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9. Sächsischer Ingenieurtag stellt sich der gegenwärtigen Situation und diskutiert Lösungsansätze

Unter dem Motto "Nachhaltigkeit und Resilienz im Kontext der Globalisierung" stellte der 9. Sächsische Ingenieurtag die Herausforderungen, die durch die Corona-Pandemie, den Klimawandel und den seit 24. Feburuar andauernden russischen Krieg gegen die Ukraine entstanden waren, zur Diskussion. Der VDI Dresdner Bezirksverein e.V. hatte als Gastgeber und Organisator der Veranstaltung eingeladen, rund 100 Interessenten waren der Einladung gefolgt. 

In seiner Einleitung unterstrich Dr. Olaf Andersen, Vorsitzender des VDI Dresdner Bezirksvereins, den engen Zusammenhang zwischen fachlicher Arbeit und gesellschaftlicher Verantwortung der Tätigkeiten der Ingenieurinnen und Ingenieure. "Das lebenslange Lernen, der kollegiale Austausch und der verantwortungsvolle Umgang mit den Ressourcen, aber auch mit den Ergebnissen unserer Arbeit sind uns Ingenieuren selbstverständlich. Was wir, denke ich, besser machen müssen, ist die Kommunikation mit der Öffentlichkeit – die Förderung eines fachlich fundierten, sachlich-unaufgeregten Austausches von Argumenten.", so Dr. Andersen. Weiterhin ist für den VDI die Förderung des ingenieurtechnischen Nachwuchses ein wichtiges Thema, welches auch in der Satzung verankert ist.  Er würdigte das ehrenamtliche Engagement in den drei sächsischen Bezirksvereinen, welche die gegründeten "VDIni-Clubs" und "Zukunftspiloten" mit ihren rund 450 Kindern und Jugendlichen betreuen. Einen besonders großen Beitrag leistet in Sachen außerschulische Angebote die VDI GaraGe gGmbH in Leipzig (www.g-a-r-a-g-e.com) , deren langjährige Geschäftsführerin Frau Dr. Träger-Nestler Ende vergangenen Jahres in den Ruhestand verabschiedet worden war. Für ihre Verdienste um die Nachwuchsförderung im MINT-Bereich überreichte Dr. Andersen Frau Dr. Täger-Nestler eine Gedenkmünze.

Das Grußwort zum 9. Sächsischen Ingenieurtag hatte Thomas Kralinski, Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, übernommen. Derzeit werden die Herausforderungen unserer Zeit: Dekarbonisierung der Wirtschaft und der Mobilität, demographischer Wandel und damit einhergehend Fachkräftenengpässe sowie die Erfordernisse der Digitalisierung überlagert von 2 Großtrends: der Pandemie, welche noch nicht beendet ist, und der Krieg Russlands gegen die Ukraine mit all seinen Folgen. Die "Zeitenwende", von der Olaf Scholz als Bundeskanzler sprach, wird in mehrfacher Hinsicht mit ihren Auswirkungen zu spüren sein. Die Preise steigen, Lieferketten wurden unterbrochen, Rohstoffen werden signifikant teurer oder sind derzeit gar nicht mehr verfügbar. Dies alles lässt nunmehr die Forderung zur "Deglobalisierung" erkennen, auf die mit abgestimmten und ausgewogenen Reaktionen seitens der Regierungen reagiert werden muss, um den Wohlstand, aber auch den Frieden, zu erhalten. Dazu wird derzeit mit Engagement ausgelotet, strategisch wichtige Güter im Land oder zumindest in der EU herzustellen und Rohstoffmärkte in anderen Regionen der Welt - mit zuverlässigen Partnern - zu erschließen. Dies alles bedeutet höhere Kosten, aber "die Sicherheit muss uns das wert sein, denn Sachsen muss ein Industrieland bleiben", unterstrich Kralinski. Der Osten Deutschlands hat bei diesen Herausforderungen den großen Vorteil, über industriepolitische Erfahrungen bei derartig umwälzenden Transformationsprozessen zu verfügen. Er erinnerte an die erfolgreiche Ansiedlungspolitik der Mikroelektronik in Dresden, an den Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft und anderes. Aber er appelierte auch an die Ingenieurinnen und Ingenieure, die Energiewende mehr zu unterstützen. Die CO2-arme Produktion und Mobilität zu fördern erfordere bei vielen Menschen eine Änderung der Einstellung. Zum Thema Fachkräftesicherung verwies Kralinski auf die "Fachkräftestrategie" und die "Fachkräfte-Allianz Sachsen", deren Maßnahmen ständig konzeptionell abgestimmt würden.  Auch die Digitalisierung würde voran getrieben - in den nächsten Jahren werden 1,5 Mrd. € für den Ausbau des schnellen Internet bereit gestellt.

Im folgenden werden nur einige Kernaussagen der Fachvorträge zusammen gefasst, das blau hinterlegte Thema führt sie zu den Vortragsfolien der jeweiligen Referenten:

Im ersten Fachvortrag "Herausforderung an internationale Lieferketten – Wenn der Krisenmodus andauert" verglich Prof. Dr. Ingo Gestring, HTW Dresden, die Lieferketten mit Hochleistungssport - Lieferketten müssen stets alle Disziplinen (kritische Rohstoffe, Transport, (neue) gesetzliche Vorgaben, logistische Infrastruktur und Ablauf, sowie Transparenz) gleichermaßen beherrschen und abbilden können, um reibungslos zu funktionieren. Einzelne "dramatische"  Ereignisse führen zum Versagen der gesamten Kette mit dramatischen Auswirkungen. Das neue "Lieferkettengesetz" der EU wird dabei erhebliche Nachhaltigkeitsverpflichtungen an die Unternehmen mit sich bringen, die die derzeitige Situation erschweren könnten. Als besonders wichtigen Punkt für die Zukunft hob Prof. Gestring die Einführung eines Risikomanagements für Lieferausfallrisiken und Menschenrechtsverletzungen hervor.

Marian Süße, Fraunhofer IWU Chemnitz, stellte die "Konzepte der klimaneutralen Fabrik" vor. Er erläuterte die Sektorenkopplung in der Fabrik als Lösungsansatz für emissionsfreie Produktion, dabei fällt der Simulation eine tragenden Rolle zur energetischen Flexibilisierung zu, wie anhand von Projektbeispielen anschaulich dargelegt wurde. Besonders lohnenswert ist die Erarbeitung einer gemeinsamen Strategie von Unternehmen in Gewerbeparks durch: den gebündelter Einkauf benötigter Energiemengen bzw. –träger am Markt, den Ausbau der Erzeugung erneuerbarer Energie und Direktlieferung im Gewerbepark, die zentrale Bereitstellung von Medien (z.B. Druckluft) sowie durch den Aufbau eines  Nutzer-übergreifenden Lastspitzenmanagement.

Unter dem Titel "Wasserstoff ist Wirtschaftskraft" stellte der Vorstandsvorsitzende der HYPOS Hydrogen Power Storage & Solution East Germany e.V., Leipzig, Herr Dr. Joachim Wicke, das Netzwerk HYPOS aus mehr als 160 Mitgliedsunternehmen vor, die die Zielstellung vereint, einen gemeinsamer Wissensaufbau und die kooperative Infrastrukturentwicklung der Wasserstoffwirtschaft in Ostdeutschland zu befördern. Wasserstoff wird trotz Auf- und Ausbau eigener Kapazitäten in den hauptsächlichen Anwendungsgebieten Chemie und Raffinerie, Energiespeicherung, Energietransport und Mobilität in derartig großen Mengen benötig werden, dass Importe unumgänglich sein werden. Für den weiteren erfolgreichen Aufbau der Wasserstoffwirtschaft wird es notwendig sein, konsequenter den Ausbau der regenerativen Energieerzeugung voran zu treiben, seitens der Politik wirtschaftliche Rahmenbedingungen für private Investitionen zu schaffen, Technologieoffenheit für erneuerbare H2-Erzeugung zu gewährleisten, den Export von Technologien und Import von H2 anzustoßen sowie die Transformation und Infrastrukturausbau als Bund-Länder-Aufgabe zu verstehen.

Als ein sehr praxisnahes Thema stellte abschließend Herr Dr. Ralf Günther, Liofit GmbH Kamenz, mit seinem Vortrag zum Thema "Wiederaufbereitung versus Recycling von Li-Ionen-Akkus – wichtige Beiträge für nachhaltige Batteriekonzepte auch im globalen Kontext" die Notwendigkeit, die Möglichkeiten und die Grenzen des mechanischen Recycling von Li-Ionen-Akkus von Elektro-Fahrrädern vor. Schwierig erweist es sich derzeit, dass die Akkureparatur im Batteriegesetz (BattG) gesetzlich noch nicht geregelt ist. Dies hat offenbar Gründe in der Produkthaftungsgesetzeslage und erschwert die Reparatur bzw. die Entscheidung zum mechanischem Recycling. Derzeit werden Akkus als Ganzes verbrannt. Die Fa. Liofit GmbH Kamenz hat eigene Technologien für die Reparatur und Prüfverfahren für die recycelten Akkus entwickelt und plädiert zukünftig für eine unabhängige Zertifizierung.

Die regen und ausführlichen Diskussionen zu den behandelten Themenkreisen zeugen von dem großen Interesse und dem Willen der Ingenieurinnen und Ingenieure, sich aktiv an der Erarbeitung von Lösungsansätzen der gegenwärtigen Herausforderungen zu beteiligen. Ein insgesamt sehr gelungener Ingenieurtag, der seine Fortsetzung in zwei Jahren in Leipzig finden wird.

 

 

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