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Mehr zum Thema "Sicherheit von Fahrerlosen Transportsystemen und Mobilen Robotern"

Materialtransport – aber sicher!

Bild: Gorodenkoff/ Shutterstock.com

Fahrerlose Transportsysteme und Mobile Roboter sind aus Produktion und Logistik nicht mehr wegzudenken. Doch welche sicherheitstechnischen Anforderungen für Herstellerfirmen und Betreibende gilt es zu beachten?

Bei der zunehmenden Automatisierung von Fertigungsprozessen leisten Fahrerlose Transportsysteme und Mobile Roboter einen wertvollen Beitrag. Je nach ihrer Auslegung fungieren sie vom reinen Transportmittel bis hin zum mobilen Montagearbeitsplatz, der, abhängig vom Fertigungsauftrag, die unterschiedlichen Arbeitsstationen ansteuert.

Überarbeitung der Richtlinie VDI 2510 Blatt 2

Flurgebundene Fördersysteme – so lautet der Überbegriff für Fahrerlose Transportsysteme (FTS) und Mobile Roboter (MR). Bei deren Herstellung und im Betrieb sind zahlreiche sicherheitstechnische Anforderungen zu beachten. Die überarbeitete VDI 2510 Blatt 2 aus der Richtlinienreihe „Fahrerlose Transportsysteme“ des Fachbereichs Technische Logistik der VDI-Gesellschaft Produktion und Logistik geht speziell auf diese Anforderungen ein. Sie wendet sich vor allem an Herstellerfirmen sowie Unternehmen, die Maschinen von mehreren Herstellern kaufen und in ein Fertigungssystem integrieren – sogenannte Integratoren. Beschrieben werden die Anforderungen an die Maschinensicherheit während der Konzeption, Entwicklung und Installation. Unternehmen erfahren außerdem, was in puncto Sicherheit zu beachten ist, wenn sie FTS und MR betreiben und warten wollen.

„Die Überarbeitung war notwendig geworden, um die VDI 2510 Blatt 2 an die zugrunde liegende Norm anzupassen: die ehemalige, maschinenspezifische Norm DIN EN 1525 zur Sicherheit fahrerloser Flurförderzeuge wurde zurückgezogen und durch die DIN EN ISO 3691 Teil 4 ersetzt“, erläutert Frank Bauder, Vorsitzender des VDI-Arbeitskreises „Sicherheit“ im Fachausschuss „FTS“.

Sicherheit ist oberstes Gebot

Das europäische Regelwerk definiert die Mindestanforderungen an den Arbeits- und Gesundheitsschutz und hat durch die Umsetzung in nationales Recht Gesetzescharakter. Arbeitsplätze sind deshalb so zu gestalten, dass sie den Sicherheitsanforderungen entsprechen. Das ist Herausforderung und zugleich oberstes Ziel für alle Unternehmen: Menschen, die morgens unverletzt an ihren Arbeitsplatz kommen, müssen nach der Arbeit genauso unverletzt wieder zur Familie zurückkehren.

Schon Werner von Siemens sagte 1880 „Die Verhütung von Unfällen ist nicht eine Frage gesetzlicher Vorschriften, sondern unternehmerischer Verantwortung und zudem ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft.“ Was damals galt, hat heute mehr denn je Bestand: Jeder Unfall bedeutet neben dem Leid für die betroffene Person Aufwand und Kosten für das Unternehmen – Mitarbeitende fallen aus, die Produktion gerät ins Stocken, Verunsicherung macht sich breit. Und wenn ein Unfall publik wird, wirkt das mitunter sogar rufschädigend.

„Beim Übergabeprozess wird Kooperation groß geschrieben“

Für Unternehmen, die FTS und MR betreiben, sind die Anforderungen aus der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) zu beachten, Herstellerfirmen stützen sich auf das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz als nationale Umsetzung der Maschinenrichtlinie.

Die BetrSichV fordert eine Prüfung des Arbeitsmittels vor dem ersten Einsatz. Optimaler Weise gestalten Herstellerfirma und betreibendes Unternehmen dies im Projektablauf gemeinsam anhand zuvor abgestimmter Checklisten. Die VDI 2510 Blatt 2 gibt hier allen Akteuren wertvolle Leitlinien zur Planung und Umsetzung der einzelnen Phasen an die Hand.

Frank Bauder betont: „Lücken und Fehler im Übergabeprozess von der Herstellerfirma zum betreibenden Unternehmen werden nur vermieden, wenn sich beide im Vorfeld Gedanken über die zu prüfenden Eigenschaften machen.“ Zu Grund läge hier das Lastenheft des betreibenden Unternehmens. Dem gegenüber stünden das Angebot der Herstellerfirma und die Spezifikationen in der weiteren Dokumentation. „Damit das gelingt, wird Kooperation groß geschrieben!“ fasst Bauder zusammen.

Grundlagenwissen „Flurgebundene Fördersysteme“

Ist die Automatisierung der Montage- und Fertigungsprozesse in der Industrie meist bereits ausgereizt, stecken in Logistik und Materialzuführung noch viele Möglichkeiten. Allein in den Jahren von 2018 bis 2020 haben sich in Deutschland die Installationszahlen für flurgebundene Fördersysteme, wie FTS und MR, mehr als verdoppelt. Die primäre Aufgabe beider Systeme ist der Materialtransport in industriellen Fabrikations- und Lagerhallen, aber sie werden auch als mobile Montageplattformen eingesetzt oder für Dienstleistungsaufgaben, wie Überwachung und Reinigung. FTS und MR beschleunigen und optimieren standardisierte Routineaufgaben und lassen sich nachträglich in bestehende Fertigungsstrukturen integrieren.

Immer häufiger ersetzen Produktionsbetriebe das klassische Fließband durch MR oder FTS-Einheiten, die das Produkt genau dorthin bringen, wo es bearbeitet werden soll – das ermöglicht eine hoch-flexible Produktion. FTS und MR gestalten interne Logistikaufgaben effizienter, beispielsweise das autonome Aufnehmen und Absetzen von Europaletten. Transportschäden werden dadurch verringert, das Verletzungsrisiko minimiert.

Im Hinblick auf die Fachkräfteproblematik wirken FTS und MR zwar an einigen Stellen entzerrend, sie werden die Situation aber weder entspannen noch lösen, so die Einschätzung von Frank Bauder.

Autorin: Alice Quack

Ansprechpartner im VDI:
Dr.-Ing. Thomas Sowa
VDI-Gesellschaft Produktion und Logistik (GPL)
Telefon: +49 211 6214-290
E-Mail: sowa@vdi.de

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