sowie beim Recycling an. Ebenso viel Mikroplastikteilchen lösen sich aus Straßen und Fahrbahnmarkierungen. Weitere Quellen sind auch Schuhsohlen oder das Waschen von synthetischen Textilien. Hier sind noch keine Lösungen in Sicht.

Fachlicher Ansprechpartner:
Dr.-Ing. Hans-Jürgen Schäfer
VDI-Fachbereich Kunststofftechnik
E-Mail: schaefer@vdi.de 

Artikel teilen