Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Mexiko - Entwicklungstrends und Chancen für Fachkräfte und Unternehmen im ingenieurtechnischen Bereich
Bericht zur Veranstaltung „Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Mexiko – Entwicklungstrends und Chancen für Fachkräfte und Unternehmen im ingenieurtechnischen Bereich“
am 05.06.2023 in der VW Gläsernen Manufaktur von Volkswagen, Dresden
Zahlreiche deutsche Unternehmen haben seit vielen Jahren stabile wirtschaftliche Beziehungen zu Mexiko. Insbesondere im Automotive-Bereich wird Mexiko in Europa und besonders in Deutschland als zuverlässiger, aufstrebender Wirtschaftspartner angesehen.
Der VDI hat das Anliegen, neben den rein technischen Entwicklungen, an denen Ingenieurinnen und Ingenieure arbeiten, auch den Informationsaustausch zu anderen Ländern zu fördern. Die internationale Zusammenarbeit wird komplexer und neben den fachlichen Kenntnissen sind kulturelle und wirtschaftliche Aspekte in der täglichen Arbeit für ein engagiertes Miteinander unverzichtbar. Die Volkswagen AG mit ihrer langen Tradition in der Fahrzeugfertigung in Mexiko hatte sich bereit erklärt, diese VDI-Veranstaltung aktiv zu unterstützen und dabei mitzuwirken.
Eingeladen hatten der VDI Landesverband Sachsen und aus dem Dresdner Bezirksverein die Arbeitskreise Fahrzeug- und Verkehrstechnik sowie Internationale Beziehungen.
Der Landesvorsitzende Prof. Dr. Thomas Wiedemann begrüßte die Referenten und Teilnehmer und gab eingangs einen Überblick über die satzungsgemäßen Ziele, die Aktivitäten und die regionale sowie die fachliche Struktur des VDI. Er betonte die Anstrengungen des VDI, junge Menschen für den Ingenieurberuf zu begeistern, sie während des Studiums zu unterstützen und auf die Anforderungen im Beruf vorzubereiten. Letzteres wird neben den fachlichen Fähigkeiten auch zunehmend mit der Beherrschung von Sprachen, mit Weltoffenheit und der Fähigkeit, in international besetzten Teams erfolgreich zu arbeiten, seitens der Arbeitgeber in Verbindung gebracht und gefordert.
Der Leiter des Dresdner VDI AK Fahrzeug- und Verkehrstechnik, Dipl.-Ing. Uwe Bastian, zugleich stellvertretender Vorsitzender des Dresdner BV und Initiator der Veranstaltung, hieß alle Referenten und Teilnehmenden ebenfalls beim VDI willkommen und leitete zum Thema des Abends über.
Mexiko hat eine erfolgreiche Entwicklung zum Produktionsstandort genommen. Nicht nur das, auch die an internationalen Standards orientierte Ausbildung von Fachkräften im Facharbeiter- und im akademischen Bereich haben dazu geführt, dass große Unternehmen, beispielgebend Volkswagen, mittlerweile auf einheimische gut ausgebildete junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen, um auch Entwicklungsaufgaben vor Ort zu bearbeiten. Das Freihandelsabkommen mit der EU hat diese Entwicklungen befördert. Die geostrategische Lage des Landes, seine Rohstoffvorkommen und die vor Ort verfügbaren Fachkräfte haben Mexiko zu einem attraktiven Partner der deutschen Wirtschaft werden lassen. Mittlerweile ist der Fahrzeugsektor neben Maschinenbau und Textilindustrie eine tragende Säule in der Wirtschaftsentwicklung des Landes geworden. Ein Beispiel dafür ist die erfolgreiche Weiterentwicklung und Produktion des VW Käfer und deren Nachfolgemodelle von den 70-er Jahren bis 2019, die u. a. eine Belieferung von Nord-, Mittel und Südamerika von Mexiko aus ermöglichte.
Für das Grußwort der sächsischen Staatsregierung konnte Herr Thomas Kralinski, Staatsekretär und Amtschef im SMWA, begrüßt werden. „Es gäbe viele Themen, über die gemeinsam gesprochen werden sollte, nicht nur den Automobilbau“, so eröffnete Kralinski seine Ausführungen. Denn die Herausforderungen, vor denen wir alle derzeit stehen, betreffen so gut wie alle Volkswirtschaften. Als wichtigste Punkte nannte Thomas Kralinski die Notwendigkeit der Digitalisierung von Prozessen in der Gesellschaft und in der Wirtschaft, den demographischen Wandel (hier hat Mexiko gegenüber Deutschland den großen Vorteil, über einen hohen Anteil junger Menschen in der Bevölkerung zu verfügen) und die Dekarbonisierung. Letztere muss so schnell wie möglich erfolgen, dazu ist auch ein Bewusstseinswandel erforderlich. Es sind neue, tragfähige technologische Lösungen erforderlich, die die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle nach sich ziehen werden. Hier sind eine internationale Zusammenarbeit und die gemeinsame Suche nach Lösungen sehr wichtig, um diese immense Transformation und der damit einhergehende Wandel gemeinsam zu gestalten und nachhaltig auszurichten. Auch Fragen der Sicherheit müssen in diesem Zusammenhang entsprechend Eingang finden. Als Beispiel der Dekarbonisierung in Deutschland nannte der Staatssekretär die Umstellung Energieerzeugung auf Wasserstoff. Dafür sind ingenieurtechnische Lösungen gefragt und es wird mit Hochdruck daran gearbeitet. In Sachsen ist für die Umstellung auf Wasserstoff bereits die komplette Wertschöpfungskette aufgebaut.
Mit Blick auf die Studierendenzahlen aus Mexiko in Sachsen meinte der Staatssekretär mit einem Augenzwinkern: „Derzeit gibt es 162 mexikanische Studierende bei uns – da geht noch was.“ Sachsen biete mit seiner exzellenten Hochschullandschaft sehr gute Voraussetzungen für eine akademische Ausbildung. Es ist dafür ein Handlungsprogramm erforderlich, woraus ein gesellschaftlicher Pakt entsteht. Auch in der Facharbeiterausbildung stünden die Türen weit offen. Kralinski unterstrich die Bereitschaft der sächsischen Staatsregierung zur Unterstützung bei der Ausbildung junger Menschen, ebenso wie bei der Suche nach einem attraktiven Arbeitsplatz in Sachsen.
Sehr herzlich wurde der Botschafter von Mexiko in Deutschland, Herr Francisco José Quiroga Fernández, begrüßt. Er gab in seinem Grußwort Einblicke in die wirtschaftliche Situation und das Investitionsumfeld seines Landes und ging dabei besonders auf die Rolle Mexiko´s in internationalen Lieferketten, die Beschäftigungssituation, die Strategie der Energiebereitstellung und der hervorragend ausgebauten Infrastruktur, z. B. dem Eisenbahnnetz, ein. Mexiko ist eine liberale Demokratie mit kulturellen Wurzeln in Lateinamerika und starken ökonomischen Verbindungen zu Nordamerika. Neben den Bemühungen um eine gesellschaftliche Weiterentwicklung stehen eine ausgewogene Außendiplomatie und die technologische Entwicklung des Landes im Mittelpunkt. Ein weiterer wirtschaftlicher Standortfaktor ist der Tourismus.
Deutschland ist Mexikos wichtigster Handelspartner in der Europäischen Union und neben den USA, China, Korea und Kanada einer der fünf wichtigsten Handelspartner weltweit. Die bilateralen Handelszahlen haben in den letzten Jahren erfreulicherweise den Aufwärtstrend fortgesetzt. Die wichtigsten Sektoren des bilateralen Handels sind dabei die Automobilbranche, der Maschinenbau, Chemie, Pharmazie und Elektronik. Deutschland ist mit 4,5% der von Mexiko erhaltenen ausländischen Direktinvestitionen der fünftgrößte internationale Investor im Land. Es sind derzeit 2.311 deutsche Unternehmen in Mexiko aus den o. g. Bereichen tätig. Aber auch 27 mexikanische Unternehmen sind mit insgesamt 6.000 Beschäftigten in Deutschland tätig, unter ihnen Cemex (Baustoffe), Nemak (Automotive), Grupo Alfa (Automotive), Corporación EG (Industriezulieferer), Mexichem (Chemische Industrie), Grupo BOCAR (Automotive) und Metalsa (Automotive).
Die mexikanische Regierung wird weiterhin deutsche Investoren in Mexiko unterstützen und das Investitionsgeschehen erweitern und fördern. Probleme, die in der Bürokratie und der Abwicklung von Investitionen bestehen, versucht der Staat zu beseitigen. Insbesondere in den Sektoren Luft- und Raumfahrt, Landwirtschaft, Energie, Automotive, Infrastruktur, Produktion und Gewinnung von Rohstoffen besteht von seitens Mexikos ein besonderes Interesse am Ausbau der Zusammenarbeit. Der Herr Quiroga stellte sein Land als zuverlässigen Partner dar und rief dazu auf, seitens der deutschen Partner interessante Bereiche zu identifizieren und Unternehmen bei der Entwicklung ihrer Projekte zu unterstützen (Standortauswahl, Geschäftspartner, Visaverfahren usw.). Das größte Wachstum wird noch immer aus dem Bereich privater Investoren kommen, damit schloss der Botschafter seine Ausführungen.
Herr Holger Nestler, CIO von Volkswagen de México und CPO der North American Region, stellte in seinem ausführlichen Vortrag die Aktivitäten von Volkswagen in Mexiko und der nordamerikanischen Region NAR (vor allem USA und Canada) vor, welche die Modelle Atlas, Atlas Crossport, ID.4, Tiguan PA, Jetta A7 und Taos als speziell an diese Marktregion angepasste Fahrzeuge umfasst.
Mexiko als strategisch wichtiger Partner in der Region beheimatet derzeit 22 Automobil-Fertigungsstandorte de facto aller großer Hersteller. Damit ist das Land weltweit an 7. Stelle in der Fertigung und 5. größter Exporteur von Fahrzeugen (jährlich 2,8 Mio. Fahrzeuge). Rund 800.000 Beschäftigte zählt die Automotive-Branche in Mexiko. Derzeit hat VW de México ca. 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den beiden Standorten Puebla und Silao (Motorenfertigung). Bis 2030 strebt VW ein beschleunigtes Wachstum in der Region auf rund das doppelte Volumen an. Holger Nestler lobte die stabilen politischen Verhältnisse, eine gute Infrastruktur, Verfügbarkeit von Ressourcen, eine gute Fachkräftesituation vor Ort und eine insgesamt attraktive Kostenstruktur für den Produktionsstandort.
Volkswagen muss sich in der Region gegenüber anderen Akteuren weiter gut positionieren. Als Herausforderungen nannte Nestler den Nachholbedarf in der Digitalisierung, die großen sozialen Unterschiede, eine noch immer bestehende große Bürokratie, auch Korruption und Fragen einer mangelnden Sicherheit, wobei der Staat hier große Anstrengungen unternimmt, all dem entgegenzuwirken. Für Ingenieurinnen und Ingenieure aus Deutschland ist Mexiko ein attraktiver Arbeitsort mit guten Qualifizierungschancen, etliche Austauschprogramme unterstützen dies.
Mexiko spielt bei der wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung Nordamerikas eine entscheidende Rolle. Das Land kann eine stabil wachsende Wirtschaft mit einem schnell wachsenden Markt vorweisen, verfügt über Rohstoffe und gut ausgebildete junge Menschen, bietet Investoren eine vorteilhafte Kostenstruktur und genießt die Vorteile des Freihandelsabkommens mit den USA und Canada (USMCA).
Als anschauliches Beispiel konnte Holger Nestler den Teilnehmern den VW Atlas präsentieren, der für den nordamerikanischen Markt entwickelt wurde und weitestgehend dort verkauft wird.
Im Anschluss stellte Herr Prof. Dr. Christian-Andreas Schumann (Westsächsische Hochschule Zwickau, Vorsitzender des VDI Westsächsischer BV Chemnitz) die „Multilaterale Hochschulkooperationen in globalen Bildungsnetzwerken im Kontext mexikanisch-deutscher Zusammenarbeit“ vor. Nach den Erkenntnissen von Henry Etzkowitz basiert Innovation zunehmend auf einer "Dreifach-Helix" aus Universität, Industrie und Regierung.
Die Regierung agiert dabei als öffentlicher Unternehmer und Risikokapitalgeber, zusätzlich zu ihrer traditionellen Rolle als Regulierer. Dieses Erfolgsmodell treibt die Innovationen voran. Die Vorteile dieses Netzwerkes liegen dabei auf der Hand, denn die globalen Herausforderungen für Hochschulen wie auch für Unternehmen werden nur durch Kooperationen zu lösen sein. Prof. Schumann erläuterte dies am Beispiel des Deutschen Hochschulkonsortiums für internationale Kooperation, dem in Deutschland 38 Hochschulen beigetreten sind. Hier werden besonders Kooperationen zu Hochschulen in China, Mexiko und Indien gepflegt, in Mexiko insbesondere zur Tecnológico de Monterrey, zur Universidad de las Américas. Puebla sowie zur Universidad Autónoma de Yucatán. Voraussetzung einer erfolgreichen Kooperation ist dabei vor allem die gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse. In dieser multilateralen Entwicklung von Bildungsangeboten werden derzeit auch neue Wege eingeschlagen, wobei sich auch der VDI mit seinen Vorstellungen einer modernen Ingenieurausbildung eingebringen konnte. Vor allem die Frage der Einbindung der KI in die Kursentwicklung wird zukünftig von Bedeutung sein. Dies wird umso besser gelingen, je weiter die jeweilige Hochschule in der Digitalisierung selbst bereits vorangeschritten ist. Hierzu gibt es in Deutschland auch noch Nachholbedarf.
Einen „Status und Ausblick der sächsisch –mexikanischen Zusammenarbeit ingenieurgetriebener Unternehmen“ gab anschließend Herr Dirk Vogel, Geschäftsführer der RKW Sachsen GmbH. Das Automobilzuliefer-Netzwerk AMZ unter dem Dach des RKW Sachsen umfasst über 800 Partner in Sachsen, weltweit ist das AMZ mit 23 Partner-Netzwerken, die insgesamt 1.400 Standorte vertreten, verbunden.
Der derzeitige Automobilmarkt ist nach einem Einbruch durch Corona und die Chipkrise in den Jahren 2020 bis 2022 in einer vorsichtigen Erholung, jedoch sind gewisse Unsicherheiten und die Transformationsprozesse auch deutlich zu spüren sehen. In Europa stagnieren die Zahlen für die Neuzulassungen von Pkw, wobei nur Batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) Zuwachsraten von 30 % erzielen konnten. Nach Auslaufen der Förderung für Plug-in-Hybride (PHEV) kam der Markt für diese Fahrzeuge zum Erliegen, Brennstoffzellen-Fahrzeuge (FCEV) haben unverändert kaum Bedeutung am Markt.
Bis ca. 2019 war Mexiko ein Standort mit wachsendem Interesse, welches durch zahlreiche Kooperationen der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Hochschulen, auch mit zahlreichen Förderprogramm bis hin zur Spitzenclusterförderung, vorangetrieben wurde. Als Beispiele für sächsische Unternehmensansiedlungen nannte Dirk Vogel die FEP Fahrzeugelektrik Pirna GmbH & Co. KG, die Schnellecke Logistics und die Fa. Formel D. Hinzu kommen Unternehmen, die Automobilteile nach Mexiko liefern: Accomplast, KTSN Minda und Digades.
Ab 2024 wird auf der Basis alternativer Antriebe, neuer Konzepte und geänderter Lieferketten ein erneutes Anwachsen der Kooperationen erwartet. Schwerpunktmäßig werden das im Bereich „Produkt“ die Elektromobilität, Automatisiertes Fahren und innovatives Interieur im Fahrzeug betreffen, im Bereich „Prozess“ der Digitalen Zwilling, Fragen der Nachhaltigkeit sowie im Produktionsprozess steigende Robotisierung/ Automatisierung und damit verbunden auch eine höhere Flexibilisierung. Ausblickend für Sachsen wird für Unternehmen ein eigener Standort in Mexiko nach wie vor von Interesse sein, wenn es wirtschaftlich attraktiv ist. Jedoch werden seiner Einschätzung nach die Lieferung in Plattformen, Produktionsengineering für Konzernstandorte sowie Dienstleistungen auf Basis von Konzern-Rahmenverträgen vorerst eher in Betracht kommen.
Abschließend erläuterte Herr RA Dr. Axel Schober (Leiter der VDI AG Internationale Beziehungen) „Handelsrechtliche Grundsätze im Geschäftsverkehr Deutschland-Mexiko“. Das deutsche und mexikanische Zivil- und Handelsrecht fußen dabei aus der geschichtlichen Entwicklung heraus beide letztlich auf den Grundgedanken des römischen Rechtes, wobei die früheren kolonialen Beziehungen mit Spanien eine wesentliche Rolle spielen, d. h., die Denkstrukturen sind verwandt. Weiterführend erläuterte er die Besonderheiten des Vertriebsrechts in beiden Ländern. Für Kaufverträge zwischen Deutschland und Mexiko findet dabei das sog. UN-Kaufrecht oder CISG sinnvoll Anwendung. Zur Vertragsgestaltung verwies Dr. Schober auf die Bedeutung der „Four Corner Rule“, wonach sich der Inhalt eines schriftlichen Vertrags substantiell aus seinem dokumentierten Text ergibt, so dass bei der jeweiligen schriftlichen Ausgestaltung je nach Vertragstyp (Kauf, Lizenz, Joint Venture etc.) im Zusammenspiel von Business und Legal große Sorgfalt angewendet werden muss. Bei Streitigkeiten empfahl Dr. Schober, auf die private Handelsschiedsgerichtsbarkeit zurückzugreifen, z.B. die der ICC.
Der Abend klang mit vielen persönlichen Gesprächen und einem Imbiss aus.
Wir danken der FSD GmbH und allen Referenten für die Unterstützung!